Anspruchsvoll

Muss deutsches Kindergeld wirklich in voller Höhe ins EU-Ausland?

Von Wolfgang Molitor

Manchmal lohnt es sich, einfach mal nachzurechnen. Zum Beispiel bei den Kindergeld-Ansprüchen, die der Euro­päische Gerichtshof jetzt in vollem Umfang auch jenen Kindern von im Ausland lebenden EU-Bürger zugestanden hat, die in der Heimat ihrer Eltern geblieben sind – und deren Anspruch rechtlich sogar auch dann Bestand hat, wenn ihr Vater oder ihre Mutter in der Fremde seit etlichen Jahren ohne Arbeit ist.

Ein Beispiel: Ein rumänischer Arbeitsloser hat in seiner Heimat vier Kinder. Für die bezieht er ab 1. Juli dieses Jahres ein Kindergeld in Höhe von insgesamt 853 Euro. Im Vergleich beträgt das Durchschnittseinkommen in Rumänien 735 Euro, darin enthalten sind alle Löhne und Gehälter, aber auch andere Einkommen etwa aus Kapitalerträgen. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland liegt bei rund 2800 Euro. Ist es da wirklich sozial ungerecht, die Zahlungen ins weite EU-Ausland den dortigen Preis- und Lebensverhältnissen zumindest moderat anzupassen? Ist es wirklich nachvollziehbar, dass sich für Menschen aus einem armen Teil der EU Arbeitslosigkeit – etwa in Deutschland – schon allein wegen der Höhe des Kindergeldes lohnt? Und was wäre, falls sich die Forderung von SPD und Sozialverbänden nach einer Kindergrundsicherung in Höhe von 628 Euro im Monat durchsetzte, die Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag oder Bildungs- und Teilhabepakete bündelt? Wäre auch die dann Grundlage für Zahlungen ins EU-Ausland?

Der EuGH hat entschieden. Er hält die in einem EU-Land bestehenden Kindergeldansprüche auch für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder rechtlich in Ordnung. Das muss man akzeptieren. Das Nachdenken über Korrekturen aber gehört weiter auf die Tagesordnung.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de