Backnanger Amtsgericht hat neuen Leiter

Amtsgerichtsdirektor Florian Bollacher mag richterliche Tätigkeiten und Verwaltungsaufgaben gleichermaßen. Seine Kolleginnen und Kollegen in Backnang will er nicht mit neuen Ideen konfrontieren. „Es läuft hier sehr gut“, sagt der 48-Jährige zufrieden.

Backnanger Amtsgericht hat neuen Leiter

Florian Bollacher ist der neue Leiter des Backnanger Amtsgerichts. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Wenn Florian Bollacher auf die Frage, mit welchen Personen er bei Gerichtsverhandlungen am liebsten zu tun hat, antwortet: „Ich mag es sehr, mit Jugendlichen umzugehen, weil die ihr Leben noch vor sich haben und man darauf Einfluss nimmt und noch etwas steuern kann“, dann klingt das nicht nur so dahingesagt, weil es möglicherweise der Mann von der Zeitung gerne so hört und notiert. Der neue Amtsgerichtsdirektor in Backnang vermittelt seine Ansicht so, dass Zweifel an der Wahrhaftigkeit seiner Aussage erst gar nicht aufkommen. Der 48-Jährige scheint wirklich für seinen Beruf zu brennen und seinen Job liebend gerne zu machen.

Das Amtsgericht Backnang scheint für den dreifachen Familienvater wie zurechtgeschnitten zu sein. Letztlich hatte er Glück, dass seine Vorgängerin Anne Harrschar gerade mal 21 Monate in ihrem Amt verweilte, um jetzt, seit November vergangenen Jahres, das Amtsgericht in Ludwigsburg zu leiten. Aber wollte er nach Backnang? „Mich interessiert nicht nur die reine richterliche Arbeit, sondern auch alles, was mit Gerichtsleitung zu tun hat.“ Mit administrativen Tätigkeiten hatte er erstmals am Landgericht näher zu tun. Vor rund zehn Jahren hatte er als sogenannter Präsidialrichter dem Landgerichtspräsidenten Franz Steinle zugearbeitet. „Das hat mich einfach interessiert und da geht aus meiner Sicht die Laufbahn bei den Amtsgerichten los.“

Auch Staatsschutz- und Terrorverfahren betreut

Zurückblickend hatte der Jurist aus richterlicher Sicht seine erfüllendste Zeit, wie er sagt, beim Oberlandesgericht (OLG) in einem Strafsenat. Dort hat er auch Staatsschutz- und Terrorverfahren sowie Fälle um den Islamischen Staat betreut. „Aber eben ohne Verwaltung“, wie er bekennt. „Dann war einfach der nächste Schritt, mich auf eine Vertretungsstelle in Cannstatt zu bewerben.“ Dort hatte Bollacher das Amts des stellvertretenden Amtsgerichtsdirektors übernommen, bevor er jetzt in Backnang auf dem Chefsessel im Amtsgericht Platz nehmen konnte. Hier hat er alles, was sein Herz begehrt, Verwaltungs- und auch richterliche Tätigkeit, wobei sich Letztere etwa hälftig auf jugendrichterliche Tätigkeiten und Betreuungsangelegenheiten aufteilt.

Bollacher kam nach Backnang in ein gemachtes Haus. Nach allem, was er bisher mitbekommen habe, laufe es grundsätzlich gut am hiesigen Standort. „Die Menschen, die hier arbeiten, wissen, was sie tun müssen, und sie machen’s auch gern, mit Überzeugung, mit hohem Arbeitseinsatz... Das kann ich jetzt in der kurzen Zeit schon wirklich sagen.“ Der neue Chef hat eine Devise und an der wird er sich auch in Backnang orientieren: „Es muss nichts geändert werden, wenn’s nicht notwendig ist.“

Familiärer Umgang im Backnanger Gericht

Der 48-Jährige war schon an etlichen Gerichten tätig. Was unterscheidet das Backnanger von den anderen? „Ich war bislang noch nicht an so einem verhältnismäßig kleinen Gericht. Wir haben hier nur sechs Richter, eine Kollegin hat eine halbe Stelle.“ Bislang habe er es immer mit Häusern zu tun gehabt, wo es ein bisschen unübersichtlicher war, wie er sagt. „Hier hat man relativ schnell den Einblick.“ Es gehe in Backnang schon in Richtung familiärer Umgang. „Und auch das Selbstverständnis, mit dem man einspringt, wenn irgendjemand gerade mal nicht da ist oder erkrankt ist, das ist mir gleich in den ersten Wochen aufgefallen, dass da eine ganz große Bereitschaft besteht, auch fachübergreifend, sich auszuhelfen“, sagt Bollacher.

