Auch nach den Sommerferien keine Maskenpflicht im Unterricht

Von Von Martin Oversohl und Nico Pointner, dpa

dpa/lsw Stuttgart. Baden-Württemberg steigt als letztes Bundesland ins neue Schuljahr ein. Und schon jetzt ist klar: im Unterricht wird auch nach dem Urlaub auf Masken verzichtet. Doch der Gegenwind ist bereits da.

Auch nach den Sommerferien keine Maskenpflicht im Unterricht

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann nimmt an Landtagssitzung teil. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Auch nach den Sommerferien wird es in baden-württembergischen Schulen keine Maskenpflicht im Klassenraum geben. „Ich halte aus pädagogischen Gründen wenig von einer Maskenpflicht im Unterricht“, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann der dpa. Gerade im Unterricht sei es wichtig, klar kommunizieren zu können. „Stellen Sie sich zum Beispiel mal den Französischunterricht mit Maske vor, das ist schon schwierig“, sagte die CDU-Politikerin.

Es gebe allerdings nach den Sommerferien ab Klasse fünf und an den weiterführenden Schulen eine Maskenpflicht auf den sogenannten Begegnungsflächen wie den Schulfluren, der Aula und den Toiletten. „Freiwillig darf natürlich jeder eine Maske auch im Unterricht tragen - Schüler wie Lehrer“, sagte Eisenmann. An Grundschulen seien Masken auch nach den Ferien nicht vorgeschrieben.

Eisenmann schließt allerdings nicht aus, dass die Pflicht zum Mund-Nase-Schutz an Schulen auch in den Unterrichtsstunden eingeführt werden muss, wenn die Infektionszahlen weiter steigen. Es könne auch bei einem lokalen Corona-Hotspot die Maskenpflicht im Schulunterricht angeordnet werden.

Nordrhein-Westfalen hat als bisher einziges Bundesland eine Maskenpflicht auch im Unterricht angekündigt. Im bevölkerungsreichsten Land beginnt das neue Schuljahr am kommenden Mittwoch. In Baden-Württemberg geht die Schule erst am 14. September wieder los.

Wissenschaftler wie der Charité-Virologe Christian Drosten und der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, widersprechen der Lesart Eisenmanns und zahlreicher anderer Kultusminister. In einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle empfehlen sie, dass an Deutschlands Schulen von der fünften Klasse an auch im Unterricht Maske getragen werden sollte, wenn nicht ausreichend Abstand möglich ist. Sie sprechen sich zudem dafür aus, „überall, wo dies umsetzbar ist“, kleine feste Kontaktgruppen einzurichten.

Sozialminister Manne Lucha (Grüne) ist zwar kein Freund der Maskenpflicht im Klassenraum, allerdings schließt er eine Pflicht nicht aus: Gebe es Hinweise, dass durch den Unterricht ohne Maske die Zahl an Infektionen steige, müsse man über eine Maskenpflicht nachdenken, sagte er der „Südwest Presse“ (Freitag). „Unterricht mit Maske ist immer noch besser als gar kein Unterricht.“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft forderte Eisenmann auf, die Empfehlungen der Wissenschaft umzusetzen. Bei älteren Schülerinnen und Schülern seien Masken zwar vertretbar und konsequent, weil sie eine höhere Infektiosität hätten. „Aber es ist doch nicht nachvollziehbar, dass sie im Klassenzimmer nebeneinander sitzen und miteinander sprechen - und sobald sie aus dem Zimmer rausgehen, müssen sie eine Maske aufsetzen“, sagt die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. Mehr Abstand, das sei die beste Variante im Klassenzimmer, sofern die Gebäude diesen zuließen. Außerdem müssten Lehrkräfte endlich eng anliegende sogenannte FFP2-Masken erhalten, die auch kleine Partikel und Tröpfchen zuverlässiger aus der Luft filtern können.

Die Gymnasiallehrer sind ebenfalls skeptisch: „Eine bessere und preiswertere Lösung wäre es, die rund 1,3 Millionen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte im Land mit Visieren auszustatten“, sagte der Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Ralf Scholl. Visiere seien zwar nicht ganz so effektiv wie Masken, verminderten aber das Ansteckungsrisiko auf etwa die Hälfte. „Zudem haben Visiere im Vergleich zu Masken den großen Vorteil, dass sie problemlos sechs Stunden ununterbrochen getragen werden können und die Mimik der Träger erkennbar bleibt.“ Allerdings werden Visiere zum Beispiel aus Plexiglas in NRW abgelehnt, weil der Infektionsschutz damit nach Einschätzung des RKI nicht genauso sicher ist wie eine eng am Gesicht anliegende Mund-Nasen-Bedeckung.

Realschullehrer sind ebenfalls gegen die Maske: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man eine Maske sechs Stunden am Stück trägt, ganz egal ob als Lehrer oder als Schüler“, sagt Karin Broszat vom Realschullehrerverband. Die Überlinger Rektorin bevorzugt Abstandsregeln, auch wenn das bei Klassengrößen von 30 Jugendlichen schwierig sei.

Und die Schüler? Der Landesschülerbeirat stärkt Eisenmann den Rücken. Mit Maske lasse es sich aus rein psychologischen Gründen und gerade im heißen Sommer nicht angenehm arbeiten, sagt dessen Vorsitzender David Jung. „Das mag zwar nur eine marginale Empfindung sein und dennoch ist sie für uns von großer Bedeutung, weil kommendes Schuljahr noch etwaige Bildungsungleichheiten ausgebügelt werden müssen.“ Dazu müssten die Schüler 100 Prozent ihrer Leistung bringen.