Barrierefreie Touren bleiben im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald auf der Agenda

Beim Projekt „Inklusive Wanderbotschafter/-innen“ haben gehbehinderte Menschen Strecken im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald getestet. So wurden zwölf geeignete Wanderwege aus der Taufe gehoben. Nun möchten Initiatoren und Partner das Vorhaben fortsetzen.

Barrierefreie Touren bleiben im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald auf der Agenda

Eine Aufnahme aus Zeiten der ersten Projektphase im Juni 2020 auf der verlängerten Olgastraße in Berglen-Ödernhardt (von links): Damaliger Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, Ines Vorberg, Andrea Bofinger, die das Projekt in dieser Zeit mitbegleitet hat, Simon Maier und Maximilian Friedrich, zu dieser Zeit noch Bürgermeister von Berglen. Foto: Benjamin Beytekin

Von Christine Schick

Murrhardt. Jasmin Kotrba, die im Naturparkteam für Erholung und nachhaltigen Tourismus zuständig ist, erzählt bei einem Online-Treffen von Projektpartnern und Gästen, dass sie vor einiger Zeit mit einer Gruppe der Wohnstätte Rudersberg, die unter der Regie des Vereins für Behinderte Schorndorf läuft, unterwegs war. Der Ausflug auf einem der neuen inklusiven Wanderwege, dem Bühlhauweg in Althütte, hat bleibenden Eindruck hinterlassen, insbesondere „wie die Natur auf uns alle gewirkt hat, daran denke ich gerne zurück“.

Das Projekt „Inklusive Wanderbotschafter/-innen im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald“ hat nach rund vierjähriger Zusammenarbeit verschiedener Akteure – Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter, Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald, Kreisjugendring Rems-Murr sowie Aktion Mensch als Förderer – Anfang 2021 insgesamt zwölf barrierefreie Touren vorgelegt. Die Flyer sind im Naturparkzentrum erhältlich. Genauso können die Wanderwege in insgesamt neun Kommunen des Naturparks über das System Q-Vadis (siehe Infokasten) aufs Handy geladen werden. Sie sind ein Angebot an gehbehinderte Menschen, Natur zu erleben, im Idealfall auch in Form eines inklusiven Miteinanders.

Mehr Wanderlust durch die Coronapandemie

Projektleiterin Ines Vorberg vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter freut sich über die große Nachfrage nach den Prospekten der zwölf Routen, die Bestätigung und Ansporn zugleich ist. „Es gab Zeiten, in denen es eine Herausforderung war, die vielen angeforderten Flyer per Post auf den Weg zu bringen“, berichtet sie. Zwar hat Corona der Projektarbeit gewisse Hürden auferlegt, doch gleichzeitig hat die Situation das Unterwegssein in der Natur befördert und könnte ein Faktor für das gestiegene Interesse an neuen Wegen sein.

Das Thema Inklusion hatte schon bei Karl-Dieter Diemers Vorgänger, dem damaligen Naturparkgeschäftsführer Bernhard Drixler, einen großen Stellenwert im Sinne eines Naturparks für alle. Seine Vision damals war, für jede der 48 Städte und Gemeinden, die Mitglied im Naturpark sind, zumindest eine geeignete Route auszuweisen. Ob das gelingt, muss zunächst einmal offenbleiben. Fest steht aber, dass sich die Netzwerkpartner nach dem Projektabschluss 2021 nun wieder auf den Weg machen (wir berichteten).

Das Vorhaben geht in eine zweite Runde und Ines Vorberg ruft Ziele und Erreichtes in Erinnerung. „Es gab auch zuvor schon Routen, aber die waren in der Regel mit zwölf bis 15 Kilometern viel zu lang“, sagt sie. Die Initiatorinnen und Initiatoren kamen überein, sich auf eine bestimmte Zielgruppe in Bezug auf die Barrierefreiheit zu konzentrieren, nämlich auf mobilitätseingeschränkte Menschen. Wege beispielsweise auch für Blinde oder Gehörlose auszubaldowern und auszuweisen hätte die Möglichkeiten sehr stark eingeschränkt.

Auch für Ältere und Eltern mit Kinderwagen interessant

Routen für Gehbehinderte sprechen eine durchaus große Zielgruppe an, da in diese auch Ältere oder Eltern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind, fallen. Die Beteiligten haben feste Kriterien für die Strecken erarbeitet. Dazu zählen beispielsweise eine maximale Streckenlänge von fünf Kilometern, maximal drei Prozent Steigung und 30 Höhenmeter. Zudem muss der Startpunkt von einem behindertengerechten Parkplatz aus möglich sein, in dessen Nähe sich eine geeignete Toilette und/oder ein Gastronomiebetrieb mit barrierefreiem Zugang befindet. Start- und Endpunkt sollen ebenso mit öffentlichen Verkehrsmitteln barrierefrei erreichbar sein.