Auf die Frage, welche Ideen er hier verwirklichen will, sagt der Mann, der seit 1. Dezember die Amtsgerichtsfäden in der Hand hält: „Die Möglichkeiten sind da beschränkt, viel Raum zum Gestalten gibt es nicht, weil die Vorgänge eigentlich vorgegeben sind.“ Wichtig seien ihm die sozialen Kontakte. „Corona hat die Leute wirklich nachhaltig beeindruckt, hat auch die Arbeitsabläufe betroffen, man hat wenig Kontakt untereinander gehabt.“ Zudem seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Umstellung auf die elektronische Akte (E-Akte) sehr beschäftigt. „Und dann die steigenden Preise... Das Wichtigste ist mir, dass ich alles dafür tue, dass wir wieder in ein ruhiges Fahrwasser kommen beziehungsweise dass wir es beibehalten. Und da möchte ich niemanden gleich mit ganz neuen Ideen überschütten.“

Gericht ist auf zwei Häuser verteilt

Der Umstand, dass das Backnanger Amtsgericht auf zwei Häuser verteilt ist – in der Sulzbacher Straße ist die Betreuungs- und Nachlassabteilung untergebracht –, sei für einen guten Kontakt untereinander auch nicht gerade förderlich. So will Bollacher seine Schwerpunkte im laufenden Jahr auf die Förderung eines guten Miteinanders legen, beispielsweise durch Betriebsausflüge oder gemeinsame Wanderungen außerhalb der Dienstzeit.

Kleine, überschaubare Amtsgerichte haben doch was für sich. Das zeigt auch die Geschichte des neuen Chefs. Am Amtsgericht Waiblingen hat Florian Bollacher seine Ehefrau Anne Christina kennengelernt, die ebenfalls Richterin ist und derzeit eine halbe Stelle am Amtsgericht Ludwigsburg innehat. „In Waiblingen waren wir zeitgleich am Amtsgericht tätig.“ Das war vor 14 Jahren. Mittlerweile hat das in Ludwigsburg lebende Paar drei Kinder im jüngeren Schulalter. „Wir stehen, wie viele Familien auch, vor der Aufgabe: Wie machen wir das mit der Kinderbetreuung?“ Bislang hat es geklappt, auch dank der Großeltern.

Ist da noch Zeit für Hobbys? „Ich gehe ab und zu laufen, wenn ich dazu komme. Und ich habe vor ein paar Wochen mit dem Klavierunterricht begonnen, weil die ganze Familie sehr musikalisch ist.“ Alle drei Kinder spielen jeweils zwei Instrumente. „Ich musste jetzt anfangen, sonst halte ich da gar nicht mehr mit.“ Das Interesse und die Begeisterung an der Musik seien der Verdienst seiner Frau, die hinterher sei und ebenfalls sehr musikalisch sei. „Die Kinder sind total begeistert, dass ich jetzt quasi so anfange wie sie auch“, bekennt Bollacher. Der Familienvater fügt noch schmunzelnd an: „Und sie sehen, dass ich das auch nicht alles einfach kann, weil, das meinen sie ja immer: Erwachsene können halt irgendwie alles. Aber das ist eben nicht so.“

Zur Person

Florian Bollacher ist 48 Jahre alt, stammt aus Ludwigsburg, ist dort aufgewachsen und wohnt dort auch mit seiner Familie.

1996 bis 2006 Ausbildung: Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Konstanz (bis 2002), Referendariat in Berlin, Stationen unter anderem bei der Senatsverwaltung für Jugend und Sport und dem Syndikusanwalt des evangelischen Krankenhausverbands, Promotion (2006).

2006 bis heute Berufsleben: Staatsanwaltschaft Stuttgart (Wirtschaftsabteilung; 2006 bis 2008), Amtsgericht Waiblingen (Jugendrecht, Zivilrecht; 2008 bis 2009), Abordnung ans Sozialministerium (2009 bis 2011), Landgericht Stuttgart (Wirtschaftsstrafrecht; Verwaltung; Presse; 2012 bis 2015), Amtsgericht Ludwigsburg (2016 bis 2017), Oberlandesgericht Stuttgart (2017 bis 2019), Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt (stellvertretender Direktor; 2019 bis 2022) sowie Amtsgerichtsdirektor am Amtsgericht in Backnang (seit 1. Dezember 2022).

Ehrenamt Bollacher ist Vorstandsmitglied beim Württembergischen Fußballverband (WFV) und einer von drei Vizepräsidenten.

Familie Florian Bollacher ist verheiratet mit Anne Christina Bollacher (44). Zusammen hat das Paar drei Kinder im Schulalter.