Auf der Strecke

Der Bund will auf Kosten der S-Bahn-Fahrgäste in Stuttgart sparen

Von Thomas Durchdenwald

Stuttgart In München, das mit ähnlichen Verkehrsproblemen zu kämpfen hat wie Stuttgart, wird gerade eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn gebaut. In Stuttgart, dessen Untergrund dank Stadtbahn und Stuttgart 21 eh schon löchrig ist wie ein Schweizer Käse, hat man auf eine andere Karte gesetzt – auf die moderne Signal- und Steuerungstechnik ETCS. Dafür gibt es gute Gründe. Eine zweite Stammstrecke für die S-Bahn, neben der Verbindungsbahn zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße, ist in Stuttgart nur schwer realisierbar, der Bevölkerung kaum vermittelbar und schon gar nicht finanzierbar. So wird in München mit Kosten von vier Milliarden Euro gerechnet.

Die Karte ETCS, auf die die große Mehrheit in Land, Region und Stadt mit guten Argumenten setzt, könnte sich als Lusche erweisen, weil im bundespolitischen Finanzpoker zwischen Union und SPD die Vernunft auf der Strecke bleibt. Das ist ärgerlich, weil der neue S-21-Bahnknoten dann mit allen heute schon bekannten verkehrlichen Mängeln auch technologisch nicht auf dem Stand der neuesten Technik wäre. Doch vor allem beraubt es den S-Bahn-Verkehr in Stuttgart, den mehr als 400 000 Fahrgäste täglich nutzen, der Chance, zumindest ab dem Jahr 2025, so dann S 21 und ETCS in Betrieb genommen würden, wieder zuverlässiger, pünktlicher und leistungsfähiger zu werden. Angesichts der fast täglichen Weichen- und Stellwerksstörungen mag man sich gar nicht ausmalen, wie sich ein durchgehender 15- oder gar 10-Minuten-Takt auswirken würde.

Die Landes- und Regionalpolitik, die hiesigen Bundestagsabgeordneten und die Bahn wären gut beraten, massiv gegen die Haushaltspläne des Bundes vorzugehen. Oder sollte sich erneut erweisen, dass ein Verkehrsminister der CSU gut für München, aber schlecht für Stuttgart ist?

thomas.durchdenwald@stzn.de