Auch bei den Bestattern ist Nachhaltigkeit ein Thema

Bestatter aus der Region erklären, was zu einer nachhaltigen Bestattung gehört. Bei der Kundschaft ist das Thema noch nicht präsent. Dafür ist das nächstgelegene Krematorium seit kurzem klimaneutral und eine neue Bestattungsform hat den deutschen Markt geentert.

Auch bei den Bestattern ist Nachhaltigkeit ein Thema

Der Sarg im Trauersaal neben Bestatter Gerd Rau aus Murrhardt besteht aus naturbelassenem Holz. Foto: Stefan Bossow

Von Anja La Roche

Backnang/Murrhardt. Das Thema der Nachhaltigkeit macht vor nichts halt. Nicht einmal vor dem Tod. „Alle Bereiche der Gesellschaft werden derzeit hinterfragt. Auch der letzte Weg“, sagt der Bestattermeister Manuel Häußer. Während seine Kunden in ihrer Trauer um die Verstorbenen meist keine Gedanken an eine ökologische Beisetzung aufbringen, kommen innerhalb der Branche derzeit durchaus neue Ideen auf. Klar ist für die befragten Bestatter aus Backnang und Murrhardt aber auch: Die Trauer steht für sie über der Nachhaltigkeit.

Häußer ist seit 22 Jahren als Bestatter im elterlichen Betrieb in Backnang tätig. „Aktuell können wir keine konkreten Anfragen zu nachhaltigen Bestattungen verbuchen“, sagt er. Für ihn selbst ist das Thema aber durchaus präsent. Das Familienunternehmen biete etwa seit drei Jahren nur noch Urnen aus biologisch abbaubaren Stoffen an. Die würden in acht bis zehn Jahren in der Erde verwesen, sodass auch die Asche der verstorbenen Person in die Erde übergehe. 80 Prozent der Personen würden bei ihm – wie auch bei den weiteren befragten Anbietern – eine Feuerbestattung wählen.

Die Menschen finden sich in einer Ausnahmesituation

Bestattermeister Gerd Rau hat im Jahr 2014 den Bestattungsbetrieb Braun in Murrhardt gekauft. Auch seine Kunden würden das Thema der Nachhaltigkeit nicht in den Vordergrund stellen, denn „die Menschen befinden sich in einer Ausnahmesituation“, sagt Rau.

In kleinen Detailentscheidung wiederum merke er allerdings durchaus ein gesteigertes Bewusstsein diesbezüglich. Viele Menschen würden sich beispielsweise für eine Urne aus Naturstoff entscheiden, statt für eine aus Metall. Aber es gebe auch viele andere Entscheidungen, welche die Größe des ökologischen Fußabdrucks beeinflussen: Soll der Sarg naturbelassen sein oder lackiert? Sollen für die Bestattung im Winter extra Blumen aus Afrika importiert werden oder nicht? Im Endeffekt handele es sich um eine Abwägung vieler Faktoren, so Rau.

Viele Schadstoffe im Körper

Wer sich für eine Seebestattung in der Nord- oder Ostsee entscheidet, der lasse sich zunächst mit hohem Energieaufwand Einäschern und dann einen recht weiten Weg transportieren, bedenkt der Bestatter weiter. Wenn die Urne, die beispielsweise aus Meersalz bestehen kann, sich aber im Wasser aufgelöst habe, sei die Belastung der Umwelt nur noch gering. Denn die Asche sei viel ärmer an Schadstoffen als ein Körper. „Wir nehmen durch unsere Lebensweise viele Schadstoffe wie Schwermetalle auf“, erklärt Rau. Diese würden bei einer Sargbestattung die Erde und das Grundwasser belasten. Die Asche hingegen ist quasi bereinigt, denn im Krematorium würden die Schadstoffe verbrennen und aus der Luft heraus gefiltert.

Auch möglich ist eine Waldbestattung auf Friedwäldern. Lediglich von einer Diamantenbestattung rät Rau hinsichtlich der Nachhaltigkeit ab. Über Monate hinweg würde dabei aus dem Kohlenstoff der Asche ein synthetischer Diamant hergestellt. „Das ist extrem energieintensiv“, sagt Rau.

Charlotte Klinghoffer ist seit 1999 Geschäftsführerin des Backnanger Bestattungshauses Zur Ruhe. Seit über zehn Jahren beziehe sie die von ihr angebotenen Särge nur noch von regionalen Lieferanten. „Wir haben einen Hersteller aus Rudersberg, der von Anfang bis Ende heimisch produziert“, sagt sie. Lediglich besondere Wünsche, wie beispielsweise ein Sarg mit VfB-Motto, seien nicht aus näherer Umgebung zu erhalten.

