Backnang plant „Offensive Innenstadt“

Schon zum dritten Mal mussten die Händler in der Backnanger Innenstadt ihre Geschäfte schließen – für wie lange, ist noch offen. Um die Ladenbesitzer beim Neustart nach dem Lockdown zu unterstützen, plant die Stadt nun ein umfangreiches Hilfsprogramm.

Backnang plant „Offensive Innenstadt“

Bunte Farbtupfer für mehr Aufenthaltsqualität: Mit der „Offensive Innenstadt“ erhöht die Stadt auch ihr Budget für die Bepflanzung. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Erst hatten die Läden geöffnet, dann mussten sie fürs Einkaufen Termine vergeben, nun sind sie wieder zu – nur das Abholen vorbestellter Ware ist noch erlaubt. Die Regeln für den Einzelhandel haben sich zuletzt fast wöchentlich geändert und der Frust unter den Geschäftsleuten sitzt tief. „Es sind große Umsatzlöcher entstanden, die sich kaum noch schließen lassen“, sagt Martin Windmüller vom Vorstand des Backnanger Stadtmarketingvereins. Denn Frühjahrsmode lasse sich nun mal nicht im Herbst verkaufen. Die gute Nachricht ist, dass die meisten Ladenbesitzer bislang noch durchhalten. „Ich bin optimistisch, dass fast alle wieder aufmachen werden“, sagt Windmüller. Allerdings könnten die Händler jede Form von Unterstützung dringend gebrauchen.

Nachdem zuletzt auch im Gemeinderat der Wunsch nach einem Hilfsprogramm für die Innenstadthändler laut geworden war, wird die Stadtverwaltung nun aktiv. In der Gemeinderatssitzung am kommenden Donnerstag will sie ein Förderprogramm mit dem Titel „Offensive Innenstadt“ präsentieren, um den Neustart nach dem Lockdown anzuschieben. „Wir müssen aus der Depression rauskommen“, erklärt Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. Insgesamt will die Stadt dafür mehr als 450000 Euro ausgeben. Das Hilfspaket, das zusammen mit dem Stadtmarketingverein entwickelt wurde, fußt auf vier Säulen:

1. Infrastruktur und Aufenthaltsqualität

Mit einem ganzen Strauß an Maßnahmen will die Verwaltung einen Besuch in der Backnanger Innenstadt noch attraktiver machen. So will sie zum Beispiel mehr Geld für die Bepflanzung von Blumenschalen und Grünflächen zur Verfügung stellen. Auch das Fassadenprogramm, aus dem Eigentümer, die ihr Haus sanieren, Zuschüsse bekommen können, wird aufgestockt. Geplant ist außerdem eine sogenannte Pop-up-Gastronomie auf dem Marktplatz: Im Sommer sollen Gastronomen hier zeitweise eine Fläche pachten und bewirtschaften dürfen. Ein ähnliches Projekt hatte es im vergangenen Sommer bereits am Murrufer gegeben.

„Auch beim Wochenmarkt sehen wir noch Potenzial nach oben“, sagt Stadtmarketingmanager Simon Köder. In einem Workshop sollen Ideen entwickelt werden, wie er noch attraktiver werden könnte, etwa durch Veranstaltungen oder das Einbinden von Vereinen und Gastronomen. Um eine langfristige Strategie für die Innenstadt zu entwickeln, will die Stadt ein Einzelhandelsgutachten in Auftrag geben: Ein Fachinstitut soll dafür unter anderem Kunden und Händler befragen und den Branchenmix in der Stadt untersuchen. Alleine dafür sind 50000 Euro eingeplant.

2. Aktionen und Veranstaltungen

Der Tulpenfrühling musste nun schon zum zweiten Mal wegen Corona ausfallen, aber die Händler hoffen, dass zumindest der Gänsemarkt Ende Oktober wieder stattfinden kann. Normalerweise wird dieser hauptsächlich von den Händlern über eine Veranstaltungsumlage finanziert, dieses Jahr will jedoch die Stadt die Kosten komplett übernehmen. Gleiches gilt für das Kinderfest oder ein coronakonformes Alternativprogramm sowie für die Weihnachtsaktionen. „Wir wollen die Händler, die ohnehin schon zu kämpfen haben, nicht auch noch mit zusätzlichen Kosten belasten“, sagt Simon Köder. Zur Belebung der Innenstadt soll auch der Backnanger Kultursommer beitragen: Wie berichtet planen die Stadt und das Bandhaus-Theater zwischen Juni und August rund 50 kleinere Open-Air-Veranstaltungen an verschiedenen Orten in der Stadt.

