Arbeitstempo: Richter scheitert mit Verfassungsbeschwerde

dpa Karlsruhe. Seit fast einem Jahrzehnt wehrt sich ein Richter gegen den Vorwurf, er erledige zu wenige Fälle, vor allen Dienstgerichten vergeblich - nun führt auch seine Verfassungsklage nicht zum Erfolg. Der Beschwerdeführer habe „nicht substantiiert dargelegt“, dass seine richterliche Unabhängigkeit durch die Entscheidungen verletzt sei, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag mit. Seine Verfassungsbeschwerde wurde deshalb nicht zur Entscheidung angenommen. (Az. 2 BvR 1473/20)

Richter Thomas Schulte-Kellinghaus von der Freiburger Außenstelle des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe hatte durch das lange Verfahren eine gewisse Bekanntheit erlangt. Anfang 2012 hatte ihn die damalige OLG-Präsidentin per Bescheid zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnt. Der Vorwurf: Schulte-Kellinghaus unterschreite das Durchschnittspensum seit Jahren „ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche“. 2011 habe er so wenige Verfahren erledigt, dass sogar ein Halbtagsrichter im Schnitt mehr schaffe.

Schulte-Kellinghaus hatte darin einen Angriff auf seine richterliche Unabhängigkeit gesehen. Um ein höheres Pensum zu schaffen, müsse er seine Rechtsanwendung ändern. Das sei politisch gewünscht, um in der Justiz Ressourcen einsparen zu können. Der Fall hatte schon zwei Mal den Bundesgerichtshof (BGH) als Dienstgericht des Bundes beschäftigt. Schulte-Kellinghaus hatte sogar seine Amtszeit verlängert, um das Verfahren noch vor seinem Ruhestand abschließen zu können.

Im Gesetz ist aber auch eine Dienstaufsicht vorgesehen. Die drei für den Fall zuständigen Verfassungsrichterinnen und -richter schreiben, Schulte-Kellinghaus hätte darlegen müssen, „welcher Anwendungsbereich noch bliebe, wenn, wie er meint, die "Sachgerechtigkeit" der Erledigung allein durch die subjektive Überzeugung und persönliche Arbeitsweise des einzelnen Richters bestimmt wird“. Er habe außerdem nicht nachvollziehbar begründet, warum er einerseits keine Zweifel an der Qualität der Arbeit seiner OLG-Kollegen habe, andererseits aber bei sich persönlich die richterliche Unabhängigkeit in Gefahr sehe.

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