Ob die Routen auch ganz konkret für gehbehinderte Menschen funktionieren, die beispielsweise auf den Rollstuhl, Rollator oder auch auf Begleitpersonen angewiesen sind, haben die damaligen Wanderbotschafterinnen und -botschafter getestet. Das ist auch künftig erklärtes Ziel. „Das gibt uns einfach auch Sicherheit. Wenn man selbst nicht im Rollstuhl unterwegs ist, weiß man nicht immer, auf was es ankommt“, sagt Jasmin Kotrba. Aktuell hat sie beispielsweise einen Tourenvorschlag von Patrizia Rall, Bürgermeisterin von Allmersbach im Tal, erhalten.

Überprüfung der Strecken

Nach der Digitalisierung des Kartenausschnitts, der dann für die verschiedenen Geräte lesbar ist, heißt es die Kriterien abzuklopfen und die Wanderbotschafterinnen und -botschafter ins Boot zu holen, die dann die Strecke überprüfen. Sie bekommen einen Testbogen an die Hand, nach dem sie vorgehen. Und genau diese Prüferinnen und Prüfer braucht es nun für den Neustart wieder – egal ob sie bereits mitgewirkt haben oder neu dazustoßen möchten.

Simon Maier vom Kreisjugendring Rems-Murr hat das Projekt schon zu Beginn 2018 auch ganz konkret in diesem Sinne unterstützt – er ist selbst auf den Rollstuhl angewiesen. Der langjährige Mitarbeiter des Kreisjugendrings macht zudem deutlich, dass die Vernetzung und der Austausch der Partner untereinander wertvoll und wichtig ist. Als Inklusionsreferent betreut er beispielsweise auch das Projekt „Outdoor inklusiv“. Es möchte Jugendliche mit und ohne Behinderung über erlebnispädagogische Angebote zusammenbringen. Vor diesem Hintergrund kann er seine Erfahrung auf fachlicher und persönlicher Ebene einbringen.

Ebenso angekommen ist die Thematik Barrierefreiheit in der Leader-Region Schwäbischer Wald, was Johannes Ernst von der Leader-Geschäftsstelle in Murrhardt unterstreicht. Aktuell werde das Projekt vom Naturpark gefördert, aber für weitere Vorhaben in der Region solle ein barrierefreier Zugang ein bedeutendes Ziel und Förderkriterium bleiben. Zwar befindet sich die Leader-Region gerade in der Neubewerbung als Förderkulisse. Allerdings hoffen Johannes Ernst und Andrea Bofinger mit den vielen Beteiligten, dass sie den Zuschlag erhalten und dass damit wieder verschiedenste Vorhaben auch unter diesem Vorzeichen unterstützt werden können.

Das Team freut sich über erfahrene und neue Wanderbotschafterinnen und -botschafter

Lebensqualität Naturparkgeschäftsführer Karl-Dieter Diemer freute sich, der Runde noch auf den Weg mitgeben zu können, dass das Projekt zudem in der Landesschau vorgestellt wird. Ein SWR-Fernsehteam hat Ines Vorberg und Jasmin Kotrba begleitet. Dienstagabend informierte der Beitrag über die inklusiven Wanderbotschafterinnen und -botschafter: Ines Vorberg stellt fest, dass Ausflüge in der Natur für sie schlichtweg Lebensqualität bedeuten und sich nicht mit einem Balkon oder einer Terrasse kompensieren lassen. Klar wird außerdem, wie ein Weg eben nicht aussehen kann, nämlich steil und mit Hindernissen wie Tannenzapfen oder aus der Erde ragenden Wurzeln.

Projektbeginn Anfang 2018 startete der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter das Projekt „Inklusive Wanderbotschafter/-innen“, gefördert von der Aktion Mensch. Die Grundidee: Ehrenamtliche Wanderbotschafterinnen und -botschafter testen und bewerten Wege im Naturpark, die künftig für mobilitätseingeschränkte Menschen angeboten und ausgeschildert werden. Die Strecken soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, insbesondere mit eingeschränkter Mobilität, in Bezug auf Freizeit und Naturerlebnisse ermöglichen.

Routen Die zwölf ausgewiesenen Wanderwege finden sich im Internet auf https://q-vadis-schwaebischerwald.com. Die Touren und weitere Infos können dort heruntergeladen werden. Die Strecken erfüllen bestimmte Grundkriterien. Zudem gibt es eine Einteilung in Schwierigkeitsstufen, die sich auf die Anforderung an die Begleitpersonen bezieht (keine bis hohe).

Ehrenamtliche Gesucht sind Wanderbotschafterinnen und -botschafter, die im handbetriebenen oder elektrischen Rollstuhl, mit dem Handbike oder Rollator unterwegs sind, deren Begleitpersonen sowie Vereine und Fachkräfte aus dem Naturparkgebiet, die in diesem Kontext tätig sind. Wer Interesse hat, kann sich bei Jasmin Kotrba vom Naturparkteam unter Telefon 07192/9789005 oder per E-Mail an jasmin.kotrba@naturpark-sfw.de melden.