Auf den Radwegen bleibt viel zu tun

Beschlossene Sofortmaßnahmen nur zum Teil umgesetzt – ADFC Backnang fordert Vorantreiben der Gesamtplanung

Vor etwa einem Jahr hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) eine Mängelliste für das Backnanger Radwegenetz erstellt. 24 Punkte wurden darin aufgeführt. Die Stadtverwaltung gelobte Besserung, der Gemeinderat beschloss im Herbst eine Reihe von Sofortmaßnahmen. Nicht alle davon sind seitdem auch umgesetzt worden.

Auf den Radwegen bleibt viel zu tun

An verschiedenen Stellen im Stadtgebiet – wie hier vor der Tennishalle der TSG Backnang – wurden die Radwege bereits rot markiert. So soll die Sicherheit für Radfahrer erhöht werden.

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Manfred Balmer bezeichnet sich selbst als Kampfradler. „Jeder Tag ist ein neuer Kampf ums Überleben“, schildert er. Als Radpendler ist er jeden Morgen von Oberweissach nach Backnang unterwegs, abends fährt er die gleiche Strecke wieder zurück – und das schon seit vielen Jahren. Den direkten Weg über den Ungeheuerhof und die Weissacher Straße hat er längst aufgegeben, fährt stattdessen einen Umweg über den Horbachhof, Waldrems und Erbstetten. So sei er seit vielen Jahren heil am Arbeitsplatz angekommen, sagt er. Zwar sieht Balmer es auch als gutes Training, ganz freiwillig fährt er ihn dennoch nicht. Ja, entlang der Weissacher Straße führt ein Radweg. Dieser sei jedoch aufgrund der Baustelle am ehemaligen Krankenhausareal kaum zu nutzen, so Balmer. „Am rechten Rand sammelt sich der ganze Schmutz, Glasscherben und Steine. Oder er ist einfach durch Lieferverkehr zugeparkt.“ Seine Erfahrungen hat er, der seit 1986 Radsport betreibt, nun in einem vierseitigen Brief der Stadt Backnang geschildert.

Fälle wie den Balmers kennt Jürgen Ehrmann zuhauf. Der Vorsitzende der ADFC-Ortsgruppe Backnanger Bucht bekommt regelmäßig die Rückmeldung von Bekannten und Freunden: Ich würde ja gern mehr mit dem Rad fahren, aber es ist mir zu unsicher. Denn nicht jeder ist ein „Kampfradler“ und auch nicht jeder nimmt, wie Manfred Balmer, täglich einen Umweg in Kauf. „Man hat’s erst kürzlich beim Stadtradeln gesehen: Die Leute sind aktivierbar.“ Es gelte nun, die Sicherheit für Radfahrer zu erhöhen. Diese sei stattdessen gefühlt weniger geworden, unter anderem tragen laut Ehrmann die zahlreichen Baustellen im Stadtgebiet dazu bei. Balmer bemängelt außerdem, dass Radwege oftmals über steile Anstiege führen oder nicht durchgängig asphaltiert sind. So halte man die Fahrbahn der Straßen für die immer PS-stärkeren Autos frei. Ja, seit den 80er-Jahren habe sich etwas getan. Die Beschilderung sei etwa besser geworden.

Radinfrastrukturkonzept ist in der Umsetzungsplanung

Die Stadtverwaltung sei durchaus bemüht, die Situation für Radfahrer zu verbessern, fand auch Ehrmann, „aber die Maßnahmen sind noch so strukturlos“. Vor gut einem Jahr hatte der ADFC eine Mängelliste für das Backnanger Radwegenetz erstellt und der Stadt unterbreitet. In der Folge beschloss der Gemeinderat eine Reihe von etwa 20 Sofortmaßnahmen. Für deren Umsetzung waren 55000 Euro im Haushaltsplan veranschlagt. Langfristig sollten aber auch weitere Mängel behoben werden, mit insgesamt 145000 Euro würde das Abarbeiten der Liste dann zu Buche schlagen. Die vom ADFC aufgeführten Projekte, macht Ehrmann klar, umfassten nur jene Mängel, die ein ernst zu nehmendes Sicherheitsrisiko für Radfahrer darstellen. Viel lieber als ein Flickenteppich an kleinen Verbesserungen wäre ihm eine Gesamtplanung.

