Aggression in Nahost

Arabische Staatenlenker drohen Israel mit Ende der Annäherung

Die Staats- und Regierungschefs verschiedener arabischer und islamischer Staaten wollen eine gemeinsame Antwort auf Israels Luftangriff in Katar finden.

Arabische Staatenlenker  drohen Israel mit Ende der Annäherung

Auch der pakistanische Premier Shehbaz Sharif (2. v. re.) wurde in Doha empfangen.

Von Thomas Seibert

Arabische und islamische Staaten drohen Israel nach dem Angriff auf die Hamas-Führung in Katar mit einem Ende der Annäherungspolitik der vergangenen Jahre, verzichten aber auf konkrete Strafmaßnahmen. Das zeichnete sich am Montag bei einem Gipfeltreffen in der katarischen Hauptstadt Doha ab. Wenn die Warnung an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu umgesetzt wird, könnte das Israel politisch und wirtschaftlich schaden. Weitergehende Vorschläge wie die Forderung nach einer Art arabischer Nato oder der Ruf nach einem Abbruch aller Beziehungen mit Israel – wie vom iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian gefordert – fanden bei dem Gipfel laut einem Entwurf für die Schlusserklärung keine Mehrheit.

Auch der türkische Staatspräsident wurde erwartet

Die zuständigen Minister aus arabischen und anderen islamischen Staaten hatten die Gipfelerklärung bei Vorberatungen in Doha am Sonntag ausgearbeitet. Am Montag trafen die Staats- und Regierungschefs aus der Arabischen Liga und den 57 Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in der katarischen Hauptstadt ein, darunter der iranische Präsident Masoud Pezeshkian . Erwartet wurde auch der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Israels Angriff hat die Staaten der Region geschockt, weil Katar als Vermittler im Gaza-Krieg bisher als sicher galt: Seit Dienstag voriger Woche ist arabischen und islamischen Regierungen klar, dass es keinen Schutz vor israelischen Angriffen gibt und US-Präsident Donald Trump die Israelis nicht aufhalten kann oder will. Netanjahu droht mit weiteren Militärschlägen, falls Katar oder ein anderes Land der Region die Hamas-Führung aufnehmen sollte. Der Iran, der Libanon, Syrien und der Jemen wurden schon vor dem Angriff in Doha von Israel bombardiert.

Breite arabische und islamische Solidarität

Mit dem Gipfeltreffen am Ort des israelischen Angriffs vom vorigen Dienstag werde die „breite arabische und islamische Solidarität“ mit Katar unterstrichen, erklärte das Außenamt in Doha. Die gemeinsame Erklärung warnte laut Entwurf, der Angriff in Doha „gefährdet alles, was bei der Normalisierung der Beziehungen mit Israel erreicht worden ist“, wie arabische Medien und die Nachrichtenagentur Reuters berichteten. Das betreffe bestehende Friedensverträge zwischen Israel und islamischen Staaten ebenso wie geplante Abkommen.

Diplomatische Beziehungen zu Israel

Ägypten, Jordanien und die Türkei unterhalten bereits seit Jahrzehnten diplomatische Beziehungen mit Israel. Auf Initiative von Trump kamen in den vergangenen Jahren neue Verträge des jüdischen Staates mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain, Marokko und Sudan hinzu, die so genannten Abraham-Abkommen.

Trump strebt zudem Verträge zwischen Israel auf der einen und Syrien, Libanon und Saudi-Arabien auf der anderen Seite an. Nach Israels Angriff in Doha ist der Abschluss dieser Abkommen in weite Ferne gerückt. Der Iran konnte sich beim Gipfel in Doha aber nicht mit der Forderung durchsetzen, alle arabischen und islamischen Staaten sollten ihre Beziehungen zu Israel abbrechen.

VAE hätte die Möglichkeit, Israel unter Druck zu setzen

Laut dem katarischen Sender Al-Dschasira hätten besonders die VAE die Möglichkeit, Israel politisch und wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Bisher hätten die VAE das Ziel, den Handel mit Israel auf ein Volumen von zehn Milliarden Dollar auszubauen. Zudem könnten die VAE die Visafreiheit für israelische Touristen aufheben. Die VAE haben bereits israelische Unternehmen von einer wichtigen Rüstungsmesse ausgeschlossen. Katar verlangt laut Medienberichten zudem von den VAE, die Beziehungen zu Israel auf Eis zu legen. Dafür gibt es bisher aber keine Hinweise.

Arabische Medien hatten vor dem Gipfel in Doha berichtet, Ägypten wolle bei dem Treffen die Idee eines arabischen Verteidigungsbündnisses nach Vorbild der Nato besprechen. Kairo hatte den Vorschlag bereits vor zehn Jahren gemacht, doch die Umsetzung war an einem Streit um Kommandostrukturen und den Standort des Hauptquartiers gescheitert, wie die VAE-Zeitung „The National“ meldete.

Verteidigungsbündnis nach Vorbild der Nato?

Laut der Zeitung ist Ägypten bereit, 20 000 Soldaten für das neue Bündnis zur Verfügung zu stellen, das eine gemeinsame Verteidigung sichern und Truppen für Friedensmissionen stellen soll. Wie bei der Nato soll es einen militärischen Oberbefehlshaber und einen zivilen Generalsekretär geben.

Eine Militärallianz der Arabischen Liga oder der OIC könnte theoretisch als Abschreckung gegen israelische Angriffe dienen. Einige Mitgliedstaaten wie Syrien oder Jordanien grenzen direkt an Israel. Strukturen der Nato sind aber nicht ohne weiteres auf den Nahen Osten übertragbar. Unter den islamischen Ländern gibt es keine unangefochtene militärische Führungsmacht, wie es die USA in der Nato sind.

Einzelinteressen stehen einem Bündnis im Weg

Zudem stehen Einzelinteressen der islamischen Staaten und ideologische Differenzen der Bildung einer arabischen Nato im Weg. Der Gipfel von Doha beließ es laut dem Entwurf für die Schlusserklärung bei Warnungen an Israel – eine gemeinsame arabische Armee wird es in absehbarer Zeit nicht geben.