3. Digitales Gutscheinsystem

Die Backnanger Einkaufsgutscheine aus Papier waren auch wegen des hohen Verwaltungsaufwands nicht mehr zeitgemäß. Sie sollen durch ein neues, digitales System ersetzt werden. „Solche Gutscheine bieten die Möglichkeit, große Umsätze an die Innenstadt zu binden“, erklärt Simon Köder und verweist auf erfolgreiche Beispiele aus anderen Städten. Interessant könnten die neuen Gutscheine im Scheckkartenformat auch für Firmen sein, die sie – bis zu einer Grenze von 44 Euro sogar steuerfrei – als Bonus oder Geschenk für ihre Mitarbeiter einsetzen können. Damit die neuen Gutscheine von Anfang an gut angenommen werden, plant die Stadt Backnang eine Anschubsubvention. Für einen 100-Euro-Gutschein müssten die Kunden dann zum Beispiel nur 80 Euro bezahlen, die Differenz übernimmt die Stadtkasse.

4. Kommunikationskampagne

Die besten Ideen bringen nur etwas, wenn potenzielle Kunden auch davon erfahren. Deshalb will die Stadt 30000 Euro für eine „crossmediale Neustartkampagne“ zur Verfügung stellen. Neben klassischen Medien wie Zeitung und Radio sollen dabei auch die sozialen Netzwerke eine wichtige Rolle spielen.

Stadt und Händler setzen große Hoffnungen in die „Offensive Innenstadt“: „Das ist eine großartige Sache, wir schreiben damit Geschichte“, schwärmt die Vorsitzende des Stadtmarketingvereins, Sigrid Göttlich. Auch ihr Vorstandskollege Martin Windmüller findet lobende Worte für die Stadt: „Ich glaube, wir sind damit auf dem richtigen Weg. Dieses Programm stärkt den Zusammenhalt.“ Kulturamtsleiter Johannes Ellrott betont, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nur kurzfristig wirken: „Wir investieren in Dinge, die auch in Zukunft einen Mehrwert schaffen.“

Ganz leicht fällt es Finanzbürgermeister Janocha zwar nicht, so viel Geld lockerzumachen, „aber dies ist nun mal ein außergewöhnliches Jahr“. Immerhin war ein Teil der Ausgaben bereits im städtischen Haushalt eingeplant, außerdem entfallen die Kosten für das abgesagte Murrspektakel. So bleiben am Ende noch Mehrkosten von 130000 Euro, die über eine sogenannte Deckungsreserve ausgeglichen werden sollen.

Testmöglichkeiten werden ausgebaut

Im Backnanger Rathaus geht man davon aus, dass es Lockerungen des Lockdowns zumindest am Anfang nur in Kombination mit einem negativen Coronatest geben wird. Deshalb will die Stadt die Testkapazitäten in Backnang in den nächsten Wochen deutlich erhöhen.

Neben dem kommunalen Testzentrum auf der Bleichwiese, das seit Ende März in Betrieb ist, und den dezentralen Angeboten in Arztpraxen und Apotheken sollen deshalb in den kommenden Wochen weitere Testzentren im Stadtgebiet öffnen.

So wird der private Anbieter Minessa Medical aus Winnenden in Kürze eine Teststation auf dem Parkplatz am Bahnhof eröffnen.
Die Drogeriemarktkette dm will in der Grabenstraße Coronatests anbieten und der Discounter Lidl plant ein Testzentrum auf seinem Kundenparkplatz an der Weissacher Straße. Zusammen mit den Johannitern will die Stadt zudem eine Drive-in-Station in der Nähe des Freibads einrichten. Diese ist auch für Besucher gedacht, die aus dem Umland nach Backnang kommen.

Wenn alle geplanten Stationen in Betrieb sind, werden nach Angaben des Wirtschaftsbeauftragten Reiner Gauger bis zu 5000 Coronatests pro Tag möglich sein. Dies könnte die Grundlage für eine sichere Öffnungsstrategie sein.