Autorin Astrid Fritz schreibt über die Gesichter des Weihnachtsfests

Astrid Fritz kommt als Autorin historischer Romane über ihre Recherchen viel in verschiedenen Epochen herum. Wenn sie Mäuschen spielen könnte, würde sie der Zeit einen Besuch abstatten, in der Weihnachten noch vergleichsweise öffentlich in großen Gemeinschaften begangen wurde.

Autorin Astrid Fritz schreibt über die Gesichter des Weihnachtsfests

Weihnachtsschmuck, Kerzen, Lichter und winterliche Stimmung gehören für Astrid Fritz wie hier am Murrhardter Marktplatz schon zu einer Wohlfühlatmosphäre rund um das Fest. Besonders zu schätzen gelernt hat sie dies in den Jahren, in denen sie Weihnachten in Chile erlebt hat. Wertvoll findet sie es auch, das Fest ein Stück weit in Richtung Gemeinschaft öffnen zu können. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Manchmal ist der Blick in die Geschichte hilfreich, wenn es darum geht, zu verstehen, dass sich Lebensweisen und Traditionen über längere Zeit entwickelt beziehungsweise deutlich verändert haben. Nicht selten ist der Vergleich auch schlichtweg spannend und das wiederum ist das Terrain von Astrid Fritz. Die Autorin historischer Romane und Wahlmurrhardterin taucht beim Entwickeln und Schreiben ihrer Bücher tief in eine Epoche ein. Dabei ist sie auch schon in der Advents- und Weihnachtszeit verschiedener Jahrhunderte gelandet und insofern stellt sich die Frage, wo beziehungsweise wann sie gern einmal während der Festtage dabei sein würde.

„Ich fände die Spanne zwischen Mittelalter und der frühen Neuzeit spannend“, sagt sie. „Also in der Zeit, in der Weihnachten noch nicht als rein privates, sondern als kirchlich-öffentliches Fest ähnlich wie Ostern begangen wurde.“ Heiligabend ging es zur Christvesper, am ersten Weihnachtsfeiertag zur Hochmesse in die Kirche. Geschenke haben noch keine Rolle gespielt und im katholisch geprägten Land fiel das Ende der Fastenzeit, die am 11. November begann, auf den 25. Dezember. „Kirchgang und Gottesdienst waren wichtig, aber man hat Weihnachten auch traditionell in Gemeinschaft gefeiert, in der Zunft oder Gilde. Es gab ein gutes Essen, man hat Lichter angezündet, wobei Kerzen noch sündhaft teuer waren.“ Und zu solch einem Fest konnte auch gehören, dass am Abend noch fröhlich getanzt wurde. „Man musste also keine Angst haben, allein zu sein. Ich finde diesen Gedanken, die Tage in solch einer großen Gemeinschaft zu verbringen, spannend“, sagt Astrid Fritz, auch wenn die Grenze in Gilde oder Bruderschaft entlang der Religion verlief – Juden hatten keine Möglichkeit, dort aufgenommen zu werden.

In ihrer Erzählung „Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam“ befasst sie sich mit dem Thema

Allmählich entstand die Tradition von Adventskranz und Tannenbaum; sie geht zurück auf eine noch ältere, das sogenannte Winter- oder Weihnachtsmaien. Die Menschen brachten immergrüne Zweige in die Stuben oder hängten sie an den Türen auf, erzählt Astrid Fritz. Dieser nicht christliche Brauch, der schon den Kelten zugeschrieben wird, wird einerseits mit der Abwehr des Bösen, andererseits mit der Hoffnung auf die Wiederkehr des Lebens im Frühjahr inklusive Gesundheit, Kraft und Fruchtbarkeit verbunden.

„In der Zunft- oder Bruderschaftsstube hingen Zweige von der Decke, die immer größer wurden“, sagt Astrid Fritz. Die Sache gipfelte nach längerer Entwicklung sozusagen im geschmückten Baum. Sie selbst hat dies in Geschichten verpackt, um im weihnachtlichen Jargon zu bleiben. Ganz explizit befasst sich ihre Erzählung „Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam“ mit dem Thema. Es ist die Zeit, in der die Reformation im Süden langsam Einzug hält, und so lässt sie 1538 den jungen Dieb Jakob in Strasbourg aus der Not heraus bei einer Familie einbrechen, die nicht nur alles andere als reich ist, sondern auch einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften hat. Der völlig Ausgehungerte macht sich über das Gebäck der Familie her. Als er später mehr über sie erfährt, plagt ihn sein schlechtes Gewissen. Um das Geschehene etwas wiedergutzumachen, bastelt Jakob Baumschmuck, faltet aus Papier kleine Lämmer.

