Awo-Projekt: Damit das Miteinander aufblühen kann

Bürgerpreis Rems-Murr 2025 Die Arbeiterwohlfahrt in Murrhardt engagiert sich mit Projekten für ältere Menschen sowie Geflüchtete. Ob offener Treffpunkt oder gezielte Sprachvermittlung und Lesetreff für Kinder – es geht vor allem darum, die Basis für Gemeinschaft zu schaffen.

Awo-Projekt: Damit das Miteinander aufblühen kann

Ruth Linke und Margarete Rachwaniec (von rechts) gehören zu den treuen Gästen beim Treffpunkt der Arbeiterwohlfahrt in Murrhardt, der sich vor allem auch an Seniorinnen und Senioren wendet. Sie fühlen sich dort wohl und schätzen das unkomplizierte und vertraute Miteinander. Oft wird auch gespielt, Awo-Geschäftsstellenleiterin Patricia Wirth (links) kann beim Rummikub gut mithalten. Foto: Stefan Bossow

Murrhardt. Ruth Linke und Margarete Rachwaniec sitzen vor ihren fein säuberlich aufgereihten Spielsteinen und checken die nächsten Möglichkeiten. Einerseits haben sie es nicht ganz einfach bei Patricia Wirth, die nicht nur die Geschäftsstelle der Arbeiterwohlfahrt in Murrhardt leitet, sondern im Spieleklassiker Rummikub auch äußerst beschlagen ist, andererseits lässt sich die Runde netterweise auch immer wieder dazu hinreißen, sich gegenseitig zu unterstützen.

Es ist Mittwochnachmittag, und der ist beim Awo-Treffpunkt fürs Spielen, Quatschen und entspannte Beisammensein reserviert. „Ich bin von Anfang an dabei, es ist unheimlich gemütlich hier und schön, Gesellschaft zu haben“, erzählt Ruth Linke. „Man kennt alle, es ist ganz vertraut, so als würde man Bekannte treffen. Es ist schön, dass es den Treff gibt“, ergänzt Margarete Rachwaniec.

„Es war tatsächlich schon lange mein Wunsch, ein Angebot für ältere Menschen ins Leben zu rufen“, erzählt Patricia Wirth. Als Krankenschwester hat sie auch in der ambulanten Pflege gearbeitet. In dieser Zeit hat sie erfahren, dass Seniorinnen und Senioren teils auch mit Einsamkeit zu kämpfen haben. Zunächst war die Geschäftsstelle noch etwas vom Zentrum entfernt, doch als der Umzug in die Innenstadt Murrhardts möglich war, wollte sie ihren Wunsch in Angriff nehmen. Auch wenn die Coronapandemie ihr 2020 erst mal einen Strich durch die Rechnung machte, begleitete sie zunächst einzelne ältere Menschen, bevor die Gruppe dann anlaufen konnte.

Am Nachmittag kommen immer wieder einzelne Gäste vorbei, die ein kleines Pläuschchen halten, sich eine Info abholen oder einen Rat brauchen. Wirth will, dass die Gruppe mit rund sechs bis acht Menschen aber auch überschaubar bleibt: „Ich möchte, dass ein enger Kontakt und guter Austausch entstehen kann.“ Dabei ist der Treffpunkt nicht auf Seniorinnen und Senioren beschränkt – willkommen sind Menschen jeden Alters.

Neben diesem Angebot gehören zu den Herzensprojekten außerdem das Sprachcafé für geflüchtete Frauen sowie der Zeitungstreffpunkt, bei dem eine gemischte Gruppe sich ebenfalls in die deutsche Sprache reinkniet. Es war im Frühjahr 2023, als Patricia Wirth auf Jochen Schneider von Pyramidea zuging, um Möglichkeiten für eine Kooperation auszuloten. Im Alltag beobachtet sie, wie bedeutend es ist, sprachliche Barrieren zu überwinden. „Es ist wichtig, dass auch die Frauen ins Sprechen kommen, um nicht isoliert zu sein und mit anderen in Kontakt treten zu können“, sagt sie.

