Babys mit Fehlbildungen: NRW will alle Kliniken abfragen

dpa Düsseldorf. Was steckt hinter der Häufung von Neugeborenen mit fehlgebildeten Händen in Gelsenkirchen? Die Aufklärung dürfte kompliziert werden. Könnte ein nationales Fehlbildungs-Register für mehr Klarheit sorgen?

Babys mit Fehlbildungen: NRW will alle Kliniken abfragen

Aufschrift auf der Tür eines Kreißsaales. Foto: Stefan Sauer/Symbolbild

Nach einer ungewöhnlichen Häufung von Fehlbildungen bei Neugeborenen an einer Gelsenkirchener Klinik will sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerium einen genaueren Überblick verschaffen.

Das Ministerium werde alle Klinken in dem Bundesland abfragen, ob dort ähnliche Fehlbildungen aufgefallen seien, sagte eine Sprecherin der Düsseldorfer Behörde am Samstag auf Anfrage. Man nehme die Berichte über solche Fälle „sehr ernst“.

„Darüber hinaus nehmen wir Kontakt mit den Ärztekammern, dem Bund und den anderen Bundesländern auf, um möglichen Ursachen mit aller Sorgfalt nachzugehen.“ Ob ein Melderegister der richtige Weg sei, gelte es gemeinsam zu prüfen, sagte die Sprecherin des Landesministeriums, das von dem CDU-Politiker Karl-Josef Laumann (CDU) geführt wird.

Im Sankt Marien-Hospital Buer in Gelsenkirchen waren zwischen Mitte Juni und Anfang September drei Kinder mit fehlgebildeten Händen geboren worden. Zuvor hatte es dort nach Angaben der Klinik jahrelang keinen einzigen Fall gegeben. Bei allen drei Kindern sei jeweils eine Hand betroffen. An dieser Hand seien Handteller und Finger nur rudimentär angelegt. In der Klinik wurden 2018 nach eigenen Angaben mehr als 800 Kinder geboren. Das Krankenhaus hat eine vertiefte Ursachenforschung angekündigt, die allerdings nur mit Einwilligung der Eltern stattfinden könne.

Unterdessen äußerte sich das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) zurückhaltend. Zu den konkreten Fällen lägen keine Erkenntnisse vor, teilte ein Ministeriumssprecher am Samstag in Berlin mit. „Wenn es eine auffällige Häufung von Fehlbildungen bei Neugeborenen geben sollte, muss das so schnell wie möglich geklärt werden“, erklärte er. Das Ministerium begrüße, dass das betreffende Krankenhaus Kontakt zur Berliner Charité aufgenommen habe.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rief Spahn in der „Bild“-Zeitung dazu auf, „dringend eine Studie in Auftrag zu geben, die systematisch die Daten der Kliniken und die Häufigkeit der Fälle erfasst“. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, Informationen zu Fehlbildungen beinhalteten insbesondere die Perinatalstatistik sowie die Krankenhausdiagnosestatistik. Der Begriff perinatal bedeutet im medizinischen Sprachgebrauch den Zeitraum kurz vor, während und kurz nach der Entbindung. Ein nationales Fehlbildungsregister existiert nicht.

Das Bundesministerium teilte mit, laut einer Bundesauswertung zur Perinatalstatistik des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen seien 2017 in Deutschland 6884 Kinder mit Fehlbildungen in Krankenhäusern geboren worden. Damit seien etwa 0,89 Prozent der Neugeborenen betroffen gewesen. Die Perinatalstatistik verzeichnet nach Angaben des Ministeriums die Zahl der mit Fehlbildungen geborenen Kinder, sie beinhaltet jedoch keine Informationen über die Art der Fehlbildung.

Die Datenlage ist schwierig. Zwar enthält die Krankenhausdiagnosestatistik des Statistischen Bundesamtes weitere Informationen. Diese gebe Auskunft über die Anzahl der stationären Behandlungsfälle mit spezifischen Diagnosen. Diese Statistik beinhalte allerdings keine Informationen über die Zahl der behandelten Personen, teilte das Gesundheitsministerium in Berlin mit. Das bedeute, ein Kind, das zweimal im Krankenhaus behandelt werde, würde als zwei Fälle gezählt. Zugleich tauchten Kinder ohne stationäre Behandlung in dieser Statistik nicht auf.

Regionale Daten werden nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums für das Fehlbildungsregister Sachsen-Anhalt und das Geburtenregister „Mainzer Modell“ erhoben. Daten aus beiden regionalen Registern würden an das europäische Register EUROCAT gemeldet, das seit 1979 bestehe und derzeit Daten aus 23 europäischen Ländern enthalte.