Grüne: Kohleausstiegsgesetz erstickt Elan der Energiewende

dpa/lsw Stuttgart. Inakzeptabel, unfair, absurd: Der vom Bund geplante Kohleausstieg stößt in seiner jetzigen Form im Südwesten auf Kritik und Widerstand. Die Landesregierung will in Berlin auf Änderungen drängen.

Grüne: Kohleausstiegsgesetz erstickt Elan der Energiewende

Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, spricht während der 110. Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Die Landesregierung will sich sowohl im Bundesrat als auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel für Änderungen am Kohleausstiegsgesetz einsetzen. In der jetzigen Fassung werde der Südwesten durch das geplante Gesetz massiv und systematisch benachteiligt, sagten Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller (beide Grüne) am Mittwoch in Stuttgart nach einem Treffen mit den Energie-Unternehmen des Landes.

„Alte Braunkohlekraftwerke kommen beim Ausstieg besser weg als unsere neuen Steinkohlekraftwerke“, sagte Untersteller. Die klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke sollen erst später stillgelegt werden. Das soll durch einen vorzeitigen Ausstieg aus der nach Unterstellers Worten „ökologisch zumindest etwas besseren Steinkohle“ kompensiert werden. „Das ist klimaschädlicher, teuer und nachteilig für die Versorgungssicherheit bei uns im Land“, kritisierte der Minister.

Für die Abschaltung von Steinkohlekraftwerken soll es dem Gesetz zufolge nur bis zum Jahr 2026 Entschädigungen geben - danach können sie zwangsabgeschaltet werden. Die Abschaltung bis 2026 aber ist im Südwesten allein schon wegen der Fernwärme so schnell nicht möglich, argumentieren die Energieversorger. „Wir brauchen konventionelle Leistung als Back-Up“, sagt etwa EnBW-Chef Frank Mastiaux. Diese Leistung könne zwar auch mit Gas vorgehalten werden, aber die entsprechende Infrastruktur bereitzustellen, dauere bis 2028.

Kretschmann warnte, Berlin laufe Gefahr, den Elan der Energiewende zu ersticken. Er wolle sich an Kanzlerin Merkel wenden: „Die Bundeskanzlerin ist Naturwissenschaftlerin und damit rationalen Argumenten zugänglich.“ Es gelte, die übermäßige Belastung der Steinkohle zu verhindern, Rechtssicherheit für die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken zu schaffen und es den Energieversorgern zu ermöglichen, den Umstieg von Steinkohlekraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung auf regenerative Energien oder Gas wirtschaftlich umzusetzen.

Kritik gab es aus Opposition: „Ministerpräsident Kretschmann muss sich die Frage gefallen lassen, warum Baden-Württemberg - anders als andere Bundesländer - offenbar einmal mehr am Katzentisch sitzt, und die Interessen der baden-württembergischen Unternehmen und Beschäftigten keine Berücksichtigung finden“, sagte SPD-Wirtschaftsexperte Boris Weirauch.

Die Umweltschutz-Organisation BUND kritisierte, mit dem Neubau von Kohlekraftwerksblöcken in Karlsruhe und Mannheim in den Jahren 2014 und 2015 hätten die Energie-Unternehmen weiter auf Steinkohle gesetzt, obwohl sie seit Jahrzehnte wüssten, wie schädliche diese Form der Stromerzeugung sei, sagte BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch. „Was wir brauchen, sind klare Vorgaben aus der Politik.“ Die Rechenspiele, welches Kraftwerk nun schädlicher sei, verwischten das eigentliche Problem.