Auspuff ist der Exot unter den Fundsachen

300 bis 600 Eingänge im Jahr: Ein Blick hinter die Kulissen des städtischen Fundbüros in Backnang

Mit den Gegenständen, die ehrliche Finder abgeben, haben die Mitarbeiter des Fundbüros jede Menge Arbeit. Zwischen 300 und 600 Fundsachen landen im Tresor, auf einem städtischen Konto oder – wie die vielen herrenlosen Fahrräder – auf der Bühne des Verwaltungsgebäudes im Biegel. Mindestens sechs Monate lang werden sie aufbewahrt.

Auspuff ist der Exot unter den Fundsachen

Bürgeramt-Teamleiterin Gabriele Balk (links) informiert gerade Christine Wolff, Pressereferentin der Stadtverwaltung Backnang, über die aktuellen Fundgegenstände. Fotos: J. Fiedler

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Genau 19 Fahrräder stehen zurzeit auf dem Dachboden des Verwaltungsgebäudes im Backnanger Biegel. Darunter richtig tolle Drahtesel – bis hin zu einem E-Bike. „Wir versuchen, über die Polizei zu ermitteln, dass es sich auch nicht um gestohlene Fahrräder handelt“, sagt Bürgeramt-Teamleiterin Gabriele Balk, die tagtäglich mit dem Thema konfrontiert ist und den Gesamtüberblick über diese Art von Schätzen hat. Keiner scheint die Räder zu vermissen, was selbst sie immer wieder aufs Neue wundert. Brigitte Eggers, stellvertretende Bürgerservice-Sachgebietsleiterin, kommt auf einen weiteren Aspekt zu sprechen. Sollte jemand für ein abhandengekommenes Fahrrad von seiner Versicherung entschädigt werden wollen, geht dies nicht ohne Bescheinigung des zuständigen Fundamts. Dieses muss bestätigen, dass der verschwundene Gegenstand nicht dort gelandet ist. Erst nach diesem Schritt ist eine Entschädigung möglich. Ganz offensichtlich gibt es viele Menschen, die diesen Weg nicht gehen und vielleicht auch grundsätzlich nicht auf die Idee kommen, beim Fundbüro nachzufragen.

Neben all den Fahrrädern ist das Daimler-Benz-Auspuffrohr ein echtes Kuriosum. Die sperrige Abgasanlage, die einmal zu einem Lastwagen gehörte, liegt seit dem Jahr 2016 auf dem städtischen Speicher. Als gestohlen gemeldet wurde sie nicht, auch macht es keinen Sinn, sie bei einer Versteigerung anzubieten.

Gabriele Balk staunt auch immer wieder darüber, wie viele Schlüssel in ihrem Büro abgegeben werden, nach denen später nie einer fragt. 25 Schlüssel im Quartal seien es durchaus.. Ob es sich nun um Taschen, Rucksäcke, Kleidungsstücke, Schmuck, Schlüssel, Fahrräder oder so abstruse Fundstücke wie ein Auspuffrohr handelt: Sechs Monate werden sie aufgehoben. Interessiert sich innerhalb dieser Zeit keiner dafür, können sie vom Finder gebührenfrei abgeholt werden. Dies gilt allerdings aus Datenschutzgründen nicht für Handys oder Laptops. „Man kann nicht hundertprozentig sicher sein, dass alles gelöscht ist“, erklärt Balk. Bei Handyfunden kontaktieren die Fundbüromitarbeiter den jeweiligen Netzbetreiber. Fragt jemand nach seinem verloren gegangenen Smartphone, folgt ein akribisches Prozedere. Er wird gebeten, das Ladekabel mitzubringen und den Code einzugeben. Scheckkarten indes gehen grundsätzlich zurück an die Bank. Sich ein Fundobjekt einfach so unter den Nagel zu reißen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Auch im Zusammenhang mit den auf der Homepage der Stadt aufgeführten Fundstücken gibt es immer noch zusätzliche Informationen, die nicht preisgegeben werden. Die Fundsachendatenbank ist über www.backnang.de in der Rubrik Bürgeramt/E-Bürgerdienste zu finden. Um sich glaubhaft als Besitzer „auszuweisen“, helfen beispielsweise Fotos.