An dieser Stelle habe sich seit dem vergangenen Jahr etwas getan, lässt der städtische Fahrradbeauftragte Volker Knödler wissen: Das mit dem Radinfrastrukturkonzept beauftragte Büro arbeite derzeit an Planungen zur Umsetzung erster Schwerpunktmaßnahmen, beispielsweise für den Adenauerplatz, den gesamten Straßenzug Annonaystraße/ Eugen-Adolff-Straße, die Maubacher Straße und den Stromberg-Murrtal-Radweg im Bereich der Martin-Dietrich-Allee. Diese sollen ab 2020 umgesetzt werden. In einem nächsten Schritt sei dann in Abstimmung mit dem ADFC geplant, komplette Radrouten im Stadtgebiet zu definieren und deren Optimierung anzugehen. Einen ersten Schwerpunkt werde hierbei die Sulzbacher Straße bilden. Diese hatten sowohl Ehrmann als auch Balmer als eine jener Strecken mit den meisten Mängeln angesehen. „Da müsste man als Radfahrer betrunken sein, um diese Schlangenlinie zu fahren. Dann steht man plötzlich auch noch vor parkenden Fahrzeugen“, so Balmer.

Die Überarbeitung des Radschulwegeplans habe man allerdings aus Kapazitätsgründen auf das kommende Jahr verschieben müssen, räumt Knödler ein. „Die Sofortmaßnahmenliste enthält allerdings auch punktuelle Verbesserungen auf ausgewiesenen Radrouten zu den Schulen.“ Bei den im Oktober beschlossenen Verbesserungen an den Radwegen habe man Änderungen vornehmen müssen. Das liege unter anderem daran, dass derzeit in Backnang an vielen Stellen gebaut wird. So sei eine neue Liste erstellt worden, unterteilt in Projekte, die noch dieses Jahr angegangen werden, und solche, die noch detaillierter geplant werden müssen. „Die erste Gruppe werden wir ohne Förderantrag realisieren. Die zweite Gruppe hat einen Kostenumfang von mehr als 200000 Euro.“ Hier werde man Fördermittel beantragen. Des Weiteren plane die Stadt, sich mit mehreren Streckenabschnitten an einem Modellvorhaben der Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen und dem Ministerium für Verkehr zu beteiligen. Dieses starte im Herbst.

Es wurden aber auch schon einige Vorhaben umgesetzt: Zum einen sind neue Fahrradboxen bestellt, zum anderen wurden auf diversen Straßen rote Markierungen für Radwege angebracht. „In Waldrems ist zudem die Radverkehrsführung im Bereich des Kreisverkehrs vollständig auf die Fahrbahn verlegt worden, sodass der mehrfache Wechsel zwischen Gehweg und Fahrbahn entfällt.“

Jürgen Ehrmann hat diese Fortschritte nur durch eigene Fahrradtouren mitbekommen, sagt er. Vonseiten der Stadtverwaltung wünscht er sich mehr Feedback. „Wenn sie kommunizieren, was man vorhat, könnte ich auch anderen Radfahrern weitergeben: Da passiert etwas, an dieser und jener Stelle wird gerade verbessert.“ Gemeinsam mit Verantwortlichen des Nabu und des BUND hat der ADFC deshalb einen regelmäßigen runden Tisch gefordert. „Verwaltungsintern gibt es bereits einen monatlichen Jour fixe zum Radverkehr“, erklärt Knödler. Ob dieser auch für die Umweltverbände eingerichtet wird, müsse mit dem neuen Gemeinderat diskutiert werden. Immerhin, teilte Ehrmann erfreut mit: Stadtplaner Tobias Großmann habe signalisiert, dass er an der nächsten ADFC-Versammlung teilnehmen werde. Davon erhofft sich der Vorsitzende, mehr über den Stand der Umsetzungsplanung zu erfahren.

Auf den Radwegen bleibt viel zu tun

Im vergangenen Jahr hat Jürgen Ehrmann (rechts) mit BKZ-Redaktionsleiter Kornelius Fritz eine Radtour durch Backnang unternommen. Viele Mängel, die beide feststellten, bestehen auch heute noch – etwa die Schlaglochpiste auf der Maubacher Straße. Fotos: A. Becher