Wer Astrid Fritz’ Bücher kennt, weiß, ihr Herz schlägt vor allem für die nicht so gut Betuchten. Und trotzdem: „Natürlich wäre es auch klasse, im 19. Jahrhundert mal bei einer großbürgerlichen Feier dabei zu sein, also beispielsweise bei Thomas Manns Buddenbrooks.“ Weihnachten als pompöses Fest, bei dem jedes Familienmitglied – ab dem Schulalter – einen eigenen Baum mit einer ordentlichen Portion Schmuck, bei dem teils sogar Blattgold im Einsatz war, bekommen hat. „Da muss die gute Stube wie ein halber Wald ausgesehen haben“, meint Astrid Fritz und grinst. Allmählich kam auch die Idee hinzu, dem anderen zum Fest ein Geschenk zu machen. Bis zum blinkenden und reich dekorierten Vorgarten dauerte es noch seine Zeit. Aber die Verlegung, heute würde man sagen der Rückzug ins Private und eine nüchternere Feier, die weniger ausgedehnte, theaterähnliche Spiele in der Kirche als das Bibelwort selbst in den Mittelpunkt stellte, hatte längst begonnen. „Die Besinnlichkeit wird wichtig“, das laute, bunte Treiben von einer eher melancholischen Grundhaltung abgelöst, um es plakativ zu sagen. Astrid Fritz findet den Gedanken, Weihnachten mehr Raum für Gemeinschaft zu geben, aber einfach schön. Wieder ein Stück weit diesen Schritt zu gehen, hätte auch den Vorteil, dass das Fest nicht so sehr unter Harmoniezwang leidet und Gefahr läuft, emotional zu aufgeladen zu sein.

Bei Weihnachtsfesten war die Tür immer für Freunde und Bekannte geöffnet

Wenn sie an ihre eigene Kindheit zurückdenkt, findet sie schon genau diesen gemeinschaftlichen Grundgedanken. Ihr Elternhaus beschreibt sie als ein sehr offenes. Bei Weihnachtsfesten war die Tür immer für Freunde und Bekannte geöffnet. Mal war es ein junger Perser, der als Untermieter im Haus mitfeierte, mal die Freundin der Mutter, bei der der eigene Haussegen schief hing. Die Gäste waren ganz selbstverständlich in die Vorbereitungen mit eingebunden. „Das war mir damals gar nicht so bewusst, ich habe es aber später sehr schätzen gelernt.“ In jungen Jahren gehörte der Kirchgang zum Fest, zu Hause dann das gemeinsame Musizieren oder eine kleine Aufführung mit ihrer Schwester und ihrem Bruder und die Bescherung als krönender Abschluss. Eine einmalige Ausnahme gab es auch – in jugendlichen Umbruchzeiten trat das geschwisterliche Trio in einen Weihnachtsstreik, woran Astrid Fritz sich noch gut erinnert. Um sich gegen die heile Welt und Spießigkeit abzugrenzen, erklärten die drei ihren festlichen Ausstand und „waren todtraurig“. Die Reaktion ihrer Eltern changierte zwischen entsetzt und amüsiert. Bei der Fortschreibung des persönlichen Weihnachtsgeschehens kamen mit der Gründung der eigenen Familie weitere Erfahrungen hinzu, mit der Astrid Fritz übrigens auch drei Jahre in Chile gelebt hat. Auch da wurden erst die Nachbarn, dann Freude zum Fest dazugeholt. Im wahrsten Wortsinn hat es sich trotzdem anders angefühlt – im sommerlichen Chile. Die versammelte Feierschar saß in T-Shirt und kurzer Hose da, für ihre Tochter Lisa war damals die Pampers völlig ausreichend und es gab auch keinen Weihnachtsbaum. „Aber die Palme auf der Terrasse haben wir geschmückt.“ Mit den Weihnachtsmännern in den Einkaufszentren, denen die schweißtreibende Arbeit trotz Rauschebart anzusehen war, wurde mitgelitten und sehnsuchtsvoll an echten Schnee und eine winterlichere Natur gedacht. Eine Erfahrung, die in einen weiteren Roman – „Der Ruf des Kondors“ – über einen jungen Auswanderer eingeflossen ist.

Weihnachten kann eben ganz verschiedene Gesichter haben. Astrid Fritz freut sich nun darauf, an Weihnachten ihre Liebsten um sich haben, sowie auf winterliche Lichterfreuden und festliche Genüsse, ohne den gemeinschaftlichen Gedanken zu vergessen, ihm sozusagen gedanklich immer die Tür geöffnet zu halten.