Backnangerin wurde Opfer des Zugunglücks in Griechenland

Bei der tragischen Kollision zweier Züge in Griechenland sind auch zwei Frauen aus dem Rems-Murr-Kreis ums Leben gekommen. Evaggelia Koukariotou dos Santos Silva und ihre Schwester Chrisy Koukariotou wollten ihren Bruder in der Heimat besuchen und saßen im ersten Waggon.

Backnangerin wurde Opfer des Zugunglücks in Griechenland

Evaggelia Koukariotou dos Santos Silva (links) und ihre Schwester Chrisy Koukariotou wurden mitten aus dem Leben gerissen. Foto: privat

Von Matthias Nothstein

Backnang. Der Anruf weckte Fernando dos Santos um 2 Uhr morgens. Seine Tochter informierte den 64-jährigen Backnanger, dass ihre Mutter Evaggelia und ihre Tante Chrisy in dem Zug saßen, der auf der Fahrt von Athen nach Thessaloniki mit einem Güterzug kollidiert ist. Es war zu dieser Zeit schon klar, dass es etliche Todesopfer zu beklagen geben wird.

Noch in der Nacht fuhren Fernando dos Santos Silva und seine beiden Töchter nach Frankfurt und buchten den ersten Flug nach Thessaloniki. Trotzdem dauerte die Unsicherheit über das Schicksal ihrer Lieben noch viele, viele Stunden, bis es eine übereinstimmende DNA gab. Erst nach drei Tagen stand fest: Zu den 57 Toten zählen auch die beiden Frauen aus Backnang. Zwar konnten aus den völlig ausgebrannten und verkohlten Waggons keine Leichen im üblichen Sinne geborgen werden, aber aufgrund der Fahrkarten konnte nachvollzogen werden, dass die beiden Schwestern im ersten Waggon des Zuges gesessen haben mussten. Und dort hatte kein Passagier auch nur den Hauch einer Überlebenschance.

Das Paar hatte sich auf den Ruhestand gefreut

Fernando dos Santos ist am Boden zerstört. Er berichtet, wie sehr sich seine Frau und er auf den gemeinsamen Ruhestand gefreut hatten. Sie hatte über 40 Jahre lang bei der Firma Bosch gearbeitet, bevor sie sich im vergangenen Jahr in die Altersteilzeit verabschiedet hatte. Und auch der 64-Jährige, der seit vielen Jahren bei Höfliger arbeitet, sah voller Vorfreude auf den bevorstehenden Ruhestand. Fernando dos Santos schildert die tragischen Umstände rund um die letzten Tage seiner Lieben. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass seine Frau und deren Schwester Chrisy in ihr Heimatdorf Adriani Drama fahren, um sich dort mit ihrem Bruder zu treffen. Er wollte aus Athen in die Heimat anreisen, erfuhr aber auf halber Strecke, dass seine erkrankte Cousine in Athen gestorben war. Und so kehrte er nach Athen zurück. Die beiden Schwestern nahmen ebenfalls den Zug in die Landeshauptstadt, um an der Beerdigung teilzunehmen. Zu der Katastrophe kam es, als die beiden Schwestern wieder zurück nach Thessaloniki wollten.

Das letzte Telefonat fand noch im Unglückszug statt

Ursprünglich geplant war, dass auch Fernando dos Santos Anfang März nach Adriani Drama kommt; seine Frau hatte für die Zeit nach ihrem Heimatbesuch eine Woche Urlaub mit ihm gebucht. „Es sollte eine Überraschung für mich sein; ich weiß heute noch nicht, wohin es gehen sollte“, so der Witwer. Immer wieder im Laufe des Gesprächs stockt ihm die Sprache, „es ist alles so unwirklich“, sagt er. „Ich denke die ganze Zeit, jetzt klingelt das Telefon und meine Frau ruft an.“ Das letzte Telefonat haben die beiden noch im Unglückszug miteinander geführt. Seit 1980 und damit seit 43 Jahren sind sie miteinander verheiratet gewesen und haben zwei Töchter im Alter von 39 und 31 Jahren sowie einen sechsjährigen Enkel, der der Augapfel der jungen Oma war. Fernando dos Santos steht vor seinem gepflegten Haus und weist wortlos nach hinten: „Ich will und kann hier nicht mehr leben. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“

Heute findet eine Trauerfeier statt

Auch Chrisy Koukariotou hatte einen Bezug zu Backnang. Die 55-Jährige wuchs mit ihrer Schwester in Winnenden auf, bevor sie als junge Frau nach Griechenland zurückkehrte, um zu studieren. Vor vier Jahren kehrte die Mutter mit ihrer Tochter nach Deutschland zurück und bezog ganz in der Nähe ihrer Schwester eine Wohnung in Backnang. Erst vor einem halben Jahr zog sie nochmals um nach Kernen.

Die beiden Schwestern wurden dieser Tage im Grab ihrer Eltern in der Heimat beigesetzt. In Backnang findet heute um 15 Uhr in der orthodoxen Kirche im Seefeld 4 ein Gedenkgottesdienst statt, zu dem die vielen Bekannten und Verwandten aus dem Raum Backnang kommen können. Die Familie dos Santos wird dann erneut nach Griechenland fahren, wo traditionell 40 Tage nach dem Todesfall die Trauerfeier für die Verstorbenen stattfinden wird.