Auf die Schnelle 40000 Euro abzuholen, ging schief

Enkeltrickbetrug zulasten eines Murrhardters scheitert – Bei der Geldübergabe wartet die Polizei

Vor dem Amtsgericht Backnang hatte sich eine 33-jährige Amerikanerin wegen Betrugs zu verantworten. Sie war daran beteiligt, einen Murrhardter nach der sogenannten Enkeltrickmethode um 40000 Euro zu bringen.

Auf die Schnelle 40000 Euro abzuholen, ging schief

Die Verhandlung am Amtsgericht Backnang wird im August fortgesetzt. Foto: E. Layher

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Die Sache ist mit dem Lebensweg der Angeklagten eng verbunden. Bis zum Mai letzten Jahres lebte sie noch in Chicago. Allerdings alleine. Ihr Mann, mit dem zusammen sie einen sechsjährigen Sohn hat, hatte sie im Dezember 2017 wegen einer anderen verlassen. Da es um ihr Auskommen in Amerika schlecht bestellt war, kehrte sie zu ihren Eltern und weiteren Verwandten nach Polen zurück. Silvester 2018 war es, dass sie bei einer Feier einen Mann kennenlernte, der sich anbot, ihr bei einem Neustart in ihren erlernten Beruf zu helfen. Sie spielte mit dem Gedanken, ein Kosmetikstudio zu eröffnen. Dazu war freilich etwas Kleingeld nötig – das heranzuschaffen, sollte sie behilflich sein. Sie wurde mit einem Vorschuss von 850 Euro sowie zwei Handys ausgestattet und trat die Fahrt nach Stuttgart an.

Ein Murrhardter erhielt einen Anruf: „Bist du es, Günter?“

Nach einer Nacht im Hotel nahm sie sich am Hauptbahnhof ein Taxi. Da sie des Deutschen nicht mächtig ist, zeigte sie dem Taxifahrer auf ihrem Smartphone die Adresse. Es dauerte etwas, bis sie an der richtigen Adresse war, denn zwischendurch wurde sie per Telefon wieder umdirigiert. Am Ziel schließlich angekommen, stellte sie sich als Mrs. Smith, die Buchhalterin eines Stuttgarter Notars, vor und erwartete die Aushändigung der vereinbarten 40000 Euro. Aber statt 40000 Euro entgegenzunehmen, klickten die Handschellen.

Denn in der Zwischenzeit war Folgendes geschehen: Ein Murrhardter erhielt einen Anruf. Der Anrufer kannte den Vornamen des Angerufenen, duzte ihn von Beginn an und freute sich mächtig, dass er seinen Verwandten ausgemacht hatte. Der Angerufene, dem schon dieser Erstkontakt spanisch vorkam, mutmaßte dann: „Bist du es, Günter?“ (Name geändert.) Fortan war es Günter, der da am anderen Ende der Leitung sprach. Und jetzt schüttete Günter dem Angerufenen sein Herz aus. Er sei gerade dabei, in Stuttgart eine Eigentumswohnung zu kaufen. Die Transaktion sei perfekt, alle Unterlagen zusammen. Zu dumm, dass jetzt Günter die lächerliche Summe von 40000 Euro fehlte. Aber wozu hat man denn Verwandtschaft? Ob denn Fritz (Name geändert), der Angerufene, nicht helfen könne? Nun, keiner hat so eben mal 40000 Euro im Schlafzimmerschrank liegen. Da müsse er, Fritz, schon erst mit seiner Bank sprechen. Er versprach, das zu tun.

Fritz allerdings rief nicht die Bank an, sondern die Polizei. Und die kam ins Haus. Günter, erneut anrufend, hatte es eilig. Noch heute könne der Kauf der Eigentumswohnung abgeschlossen werden, wenn er die fehlende Geldsumme heranschaffen könne. Fritz beschied den Anrufer auf den Nachmittag. Von der festgesetzten Uhrzeit an ließ Günter nicht mehr locker. Ob er, Fritz, denn mit der Bank gesprochen habe? Ja, die Summe stände zur Verfügung. Er, Günter, würde Fritz das auch schnellstens wieder zurückzahlen. Unablässig ging im Haus von Fritz das Telefon. Mal war es die Kontonummer, die Günter erfragte, auf die er die 40000 Euro zurücküberweisen würde. Dann die Entschuldigung, dass er selber leider nicht vorbeikommen könne. Aber durch einen Zufall habe es sich ergeben, dass die Buchhalterin des Notars gerade im Raum Backnang unterwegs sei. Da wäre es doch ein Katzensprung nach Murrhardt. Und sie würde sich ausweisen und selbstverständlich eine Quittung ausstellen. Ob Günter die vorbeischicken dürfe? Na, klar. Zwischendrin noch zwei andere Anrufe. Ein Herr von der Kreissparkasse meldete sich und erkundigte sich nach dem Stand der Abwicklung. Fritz fand das sehr ungehörig und fertigte den Anrufer einsilbig ab.

Dann rief sogar noch ein Polizist an, ob er seine Kollegen sprechen könne. Fritz, geistesgegenwärtig, sagte, dass der Anrufer wohl falsch liege. Bei ihm, Fritz, sei keine Polizei. Und dann klingelte es tatsächlich an der Haustür. Mrs. Smith stand da. Irgendwas von „money“ sagte sie. Und weil sie denn schon im Haus stand, traten die in einem Nebenraum verborgenen Beamten hinzu, hießen sie herzlich willkommen und erklärten ihr die Festnahme.

Zusammengesunken sitzt die Angeklagte da, zwischen der Dolmetscherin und ihrem Verteidiger. Weil die Übersetzerin ihr das Gesprochene ins Ohr flüstert, fixiert sie diese immer wieder mit treuherzigen Augen. Kosmetikerin ist ihr anzusehen. Betont hat sie ihre Augenbrauen nachgezogen. Der Mund leuchtet rot. Aber man sieht auch, dass ihr die Sache nahegeht. Ihr Verteidiger gibt für sie die erforderlichen Auskünfte. Und betont, dass ihr die Untersuchungshaft zusetze: In einem fremden Land im Gefängnis. Dazu zusammen mit Menschen, deren Sprache sie nicht beherrsche. Wegen ihrer nicht vorhandenen Deutschkenntnisse dürfe sie auch nicht arbeiten.

Anrufe für die Angeklagte kamen aus Polen, Holland und Schweden

Zwei Kriminalbeamte geben über die Ermittlungen Auskunft. Die Auswertung der beiden beschlagnahmten Handys der Angeklagten ergab, dass die Anrufe, die die Angeklagte dirigierten, aus Polen, Holland und Schweden kamen. Das heißt: Der Anrufer beziehungsweise Auftraggeber muss nicht dort sitzen. Entgegen sonst geltendem EU-Recht werden in den genannten Ländern beim Kauf von SIM-Karten keine Personalien festgehalten. Das machen sich Betrüger zunutze und kaufen SIM-Karten dutzendweise aus. Diese werden in Billighandys benutzt, die nach Abwicklung von Betrügereien weggeworfen werden. So ist es den Ermittlern unmöglich, an die Auftraggeber zu kommen.

Große Mode seien gerade drei Arten des Betrugs: der Enkeltrick, der Anruf falscher Polizisten und die telefonische Gewinnmitteilung. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Aalen gingen pro Tag zwischen zehn und 30 Hinweise auf Betrugsversuche dieser Art ein.

Weil der Angeklagten noch ein Betrugsfall in Mettmann (Ruhrgebiet) vorgeworfen wird, und die betagte Zeugin von dort anzureisen hat, wird die Verhandlung im August fortgesetzt.