„Das Fundrecht ist im BGB geregelt“, erklärt Brigitte Eggers. Es sind die Paragrafen 965 bis 984 im Bürgerlichen Gesetzbuch, in denen Details zu dem Thema stehen. Holt niemand den Gegenstand ab, kommen die Fundsachen gewöhnlich nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist unter den Hammer. Einmal im Jahr wird versteigert. Damit ist stets ein riesiger Aufwand verbunden. Unter anderem müssen alle Finder zuvor angeschrieben werden, Anzeigen werden aufgegeben, und der Transport zum Versteigerungsort ist zu organisieren. Das alles ist mit einem hohen personellen beziehungsweise zeitlichen Aufwand verbunden. Die nächste Versteigerung in Backnang ist im April nächsten Jahres. Es gibt Menschen, die die Fundstücke „bündelweise“ kaufen, um sie dann wieder auf dem Flohmarkt zu veräußern, wissen die Fundbüromitarbeiterinnen. Was bei der Versteigerung liegen bleibt, wird in der Regel an das Soziale Warenhaus weitergegeben.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht auch, dass ein Finder den Fund der zuständigen Behörde nur anzeigen muss, wenn „die Sache“ mehr als zehn Euro wert ist. Das Fundbüro seinerseits ist für Dinge im Wert ab zehn Euro zuständig. Gleichwohl hat das Thema Wert so seine Tücken. Wenn etwa ein Kind mit einem Fünfeuroschein kommt, wird es nicht abgewiesen. „Das haben wir intern besprochen“, so Balk. Hier gehe es um den Erziehungseffekt. Auch bei Gegenständen wie Puppen und anderen Spielzeugen zählt für die Besitzerin oder den Besitzer vor allem der ideelle Wert – Ausnahmen werden da ebenso gemacht. Fakt ist jedoch: Alles, was im Fundbüro eingeht und über zehn Euro wert ist, muss aufgenommen, eingeschätzt, eventuell mit den Daten der Polizei abgeglichen und angemessen aufbewahrt werden. Ein einzelner Handschuh aber kommt in eine Kiste und wird nach einem Tag entsorgt.

Bürger, die eine Fundsache vorbeibringen, werden übrigens bevorzugt behandelt. Sie bekommen eine sogenannte S-Nummer und müssen sich nicht wie die anderen Bürgeramt-Besucher in eine eventuelle Warteschlange einreihen. Dann nehmen die Dinge ihren geregelten Lauf. Wird zum Beispiel ein Geldbeutel abgegeben, muss zunächst eine Fundanzeige ausgefüllt werden, von der der Finder eine Kopie erhält. Mit Angaben darüber, wo und wann das betreffende Teil entdeckt wurde, ob der Finder Finderlohn will oder ob er, falls der Eigentümer sich nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten gemeldet hat, das Fundstück zurück möchte. Bei Geldbeuteln ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie den Eigentümern relativ schnell wieder ausgehändigt werden können, was mit einer Gebühr verbunden ist. Diese kann varriieren. „Wenn viel Geld drin ist, ist das gestaffelt“, erklärt Balk. Auch wird dann ein Finderlohn fällig. Finderlohn ist Pflicht. Allerdings handelt es sich dabei um Privatrecht. „Ob der Besitzer das macht oder nicht, ist nicht unsere Aufgabe, er muss das selbst mit dem Eigentümer klären“, sagt die Bürgeramt-Teamleiterin. Warum ein Geldbeutelfund oft schnell wieder ad acta gelegt werden kann, liegt daran, dass sich in der Geldbörse meist Ausweise, der Führerschein und die Gesundheitskarte befinden. Wohnt der Besitzer in einer anderen Gemeinde, wird beim betreffenden Fundbüro nachgefragt, ob dort eine diesbezügliche Verlustanzeige gestellt worden ist.

Bei der Bearbeitung einer Fundsache geht es peinlich genau zu. Balk spricht vom Vieraugenprinzip: Wird zum Beispiel das Geld in einem Portemonnaie gezählt, sind immer zwei Mitarbeiter damit befasst. Das Geld wird dann auf ein Konto eingezahlt. „Es darf nicht in bar hier rumliegen. Wenn der Eigentümer ermittelt wird, bekommt er das Geld überwiesen. Wir haben aber auch schon Personen gehabt, die sagten, wir machen eine Spende“, führt Gabriele Balk aus. In einem Verwahrbuch werden die Fundsachen dokumentiert. Zudem gibt es jeden Monat einen neuen Aushang am Rathaus mit allen Fundsachen. Die Polizei, mit der das Fundbüro sowieso ständig in Kontakt ist, bekommt einen detaillierten Bericht. Bei den Stadtteilgeschäftsstellen können Fundobjekte ebenfalls abgegeben werden. Und: Es existiert auch ein Verlustbuch. Darüber hinaus kommt es nach den Worten von Brigitte Eggers vor, dass Menschen Fundstücke anonym abgeben: Kleinere Gegenstände werden schon mal einfach in den Briefkasten geworfen.