Auf dem Weg zur papierlosen Fabrik

Digitaler werden, das würden viele Unternehmen gerne. Mittelständler wissen aber oft nicht, wie sie das Thema angehen sollen. In ihren Showrooms in Sulzbach demonstriert die Firma L-Mobile den Kunden, wie sie von der Digitalisierung profitieren können.

Auf dem Weg zur papierlosen Fabrik

In dieser Fabrik wird nichts produziert: Marketingleiter Christian Gmehling (links) und Geschäftsführer Pascal Löchner nutzen den Showroom, um ihren Kunden die Vorteile digitaler Prozesse zu veranschaulichen. Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

SULZBACH AN DER MURR. „Irgendwann“, sagt Pascal Löchner, „gibt es in fast jeder Firma den magischen Moment, wo der Drucker anspringt.“ Das gelte selbst für größere Unternehmen. Der eingehende Auftrag wird meist noch elektronisch erfasst, doch wenn dieser dann in die Produktion geht, wird’s analog. Da werden Stücklisten fürs Lager und Baupläne für die Montagemitarbeiter gedruckt. Und die Einsatzplanung für Personal und Maschinen macht der Chef mit einer selbst gestrickten Excel-Datei oder noch ganz traditionell an der Stecktafel.

Nun hat Löchner nicht grundsätzlich etwas gegen Papier. In einem Zehnmannbetrieb, wo der Chef jeden Auftrag persönlich im Blick hat, mag eine solche Arbeitsweise funktionieren. Doch je mehr Aufträge eine Firma bearbeitet und je komplexer diese sind, desto offensichtlicher werden die Nachteile der Zettelwirtschaft. Der Lagermitarbeiter verguckt sich und greift ins falsche Fach, Aufträge werden verwechselt oder ganz vergessen. „Es gibt Firmen, die beschäftigen eigene Mitarbeiter, die nach verlorenen Aufträgen suchen“, weiß Christian Gmehling, Marketingleiter bei L-Mobile.

Dabei könnten Produktionsprozesse heute bereits komplett digitalisiert werden. Wie so eine papierlose Fabrik funktioniert, können sich Unternehmen in Sulzbach an der Murr anschauen. In seinem neuen Firmengebäude hat L-Mobile dort einen Produktionsbetrieb im Kleinformat nachgebaut. Mit dem neuen Showroom, der 2019 in Betrieb gegangen ist, wolle man das Thema Industrie 4.0 greifbar machen, sagt Gmehling: „Den Nutzen kann man nur über Anwendungsbeispiele verdeutlichen.“

Schmaler Grad zwischen Transparenz und Überwachung

In der „Digital Factory“ von L-Mobile werden die Aufträge digital an die Produktion übermittelt. Dort werden die Kommissionierboxen, in denen die verschiedenen Teile für das Produkt zusammengestellt werden, mit einem „elektronischen Label“ ausgestattet. Ein kleines Display zeigt an, um welchen Auftrag es sich jeweils handelt. Alle Daten, die mit diesem Auftrag zusammenhängen, sind jederzeit abrufbar. Dafür muss die Box an eines der Lesegeräte gehalten werden, die es an jedem Arbeitsplatz gibt. „Das ist dieselbe Technik wie bei der Schranke im Parkhaus“, erklärt Gmehling.

Dem Lagermitarbeiter werden dann die benötigten Teile auf einem kleinen Handlesegerät angezeigt oder es leuchtet sogar eine Lampe am richtigen Regalfach. Auch die Montagemitarbeiter bekommen alle Informationen, die sie benötigen, um diesen Auftrag auszuführen, angezeigt. Die Automatisierung geht bis zum Versand: Dort spuckt ein Drucker automatisch das beschriftete Adressetikett aus und dank eines kleinen Chips erkennt das Päckchen sogar, ob es auf den richtigen Lkw verladen wird. Wenn nicht, bekommt der Gabelstaplerfahrer ein akustisches Signal.

In einem anderen Showroom demonstriert Franziska Wudi, wie Unternehmen die neue Technik im Kundendienst einsetzen können. Nicht nur die Auftragsannahme und die Disposition der Monteure läuft voll digital, der Servicemitarbeiter hat auch alle Baupläne, Checklisten und die Berichte von früheren Wartungen und Reparaturen vor Ort auf seinem Tablet verfügbar. Und sollte er mal nicht weiterwissen, kann er per Videoanruf einen Kollegen befragen. Wenn der Servicetechniker fertig ist, erfasst er am Tablet, was er repariert hat und wie lange er dafür gebraucht hat. Mit einem Klick geht dann auch gleich die Rechnung per E-Mail auf die Reise. Die Nachbearbeitung im Innendienst entfällt.

Ein weiteres Plus bei der digitalen Arbeitsweise sei die Transparenz, sagt Christian Gmehling: „Sie wissen jederzeit, wo sich welcher Auftrag befindet.“ Auch nachträgliche Änderungen seien dadurch leichter möglich. Und weil das System massenhaft Daten sammelt, können diese natürlich auch ausgewertet werden. Wo stockt die Produktion? Welches Teil macht häufig Probleme? Das lässt sich per Knopfdruck in Echtzeit abfragen. Die Kehrseite: Das System weiß auch, welcher Mitarbeiter langsamer arbeitet oder häufiger Fehler macht als seine Kollegen. „Der Grad zwischen Transparenz und Überwachung ist schmal“, weiß Pascal Löchner. Diese Frage müsse jede Firma individuell mit ihren Beschäftigten oder dem Betriebsrat klären.

Dass die Digitalisierung Arbeitsplätze kosten wird, glaubt man bei L-Mobile aber nicht. „Wir ermöglichen den Unternehmen dadurch mehr Wertschöpfung“, sagt Christian Gmehling. Produkte nach Kundenwunsch zu individualisieren, sei zum Beispiel ohne eine digitalisierte Produktion gar nicht möglich. In Sulzbach ist man deshalb davon überzeugt, dass die große Zeit der Digitalisierung erst noch kommen wird. Im Mittelstand nutzten bislang höchstens 20 Prozent der Firmen die Chancen der neuen Technik.

L-Mobile

Die Firma L-Mobile wurde 2001 von Günter Löchner gegründet. Der IT-Dienstleister ist spezialisiert auf die mobile Datenerfassung und -verarbeitung in unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Die Software ist mit gängigen ERP-Systemen kompatibel.

Als Einmannunternehmen gestartet, hat L-Mobile mittlerweile 185 Mitarbeiter, davon etwa 100 am Stammsitz in Sulzbach an der Murr. Vor zwei Jahren hat das Unternehmen dort einen Neubau bezogen.

Weil Softwareentwickler in Deutschland nur schwer zu finden sind, gründete L-Mobile 2017 eine Tochtergesellschaft in Tunesien. Dort arbeiten heute etwa 40 Programmierer. Weitere Auslandsgesellschaften hat das Unternehmen in Ungarn und der Schweiz. Außerdem gibt es eine Niederlassung in Bonn.

Der Jahresumsatz lag 2019 bei rund 12,5 Millionen Euro, in diesem Jahr peilt L-Mobile 15 Millionen Euro Umsatz an.