Kosmische Expansion

Ausdehnung des Universums verlangsamt sich – aber warum?

Dehnt sich das Universum seit Milliarden von Jahren aus? Astrologen kommen durch eine neue Untersuchung zu dem Schluss, dass die Ausdehnung bereits gebremst wird.

Ausdehnung des Universums  verlangsamt sich – aber warum?

Explosion einer Supernova: Die Forscher nutzten Supernovae, ähnlich wie diese im Bild, um nachzuweisen, dass sich die Expansion des Universums verlangsamt.

Von Markus Brauer/Rainer Kayser (dpa)

Der Big-Bang-Theorie zufolge ist unser Universum vor 13,8 Milliarden Jahren aus einem extrem heißen und dichten Zustand hervorgegangen – dem Urknall. „Diese Hypothese geht davon aus, dass die gesamte Materie im Kosmos in ferner Vergangenheit in einem einzigen Big Bang entstanden ist“, erklärte einmal der Astronom und Mathematiker Fred Hoyle (1915-2001).

Universum wird nicht ewig bestehen

Der Samen des Universums war dabei viel kleiner als ein Atom und enthielt alle Materie und Energie, die sich heute über viele Milliarden Lichtjahre verteilen. Aus diesem Stoff ist alles entstanden: Sonne und Sterne, Materie und Strahlung – und das Leben. Einfach alles.

Irgendwann – den Grund kennen die Physiker nicht – fing dieser winzige, jenseits aller Vorstellungskraft dicht gepackte und unvorstellbar heiße Raum schlagartig an sich zum Universum auszudehnen. Und das tut er bis heute.

Doch unser Universum wird nicht unendlich lange bestehen – zumindest nicht in der Form, in der wir es kennen. Denn durch die fortschreitende Expansion kühlt der Kosmos ab und seine Materiedichte verringert sich. Irgendwann ist dann auch das Rohmaterial für neue Sterne aufgebraucht und das Weltall wird dunkel, kalt und leer. Nur noch Schwarze Löcher und ausgebrannte Sternenreste wie die „Schwarzen Zwerge“ bleiben übrig.

Treibt die Dunkle Energie die kosmische Expansion voran?

Doch so weit ist es noch lange nicht. Seit dem Urknall dehnt sich das Universum rasant aus. Und diese kosmische Expansion beschleunigt sich zudem, wie Astronomen in den 1990er Jahren erstmals erkannten.

Als mögliche Triebkraft dafür gilt die Dunkle Energie – eine bisher unbekannte Kraft, die der anziehenden Wirkung der Gravitation entgegenwirkt. Doch wie schnell sich der Kosmos aktuell ausdehnt, ist strittig – und damit auch der Wert der Hubble-Konstante (H0) – einer der Grundpfeiler unseres kosmologischen Standardmodells.

Zur Info: Die Hubble-Konstante, benannt nach dem US-Astronomen Edwin Hubble (1889-1953), ist eine der fundamentalen Größen der Kosmologie. Sie beschreibt die gegenwärtige Rate der Expansion des Universums. Der homogene Vorgang der Expansion wird als Hubble-Fluss (Hubble Flow) bezeichnet.

Dunkle Energie wird schwächer

Die Dunkle Energie ist einer Studie zufolge im Laufe der vergangenen Jahrmilliarden schwächer geworden. Die kosmische Expansion beschleunige sich deshalb nicht mehr wie bislang angenommen, sondern sei bereits in eine Phase der Abbremsung übergegangen, schreiben koreanische Forscher im Fachblatt „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“.

„Wenn unsere Ergebnisse sich bestätigen, bedeutet das einen bedeutenden Paradigmenwechsel in der Kosmologie“, erläutert Studienleiter Young-Wook Lee von der Yonsei Universität Seoul. „Denn es würde zeigen, dass sich die Dunkle Energie mit der Zeit sehr viel schneller ändert als bislang angenommen.“

Frühere Beobachtungen sprachen eher dafür, dass sich die Dunkle Energie kaum oder gar nicht verändert – mit der Folge einer immer rasanter verlaufenden Expansion des Kosmos.

Das Weltall dehnt sich seit dem Urknall aus. Weit entfernte Galaxien scheinen sich deshalb rasant von uns fortzubewegen, und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt sind. Tatsächlich bewegen sich die Galaxien jedoch nicht, sondern das Weltall vergrößert sich. Durch die Anziehungskraft der Materie sollte die Geschwindigkeit, mit der sich der Kosmos ausdehnt, jedoch langsam abnehmen.

