Arbeitsleben im Zeichen revolutionären Wandels

Rolf Rau und Herbert Sturm blicken auf 50- beziehungsweise 40-jährige Betriebszugehörigkeit zum Verlag der Backnanger Kreiszeitung zurück

Rolf Rau und Herbert Sturm haben ein halbes Jahrhundert Zeitungsgeschichte begleitet und mitgestaltet – einen Zeitraum, den ein revolutionärer technischer Wandel kennzeichnet. Beide feiern jetzt Arbeitsjubiläum: Rau blickt auf eine 50-jährige Betriebszugehörigkeit zum Verlag der Backnanger Kreiszeitung zurück, 40 Jahre sind es für Sturm.

Arbeitsleben im Zeichen revolutionären Wandels

Haben ein halbes Jahrhundert Zeitungsgeschichte mit allen Veränderungsprozessen mitgestaltet: Herbert Sturm (links) und Rolf Rau. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG.Rolf Rau hat sein gesamtes berufliches Leben im Haus der BKZ zugebracht. Als 15-jähriger Hauptschulabsolvent trat er 1968 die Ausbildung zum Schriftsetzer an. Eingestellt wurde er vom damaligen Seniorchef Emil Stroh. Offizieller Ausbildungsbeginn war, wie sich Rau erinnert, am 1. August 1968, einem Donnerstag. Weil aber die Vorarbeiten für die umfangreicheren Freitags- und Samstagsausgaben immer einen erhöhten Aufwand erforderten, bedeutete ihm der Chef: „Bua, kommsch am Montag.“ Zu der Zeit befand sich noch der komplette Betrieb mit Setzerei, Druckerei, Redaktion und Verwaltung in der Postgasse, erst 1969 siedelte der technische Betrieb in die Sulzbacher Straße um.

Eine Zeitungsausgabe hatte zu Raus Anfangszeiten in der Regel zwölf Seiten, gedruckt wurde nur in einer Farbe – Schwarz. Handarbeit war gefragt: Die Schriftsetzer fügten im manuellen Bleisatz Buchstaben für Buchstaben zu Zeilen und Kolumnen aneinander. Die Lettern dafür holten sie aus Setzkästen, in denen das größte Fach vom „e“ belegt war, weil es am häufigsten gebraucht wurde. Eine unabdingbare Voraussetzung bei dieser Arbeit war, dass der Schriftsetzer Spiegelschrift lesen konnte.

Weil neben der Zeitung auch andere Druckaufträge – von der Visitenkarte bis zur Beschriftung von Kranzschleifen – zu gestalten waren, stand eine große Auswahl an verschiedenen Schriften zur Verfügung. Die Schriftgrößen waren dabei festgelegt, Modifizierungen, die heute in der digitalen Welt kein Problem darstellen, waren nicht möglich, bestätigt Herbert Sturm. Er hat seinen beruflichen Lebensweg 1969 bei einer kleinen Akzidenzdruckerei in Bad Cannstatt begonnen. Dort wurde er mit allem konfrontiert, was in dem Gewerbe anfallen kann – bis hin zur Auslieferung von Druck-Erzeugnissen.

1972 war Sturm mit der dreijährigen Schriftsetzerlehre fertig und kam nach Backnang zum Verlag Fr. Stroh, ein Wechsel, bei dem auch sein fußballerisches Engagement für die TSG eine Rolle spielte. Bald darauf holte ihn dann die Bundeswehr. Nach dem 15-monatigen Wehrdienst kehrte er für ein weiteres Jahr zum Verlag der Backnanger Kreiszeitung zurück, ehe er von 1976 bis 1978 die Technikerschule besuchte. Nach dem erfolgreichen Abschluss, den Meister und den Techniker in der Tasche, wurde Sturm von Neuem im Haus Stroh angestellt – nun in Vorgesetztenposition.

Gut geschulte Fachkräfte wurden damals dringend benötigt, denn in der Zeitungslandschaft setzte eine technische Revolution ein: der Wandel vom Blei- zum Fotosatz. Anstelle schwerer Setzkästen und Bleilettern dominierten nun Geräte, mit denen die gesetzten Texte auf Fotopapier belichtet wurden – 21 Zentimeter breite Fahnen, die zum Teil noch geschnitten werden mussten, um im Klebeumbruch manuell zur Seite zusammengefügt zu werden. Der erste Rechner, der dabei zum Einsatz kam, hatte eine heutzutage bescheiden anmutende Kapazität von zweimal 20 MB. Mit der neuen Technologie einher ging der Wandel im Berufsbild vom Schriftsetzer zum Mediengestalter.

Weitere Etappen in dem rasanten Veränderungsprozess folgten: das erste Faxgerät, eine automatische Versandanlage, vierfarbiger Druck. Letzterer war Anfang der 90er-Jahre in der Zeitungslandschaft stark auf dem Vormarsch – eine neue Herausforderung, die nur mit einer neuen, größeren Druckmaschine zu bewältigen war, die wiederum am Standort Sulzbacher Straße nicht unterzubringen war. Bei diesen Planungen, die auch den Neubau eines Betriebsgebäudes im Kuchengrund einschlossen, war die Expertise von Herbert Sturm gefordert. Es war, wie er sagt, „eine ganz spannende Zeit“. Gemeinsam mit Verleger Werner Stroh und einem Planungsbüro wurden Lösungen entwickelt, die sich als gut und richtig erwiesen haben und bis heute passen. Im November 1995 ging die neue Rotation in Betrieb, am 16. Januar 1996 folgte der Gesamtumzug des technischen Bereichs. Anlässlich der offiziellen Einweihungsfeier erhielt Sturm Prokura.

Damit waren die Veränderungsprozesse freilich nicht abgeschlossen. Ganzseitenumbruch, Digitalisierung der Druckplattenbelichtung, neue Programme, neue Verfahren der Bildbearbeitung, Standardisierungen: Der Wandel ist permanent weitergegangen und noch nicht beendet. „Ohne Elektronik ist das Zeitungswesen heute nicht darstellbar“, erklärt der Technische Betriebsleiter Sturm – sie durchzieht den gesamten Produktionsbereich. Was sich die Lehrlinge Rau und Sturm einst nicht hätten vorstellen können.

Im Rahmen einer betriebsinternen Veranstaltung wurden die Jubilare gestern Abend geehrt. Sie bekamen dabei auch die Urkunden der Industrie- und Handelskammer überreicht.