Syriens neuer Präsident Scharaa wirbt mit Versteigerung von Luxusautos für seine Regierung. Er selbst findet offenbar auch Gefallen am Luxus.
Der Ex-Rebellenführer Ahmed al-trägt inzwischen gern Anzug.
Von Thomas Seibert
Als syrische Rebellen im Dezember den Präsidentenpalast von Baschar al-Assad in Damaskus stürmten, fanden sie in einer riesigen Garage die Autosammlung des gestürzten Diktators: Luxuswagen der Marken Ferrari, Rolls Royce, Aston Martin, Mercedes und Lamborghini und Dutzende weitere Wagen standen dort aufgereiht. Jetzt ließ Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa vier Autos aus Assads Garage versteigern, um Geld für einen Entwicklungsfonds zu sammeln: 20 Millionen Dollar kamen in die Kasse. Scharaa will so für seine Regierung werben, denn nächste Woche finden in Syrien die ersten Wahlen seit dem Sturz des früheren Herrschers statt.
„Das war eine PR-Aktion“, sagt der Syrien-Experte Joshua Landis von der US-Universität Oklahoma. Scharaas Regierung stehe unter Druck. Aus Sicht vieler Syrer versage sie bei der Neuordnung der öffentlichen Finanzen und dem Wiederaufbau des Landes und erwecke den Eindruck, die Korruption der Assad-Zeit zu übernehmen.
Scharaas Berater verhandeln mit Geschäftsleuten, die schon unter Assad zur Elite gehörten. Eine Kommission unter Leitung von Scharaas Bruder Hasem al-Scharaa hat nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters bei diesen Kontakten 1,6 Milliarden Dollar eingesammelt: Unternehmer geben Gewinne aus der Assad-Zeit an den Staat ab und erhalten dafür Straffreiheit. Dieser Kuhhandel empöre viele Syrer, die eine Bestrafung der Elite wollten, sagt Landis.
Scharaa will zeigen, dass er anders ist
Scharaa hat also ein Interesse daran zu zeigen, dass er mit Assads System bricht. Die Versteigerung der Autos gehört dazu. Seine Regierung wolle wieder aufbauen, „was das gestürzte Regime zerstört hat“, sagte Scharaa bei einer Zeremonie zur Vorstellung des Entwicklungsfonds. Mit dem Geld aus dem Fonds will Scharaa die Wiederansiedlung von Syrern in ihren Heimatorten und den Neuaufbau der Landwirtschaft finanzieren.
Nach Scharaas Rede bei der live übertragenen Feier sammelte der Fonds 60 Millionen Dollar ein, allein ein Drittel davon durch die Versteigerung der vier Autos von Assad, wie syrische Medien berichteten. In den kommenden Monaten sollen weitere Autos des Diktators versteigert werden. Für den ersten Abend suchte sich Scharaas Regierung besondere Kostbarkeiten zur Versteigerung aus: Zu den vier versteigerten Wagen gehörte ein Ferrari des Typs F50, von dem weltweit nur 349 Stück gebaut worden sind.
Über die Käufer ist nichts bekannt; es ist aber möglich, dass sie Syrer sind. Zwar leben die allermeisten Syrer nach 14 Jahren Bürgerkrieg in Armut, doch einige wenige haben ihr Vermögen in die neue Zeit gerettet. „Teure Restaurants in Damaskus sind ausgebucht, ohne Reservierung bekommt man da keinen Tisch“, sagt Landis.
Ex-Rebellenführer hat Gefallen am Luxus gefunden
Auch Scharaa, ein früherer islamistischer Rebellenkommandeur, hat offenbar Gefallen am Luxus gefunden. „Er tritt in gut geschnittenen Anzügen auf und wohnt in Assads früherem Palast“, sagt Landis. Der Prunk kommt nicht gut an, weil der Staat an vielen anderen Stellen versagt. Vor kurzem protestierten Lehrer in der nordsyrischen Metropole Aleppo dagegen, dass sie seit Monaten nicht mehr bezahlt werden.
Mit der ersten freien Parlamentswahl seit Assads Flucht will Scharaa den Syrern auch politisch zeigen, dass die alte Zeit endgültig überwunden ist. Die neue Volksvertretung mit 210 Abgeordneten soll im Amt bleiben, bis in fünf Jahren eine neue Verfassung ausgearbeitet ist.
Mit Demokratie habe die Wahl vom 15. bis zum 20. September allerdings wenig zu tun, sagt Landis. Er weist darauf hin, dass Scharaa als Präsident ein Drittel der künftigen Parlamentsabgeordneten direkt ernennt. Auf die Wahl der restlichen 140 Abgeordneten hat Scharaa ebenfalls großen Einfluss, weil er die Kommission eingesetzt hat, die für die Auswahl der Kandidaten zuständig ist. „Das schafft nur ein Gefühl der Demokratie“, sagt Landis – „aber keine wirkliche“.