Neben regionalem Holz achte sie darauf, dass die Sargmatratze mit Papierschnitzeln und Holzspäne gefüllt ist und die Sargbespannung aus natürlichen Materialien besteht. Hygienisch nicht umsetzbar sei eine Tuchbestattung, auch wenn sie nachhaltiger wäre. Für diese in manchen Kulturen übliche Form wäre eine spezielle Ausbildung notwendig, mit der man die Körperöffnungen des Verstorbenen verschließen kann. Abgesehen davon, dass in Deutschland die Sargpflicht gilt, resümiert die Bestatterin: „Letztendlich entscheidet unser Kunde.“

Klimaneutrale Krematorien sind neu in Deutschland

Eine Neuheit in Deutschland sind klimaneutrale Verbrennungen. Ein Krematorium in Schwäbisch Hall, das auch für die Bestatter aus Backnang und der Region der nächste und meist einzige Partner ist, hat im Oktober als eines der ersten Krematorien hierzulande das Zertifikat der Klimaneutralität erhalten. „Wir haben Maßnahmen umgesetzt, um Energie einzusparen“, erklärt der Geschäftsführer Jochen Lutz.

Mit einem eigens durchgeführten Forschungsprojekt habe der Betrieb in den letzten Jahren herausgefunden, dass in der sogenannten Nachbrennkammer auch 750 Grad Celsius statt der bislang vorgeschriebenen 850 Grad ausreichen. Dadurch haben sie nicht nur 30 Prozent der Energie bei der einen und 50 Prozent bei der anderen Anlage einsparen können, sondern auch das Gesundheitsministerium zur Anpassung der Bestattungsvorschriften bewogen. „Jetzt können das auch andere so machen“, sagt Lutz.

Den hohen Verbrauch von Energie würden sie zudem zu einem Teil aus der eigenen Fotovoltaikanlage decken. Die Klimaneutralität erlangen sie allerdings nur durch CO2-Ausgleichszahlungen, die die ausgestoßenen Emissionen durch finanzielle Unterstützung klimafreundlicher Projekte kompensieren sollen. Die Frage, ob sein Engagement ein Tropfen auf den heißen Stein ist, verneint Lutz. In Deutschland gebe es 163 Krematorien für Menschen und viele würden die Klimaneutralität anstreben. „Das Thema ist sehr präsent.“ In der Branche der Tierkrematorien sei man hingegen noch nicht so weit.

Ein nachhaltiges Angebot entwickeln

Auch unter den Bestattern ist ein Wandel bemerkbar. So hat ein Unternehmen aus Bonn die Marke „Grüne Linie“ entwickelt, die sich um nachhaltige Angebote bemüht. „Der letzte Fußdruck kann auch grün sein“, werben sie auf ihrer Webseite – und laden dazu ein, sich als Partner zu beteiligen. So hat es auch Häußer vor einigen Wochen getan. Sein Ziel ist es, seinen Kunden künftig eine explizit nachhaltige Bestattung anbieten zu können. „Ich denke schon, dass das etwas teurer sein wird“, sagt er. Aber einen riesigen Preissprung erwarte er nicht.

Eine ganz neue Idee auf dem deutschen Markt ist die sogenannte Reerdigung. Dabei wird der Körper in einem speziellen Stahlbehälter, gebettet auf Stroh und Blumen, innerhalb von 40 Tagen kompostiert. Erhöhte Temperaturen und die Zugabe von Feuchtigkeit sorgen dafür, dass der Verstorbene schnell zu Humus wird. Dieser wird dann nah an der Erdoberfläche und in der Nähe von Pflanzen vergraben. Die Nährstoffe gehen also direkt über in den Kreislauf der Natur. Die befragten Bestatter sehen das skeptisch, aber auch mit Neugier: „Ich bin gespannt, wie das weitergeht“, sagt Häußer. Derzeit ist die Reerdigung, die das Berliner Start-up-Unternehmen Meine Erde anbietet, lediglich in dem Bundesland Schleswig-Holstein erlaubt.

Land kritisiert die Reerdigung

Bestattungsgesetz „Rechtlich stufen wir die Reerdigung mit dem Bestattungsgesetz Baden-Württemberg als nicht vereinbar ein“, teilt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Es sei derzeit nicht vorgesehen diese neue Bestattungsart zuzulassen.

Begründung Die Verantwortung einer Gesellschaft erstrecke sich auch auf die würdevolle Behandlung ihrer Toten, heißt es aus dem Ministerium. Die Reerdigung entspreche nicht der hiesigen Bestattungskultur. „Denn dabei befindet sich der Verstorbene – nach den uns verfügbaren Angaben zum Verfahren – 40 Tage oberirdisch in einem Stahlzylinder und wird täglich gedreht. Zu den weiteren Umständen, beispielsweise der Temperaturentwicklung, dem Infektionsschutz und der zweiten Leichenschau liegen uns keine Angaben vor.“