Beschleunigung oder Entschleunigung?

Ende der 1990er Jahre versuchten unabhängig voneinander zwei Forschungsgruppen, die Ausdehnungsgeschwindigkeit mit Hilfe explodierender Sterne, sogenannter Supernovae, genauer als zuvor zu messen.

Das Ergebnis: Die Expansion des Kosmos wurde im Laufe der Jahrmilliarden keineswegs langsamer, sondern beschleunigte sich sogar. Die Leiter der Teams, Saul Perlmutter und Brian Schmidt, sowie Adam Riess, erhielten für ihre Entdeckung 2011 den Physik-Nobelpreis.

Wie aber lässt sich die Beschleunigung der kosmischen Expansion erklären? Es muss, so folgerten die Wissenschaftler, eine zusätzliche Energie geben, die diese Beschleunigung antreibt. Der US-Astrophysiker Michael Turner prägte für dieses mysteriöse Phänomen die Bezeichnung „Dunkle Energie“.

Die meisten Forscher favorisierten zunächst die Idee, es handele sich dabei um eine Art innerer Energie des Vakuums, die durch Quanteneffekte entsteht. Diese Vakuumenergie wäre eine unveränderliche Größe und würde für einen immer rascher expandierenden Kosmos sorgen.

Größte Explosion seit dem Urknall entdeckt

Doch auch eine zeitlich veränderliche Dunkle Energie wäre möglich. Perlmutter, Schmidt sowie Riess und Kollegen hatten eine bestimmte Art explodierender Sterne verwendet, um die kosmische Expansion zu untersuchen. Bei diesen Supernovae des Typs 1a explodiert ein Weißer Zwerg in einem Doppelsystem.

Der Vorteil für die Himmelsforscher: Die maximale Helligkeit solcher Explosionen ist etwa konstant. Astronomen sprechen daher von „Standardkerzen“, mit denen sie die Entfernungen von Galaxien messen können. Und aus den Entfernungen und Geschwindigkeiten vieler Galaxien lässt sich der Verlauf der Expansion des Weltalls bestimmen.

Doch es gibt einen Haken: Mit der Zeit häuften sich Hinweise darauf, dass Supernovae des Typs 1a doch keine perfekten Standardkerzen sind. Diesen Hinweisen sind Lee und Kollegen nun nachgegangen.

Sie untersuchten Supernovae in insgesamt 300 Galaxien und stießen auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Helligkeit der Sternexplosionen und dem Alter der Sterne in diesen Galaxien. Und das führt zu einem erheblichen Unterschied bei der Dunklen Energie.

Universum hat Abbremsungsphase erreicht

Während bislang die Supernova-Daten für eine konstante Dunkle Energie sprachen, führt die Berücksichtigung der Altersabhängigkeit zu einer starken zeitlichen Änderung dieser rätselhaften kosmischen Kraft. „Wie unsere Analyse zeigt, hat das Universum bereits seine Abbremsungsphase erreicht“, so Lee. Die Gravitation habe also Oberhand über die Dunkle Energie gewonnen.

„Es ist bemerkenswert, dass dieses Ergebnis mit anderen, unabhängigen Verfahren übereinstimmt“, betont der Astrologe. Denn auch die Verteilung der Galaxien im Weltraum und die Schwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung – einer Art Strahlungsecho des Urknalls – erlauben Rückschlüsse auf die Dunkle Energie.

Spezialteleskop „Vera Rubin“ in Chile soll Lösung bringen

Auch solche Messungen lieferten bereits Hinweise auf eine Abnahme der Dunklen Energie. Doch, so Lee, diese Studien waren bislang umstritten, da sie im Widerspruch zu den Supernova-Beobachtungen standen.

Bevor es zu dem von Lee erhofften Paradigmenwechsel in der Kosmologie kommt, muss der überraschende neue Befund überprüft werden. Forscher setzen dabei auf das Spezialteleskop „Vera Rubin“ in Chile, das in den kommenden fünf Jahren etwa 20.000 explodierende Sterne aufspüren soll. Damit sollte es möglich sein, Klarheit über die Dunkle Energie zu erhalten – und damit auch über das zukünftige Schicksal des Kosmos.