Es entstand die Idee, ein Sprachcafé für geflüchtete Frauen anzubieten. Nach rund einem halben Jahr erhielt sie Unterstützung von Ute Eilers. Zu zweit begleiten sie nun Frauen ganz unterschiedlicher Herkunftsländer und mit verschiedenen Hintergründen. Bei den regelmäßigen Treffen geht es darum, ins Sprechen zu kommen und eine gewisse Sicherheit für den Alltag bekommen, aber es wird ebenso immer ein bestimmtes Thema beleuchtet und besprochen – sodass sich auch die Brücke zur Kultur, Gesellschaft und zu Gewohnheiten in Deutschland schlagen lässt. Teils sind auch Referentinnen und Referenten zu Gast. „Wir hatten schon eine Polizistin hier, die von sich und ihrer Arbeit berichtet hat“, erinnert sich Patricia Wirth. Eine tolle Sache dabei ist, dass sich die Frauen an den Nachmittagen ganz auf den Austausch und die Sprachpraxis konzentrieren können – weil ihre (jüngeren) Kinder im Zentrum der Vielfalt in Murrhardt betreut werden.

Im Zuge des Projekts wurde immer mal wieder thematisiert, dass auch bei geflüchteten Männern Bedarf an sprachlicher Unterstützung besteht, berichtet die Awo-Geschäftsstellenleiterin. Also erweiterte Patricia Wirth ihr Engagement und rief eine gemischte Gruppe ins Leben, die Männer genauso wie Frauen nutzen können. Das Konzept ist relativ anspruchsvoll und entspricht dem etwas höheren Sprachniveau der Mitglieder.

Jeder soll Raum bekommen, um zu lernen und am anderen anzuknüpfen

In einer Kleingruppe werden Zeitungsartikel erarbeitet und gemeinsam besprochen. „Jeder bekommt einen Teil der Zeitung, nimmt sich einen Artikel vor“, erzählt Patricia Wirth. Dann heißt es, sich in stiller Arbeit einen Teil des Texts zu erschließen. Später erzählt jede und jeder in der Runde, was das Thema seines Beitrags ist. Um wirklich Raum für alle zu haben, wurde die Zeitspanne von einer Stunde auf rund zwei Stunden erweitert. Mittlerweile hat der Zeitungstreffpunkt schon einige Male stattgefunden. Auch bei der neuen Gruppe geht es um ein gutes Miteinander und darum, sich gegenseitig mit Toleranz zu begegnen. Somit schwingen auch immer soziale und demokratische Werte mit und sind Teil der gemeinsamen Praxis und des Arbeitens.

Was motiviert Patricia Wirth, all das neben der alltäglichen Arbeit bei der Arbeiterwohlfahrt zu leisten? „Ich mag Menschen“, stellt sie mit einem Lächeln fest. Zudem lassen sich die drei Gruppen auch als eine Art gestaffeltes Angebot lesen: Zuerst muss die Hemmschwelle überwunden werden, miteinander zu sprechen, und es lässt sich so gemeinsam ein erster alltagstauglicher Wortschatz erarbeiten. Mit dieser Sicherheit könnte es beispielsweise in einen klassischen Sprachkurs an der Volkshochschule gehen, um dann später beim Zeitungstreffpunkt weiter am Deutschen zu feilen.

Auch wenn junge Menschen noch leichter lernen, wollte die Awo bei Kindern nicht zurückstehen. So komplettiert der Lesetreff an der Murrhardter Walterichschule das Angebot. Er steht Kindern von Klasse 1 bis 4 offen. Er wird von geflüchteten Mädchen und Jungen gerne genutzt – das Awo-Team umfasst fünf Ehrenamtliche, die gemeinsam mit den Kindern lesen. „Manchmal wird auch Memory gespielt und es werden Sätze zusammen komplettiert, um miteinander ins Gespräch zu kommen“, sagt Patricia Wirth.

In all den Gruppen und Angeboten geht es letztlich immer darum, an den anderen anknüpfen zu können, damit das Miteinander aufblühen kann.

Awo-Projekt: Damit das Miteinander aufblühen kann