Backnanger Handel hat Sogwirkung

Laut IHK-Studie zieht die Stadt viel Kaufkraft aus dem Umland an – Trotzdem sind die Händler in der Innenstadt nicht sorgenfrei

„Alle Wege in unserer Region führen nach Backnang.“ Mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein kommentiert Oberbürgermeister Frank Nopper die Ergebnisse der aktuellen IHK-Studie zum Einzelhandel in der Region. Tatsächlich zieht die Stadt noch immer viel Kaufkraft aus dem Umland an, doch die Sorgen der Händler nehmen zu: „Es gibt auch Defizite“, sagt Martin Windmüller vom Vorstand des Stadtmarketingvereins.

Backnanger Handel hat Sogwirkung

Die Backnanger Händler locken mit einem großen Angebot. Doch die Konkurrenz im Internet macht auch ihnen zu schaffen. Archivfoto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Für ihre Einzelhandelsstudie hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) 64 Städte und Gemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern in der Region Stuttgart unter die Lupe genommen. Ermittelt wurden jeweils die Umsätze der ortsansässigen Händler und die „einzelhandelsrelevante Kaufkraft“ der Bevölkerung. Das ist der Teil des Gesamteinkommens, den die Bürger in den Geschäften und beim Online-Shopping ausgeben. Der Vergleich beider Werte zeigt, ob eine Stadt Kundschaft aus dem Umland anzieht oder ob Kaufkraft abfließt.

Backnang gehört dabei traditionell zu den Einkaufsstädten mit Sogwirkung. Laut IHK-Studie liegt der Jahresumsatz der Backnanger Händler zurzeit bei insgesamt 383 Millionen Euro. Damit belegt die Murr-Metropole unter allen Einkaufsstädten in der Region Stuttgart den achten Platz, im Rems-Murr-Kreis wird nur in Fellbach mehr Geld im Einzelhandel umgesetzt (400 Millionen). Dass dafür nicht nur die Backnanger verantwortlich sind, zeigt der Blick auf die einzelhandelsrelevante Kaufkraft: Mit 269,9 Millionen liegt die Stadt hier nur auf Rang vier im Rems-Murr-Kreis hinter Waiblingen, Fellbach und Schorndorf.

„Es fehlen Angebote für jüngere Leute“

„Die Zahlen zeigen, dass die Einzelhändler in unserer Stadt ganz ungewöhnlich stark auf die Käufer aus dem Umland angewiesen sind“, erklärt Nopper. Ablesbar ist das auch an der sogenannten Zentralitätskennziffer, die den Einzelhandelsumsatz und die Kaufkraft ins Verhältnis setzt. Mit einem Indexwert von 162 ist Backnang hier führend im Rems-Murr-Kreis und belegt in der gesamten Region den dritten Platz. Vor zwei Jahren war Backnang hier sogar Spitzenreiter, inzwischen sind Sindelfingen und Ludwigsburg mit Kundenmagneten wie Breuningerland und Ikea jedoch vorbeigezogen.

Ein Grund für den hohen Zentralitätswert in Backnang sei die günstige Lage am Rand des Schwäbischen Waldes, erklärt Markus Beier, Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr. In den ländlichen Umlandgemeinden sind die Einkaufsmöglichkeiten meist überschaubar und Backnang die nächstgelegene Stadt mit einem umfangreicheren Warenangebot. Ein großer Teil des Umsatzes wird allerdings in den Einkaufsmärkten am Stadtrand gemacht, etwa bei Kaufland, Modepark Röther, Opti-Wohnwelt oder in den Baumärkten Toom und BayWa. Bei den Händlern in der Innenstadt ist von Euphorie hingegen nichts zu spüren. „Es wird schwieriger, die Erträge sind eher rückläufig“, sagt Einzelhändler Martin Windmüller, der im Vorstand des Stadtmarketingvereins sitzt.

Das größte Problem ist die wachsende Konkurrenz durch den Online-Handel. Die Auswirkungen sind in der Innenstadt schon an einigen Stellen sichtbar: Die Zahl der Leerstände ist zwar noch nicht dramatisch, aber sie nimmt zu, Traditionsgeschäfte wie Schuh Boss oder Elektro Burgel verschwinden, Nachfolger und Gründer fehlen. Das hat auch mit zum Teil überzogenen Mietforderungen der Hauseigentümer zu tun. Diese orientierten sich oft an den stark steigenden Wohnungsmieten, berichtet Simon Köder vom Stadtmarketing. Dabei würden die Mieten für Einzelhandelsflächen eher sinken. Für Jungunternehmer komme eine Gründung im stationären Einzelhandel daher oft nicht mehr infrage. Sie entschieden sich stattdessen für einen Online-Shop, bei dem Kosten und Risiko überschaubarer sind. Die Folgen sehe man bereits in der Backnanger Innenstadt, sagt Martin Windmüller: „Es fehlen Angebote für jüngere Leute.“ Die Einkaufsstraßen würden dominiert von Optikern und Hörgeräteakustikern.

Mit seiner Sogwirkung auf das Umland hat Backnang aber gute Voraussetzungen, auch künftig als Einkaufsstadt Erfolg zu haben. Ein wichtiger Faktor sei dabei die Erreichbarkeit, erklärt OB Nopper: „Wir müssen auch in Zukunft dafür sorgen, dass Backnang mit allen Verkehrsträgern gut erreichbar bleibt – mit dem Automobil und mit dem ÖPNV. Wir müssen den ÖPNV weiter stärken, ohne das Automobil zu schwächen.“

Einkaufen soll zum Erlebnis werden

Gut für den Einzelhandel ist auch, dass die Backnanger Bevölkerung weiter wachsen soll. Nopper verweist auf das Projekt Kronenhöfe, wo gerade in zentraler Innenstadtlage 45 neue Wohnungen und ein Hotel entstehen. Er verspricht sich von diesem Projekt einen „Vitalitätsschub“ für die Innenstadt. Mittelfristig sollen auf der Oberen Walke und im Quartier Backnang West noch jede Menge weitere Wohnungen entstehen.

Die Aussichten für die Händler seien deshalb durchaus positiv, glaubt Simon Köder. Zumindest für diejenigen, die bereit sind, sich den neuen Herausforderungen anzupassen. „Der Treffpunkt- und Erlebnischarakter der Innenstädte wird wichtiger werden“, prophezeit Köder. Die Bedeutung von Gastronomie und Dienstleistern werde zunehmen. Aber auch der Handel werde künftig noch gefragt sein. Allerdings genüge es nicht mehr, morgens die Ladentür aufzuschließen, sondern die Händler müssten den Einkauf zum Erlebnis machen. „Früher“, sagt Köder, „mussten die Leute in den Einzelhandel gehen, um ihren Bedarf zu decken. Heute müssen sie es wollen.“

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