Backnang bewirbt sich für Bauausstellung

Mit dem Quartier West will die Stadt bei der IBA 2027 dabei sein – Auch Riva-Chef Püttmer unterstützt die Bewerbung

Bis zu zwei Millionen Besucher aus aller Welt werden 2027 in der Region Stuttgart erwartet, wenn bei der Internationalen Bauausstellung (IBA) die Bau- und Wohnformen der Zukunft präsentiert werden. Auch Backnang will dann mit dabei sein und bewirbt sich mit dem Quartier West um eine Teilnahme. Laut IBA-Intendant Andreas Hofer hat die Bewerbung sehr gute Chancen.

Backnang bewirbt sich für Bauausstellung

Auch das Kaelble-Areal, das Riva-Chef Hermann Püttmer gehört, soll im Rahmen der Internationalen Bauausstellung neu entwickelt werden. Foto: F. Muhl

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Die Stuttgarter Weißenhofsiedlung, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1927 errichtet wurde, gilt bis heute als Meilenstein des Neuen Bauens. Auf ähnlich wegweisende Projekte hofft Intendant Andreas Hofer, wenn genau hundert Jahre später erneut eine IBA in Stuttgart stattfindet. Der Unterschied zu damals: Diesmal ist die gesamte Region eingeladen mitzumachen, und in Backnang will man diese Chance beim Schopf packen.

Einstimmig hat der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor der Wahl, beschlossen, sich um eine Teilnahme an der IBA zu bewerben. Konkret geht es um ein rund 15 Hektar großes Gelände, das nördlich der Murr von der Friedrichstraße bis zum Viadukt reicht. Neben dem ehemaligen Kaelble-Areal, das 2016 von Riva-Chef Hermann Püttmer gekauft wurde, gehören dazu auch größere Flächen im Besitz der Firma Tesat sowie der Familien Kaess und Räuchle, die dort einst Lederfabriken hatten. OB Frank Nopper spricht von einem „stark entwicklungsbedürftigen Stadtquartier“, die Teilnahme an der Bauausstellung sieht er als „riesige Chance“.

Stadt und private Eigentümer teilen sich die Kosten

IBA-Intendant Hofer bestätigt diese Einschätzung: Eine Internationale Bauausstellung locke die besten Architekten und Stadtplaner aus ganz Europa an: „Da will jeder dabei sein“, sagte Hofer am Donnerstag bei seinem Besuch im Backnanger Gemeinderat. Bei der IBA wolle man neue Bautechniken erproben und die Architektur der Zukunft zeigen. Das Gelände in Backnang ist dafür in seinen Augen perfekt geeignet: Ein so großes Areal mitten in der Stadt neu zu entwickeln, hält Hofer für eine spannende Herausforderung. Die Erfolgsaussichten der Backnanger Bewerbung, über die am Ende das IBA-Kuratorium entscheidet, bezeichnet der Intendant deshalb auch als „extrem positiv“.

Sollte Backnang tatsächlich den Zuschlag erhalten, würde ein dreistufiges Verfahren folgen. In einem internationalen Ideenwettbewerb würden zunächst acht bis zwölf Büros ausgewählt, die sich dann intensiver mit dem Gebiet beschäftigen und jeweils ein städtebauliches Konzept entwickeln. Im Frühjahr 2020 soll dann ein Siegerentwurf gekürt werden, der die Basis für die weitere Planung ist. Anschließend wird das Gebiet in mehrere Baufelder aufgeteilt: Jeweils drei bis vier Büros entwickeln dann für jeden dieser Teilbereiche konkrete Pläne. Im August 2020 kürt eine Jury die Gewinner, anschließend kann es an die Umsetzung gehen. Das bedeute aber nicht, dass dann das komplette Gebiet planiert wird, betont Baudezernent Stefan Setzer. Erhaltenswerte Gebäude können und sollen in die Planung integriert werden. Außerdem legt OB Nopper Wert auf die Feststellung, dass die volle Planungshoheit beim Gemeinderat bleibt.

Für das Wettbewerbsverfahren entstehen Kosten von rund 475000 Euro, die sich die Stadt und die privaten Grundstücksbesitzer teilen. Auch Riva-Chef Hermann Püttmer, der bisher auf Konfrontationskurs mit der Stadt gegangen war und lieber den umstrittenen Masterplan seines Freundes Helmut Jahn realisieren wollte, scheint nach Gesprächen mit IBA-Intendant Hofer zum Einlenken bereit: „Wir unterstützen das und finden es gut“, erklärte Riva-Pressesprecher Witold Buenger gestern auf Nachfrage.

Im Gemeinderat lösten die IBA-Pläne Begeisterung aus: „Das würde einen ziemlich großen Impuls für unsere Stadt bringen“, ist sich CDU-Stadtrat Gerhard Ketterer sicher. Charlotte Klinghoffer (Bürgerforum Backnang) sieht in dem Projekt die Chance, „Backnang zu einer echten Murr-Metropole zu erheben“. Zukunftsfähiges Bauen bedeute auch, CO2-neutral zu bauen, mahnte Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Er regte zudem an, das neue Quartier mit einer Zahnradbahn mit dem Bahnhof zu verbinden. Eine Idee, die aus Sicht von Baudezernent Stefan Setzer durchaus überlegenswert ist: „Es gibt keine Denkverbote.“

Gestritten wurde am Ende nur noch über die Frage, wer als erstes die Idee mit der IBA-Bewerbung hatte. Das Bürgerforum sei’s gewesen, behauptete Charlotte Klinghoffer, Baudezernent Setzer hält sich selbst für den Initiator. OB Nopper nahm’s mit Humor: „Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist verwaist.“

Backnang bewirbt sich für Bauausstellung

Das Quartier West, mit dem sich die Stadt Backnang für die Internationale Bauausstellung 2027 bewirbt, umfasst insgesamt 15 Hektar und reicht von der Friedrichstraße bis zum Murrtalviadukt.Karte: Google Maps/Bearbeitung: J. Bauer

Kommentar
Erstmals einig

Von Kornelius Fritz

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War das der Durchbruch? Nachdem sie drei Jahre lang gestritten haben, scheinen sich Riva-Chef Hermann Püttmer und die Backnanger Stadtverwaltung zum ersten Mal einig zu sein. Beide unterstützen die Bewerbung für die Internationale Bauausstellung 2027. Der Plan, den charismatischen IBA-Intendanten Andreas Hofer als Vermittler einzusetzen, scheint aufzugehen. Ein cleverer Schachzug war zudem, das IBA-Gebiet zu erweitern. So ist die Stadt nicht erpressbar und kann das Projekt notfalls auch ohne die Riva-Flächen realisieren. Als erfahrener Investor dürfte Hermann Püttmer aber klug genug sein, die Chancen der Bauausstellung zu erkennen.