Bande soll Vietnamesen in Nagelstudios ausgebeutet haben

dpa/lnw Münster. In neun Nagelstudios in NRW soll es Zwangsarbeit gegeben haben. Illegal eingeschleuste Vietnamesen mussten Ermittlungen zufolge 60 Stunden pro Woche arbeiten. Dies wirft die Staatsanwaltschaft einer mutmaßlichen Bande vor. Am Mittwoch gab es eine große Razzia.

Bande soll Vietnamesen in Nagelstudios ausgebeutet haben

Streifenwagen fahren über eine Straße. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/Archivbild

Eine sechsköpfige Bande soll in großem Stil Vietnamesen nach Deutschland eingeschleust und in Nagelstudios in Nordrhein-Westfalen ausgebeutet haben. Die Männer und Frauen mussten sechs Tage die Woche täglich zehn Stunden arbeiten, wie die Staatsanwaltschaft Münster am Donnerstag mitteilte. In den Geschäften sollen sie unter anderem durch Videoüberwachung kontrolliert worden sein. Die Studios wurden unter anderem in Münster, Dülmen, Greven, Kleve, Paderborn und Troisdorf betrieben. Die sechs Beschuldigten wurden festgenommen.

Die Ermittler halten es für möglich, dass die Arbeiter für ihre Schleusung zwischen 5000 und 25 000 US-Dollar bezahlen mussten, die sie dann abzuarbeiten hatten. Die Arbeiter seien zum Teil in angemieteten, sehr schlicht gehaltenen Unterkünften in Münster, Dülmen, Greven, Kleve und Troisdorf notdürftig untergebracht worden. Nach ersten Erkenntnissen sollen sie dort keine Privatsphäre gehabt haben. Der Sozialversicherungsschaden wird auf mindestens 1,9 Millionen Euro geschätzt.

Bei den sechs Beschuldigten handelt es sich um vier Männer und zwei Frauen im Alter von 28 bis 54 Jahren. Sie wurden bei einer groß angelegten Razzia am Mittwoch in Nordrhein-Westfalen und im baden-württembergischen Rottweil festgenommen. Alle stammen aus Vietnam. Darunter seien zwei Brüder aus Münster, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Alle sechs sollten am Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt werden. Ihnen werden unter anderem gewerbs- und bandenmäßiger Menschenhandel sowie Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft vorgeworfen.

Die Razzia hatte am Mittwochnachmittag begonnen. Rund 400 Beamte von Zoll, Landes- und Bundespolizei, Steuerfahndung sowie 14 Staatsanwälte waren beteiligt. Durchsucht wurden neun Studios, Privatwohnungen und die Unterkünfte. In den Nagelstudios und Unterkünften trafen die Ermittler mindestens zehn Menschen an, die sich möglicherweise illegal in Deutschland aufhalten. Sie wurden vorläufig festgenommen. Bei den Durchsuchungen wurde unter anderem 300 000 Euro Bargeld sichergestellt.

Die Bande soll in den vergangenen Jahren mindestens 50 Männer und Frauen durch Zusammenarbeit mit professionellen Schleusern über Osteuropa nach Deutschland gebracht haben. Etwa gleich viele Menschen, die sich bereits illegal im Land aufhielten, sollen von den Beschuldigten ebenfalls beschäftigt worden sein. Seit wann genau die Bande besteht, sei noch Gegenstand der Ermittlungen, hieß es. Der Betrieb der Nagelstudios habe 2011 begonnen, sagte der Sprecher.

Den Angaben zufolge erhielten die Beschäftigten weder Sozial- noch Krankenversicherungsschutz und auch nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Arbeiter sich in Deutschland wegen fehlender Deutschkenntnisse im Wesentlichen in ihren Unterkünften oder in den Arbeitsstellen aufhielten.

Die Beschuldigten hätten die persönliche und wirtschaftliche Zwangslage sowie die Hilflosigkeit der vietnamesischen Arbeitnehmer für eigene wirtschaftliche Zwecke ausgenutzt, hieß es. Die Läden seien dabei zum Teil durch Strohmänner betrieben worden. Die Einnahmen sollen die Beschuldigten ins Ausland, vor allem nach Vietnam, überwiesen haben.