Bau des größten Rückhaltebeckens im Murrtal startet

Nach jahrelanger Planung fand gestern der offizielle Startschuss für das Hochwasserrückhaltebecken Oppenweiler statt. Zum Spatenstich des 20-Millionen-Euro-Projekts kamen Regierungspräsidentin Susanne Bay und Staatssekretär Andre Baumann. Bis 2026 soll das Becken fertig sein.

Bau des größten Rückhaltebeckens im Murrtal startet

Zum Spatenstich kamen unter anderem (von rechts) Staatssekretär Andre Baumann, Regierungspräsidentin Susanne Bay, Michael Matern vom Bauunternehmen Rossaro, Oppenweilers Bürgermeister Bernhard Bühler, Backnangs OB Maximilian Friedrich und Rüdiger Koch. Fotos: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Oppenweiler. Während die Murr mit einem Pegelstand von nur 17 Zentimetern – also Niedrigwasser – friedlich vor sich hin plätschert, haben sich gestern Vertreter des Regierungspräsidiums, des Landratsamts und der Kommunen aus dem Murrtal bei der Rüflensmühle in Oppenweiler getroffen, um sich auf genau das Gegenteil von Niedrigwasser vorzubereiten. Nach jahrelanger Planung fand bei der Rüflensmühle der Startschuss für das wohl wichtigste und größte Hochwasserschutzprojekt im Murrtal statt: der Spatenstich für den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens (HRB) Oppenweiler. Mit dem ersten Bauabschnitt, der Verlegung des Wirtschafts- und Radwegs, startet offiziell der Bau des Beckens.

Im Murrtal wisse man, was passieren kann, wenn die Murr nicht mehr nur plätschert, sondern ihr „böses Gesicht“ zeigt, wie es Bernhard Bühler, Bürgermeister von Oppenweiler und Vorstand des Wasserverbands Murrtal bei der Begrüßung der zahlreichen Gäste ausdrückt. Seit dem Hochwasser 2011, das in Backnang und Oppenweiler große Schäden angerichtet hat, sei zwar viel in den innerörtlichen Hochwasserschutz investiert worden, „aber für ein 100-jähriges Hochwasser plus Klimazuschlag sind wir noch nicht bereit“, sagt Bühler. Das soll sich durch den Bau des HRB Oppenweiler ändern. Im Falle eines schweren Hochwassers soll hier das Wasser der Murr auf einer großen Fläche bestehend aus Feldern und Wiesen gestaut werden, sodass es in den flussabwärts liegenden Gemeinden keine Schäden anrichten kann. Das Becken hat ein Gesamt-Rückhaltevolumen von 850000 Kubikmetern, also eine Einstaufläche, die mit der Größe des Breitenauer Sees vergleichbar ist. Das Dammbauwerk soll eine Länge von 920 Metern haben und zum Teil bis zu sechs Meter über der Talsohle liegen.

Mit Rückhaltebecken auf extreme Hochwasserereignisse vorbereitet

Das besondere am HRB Oppenweiler ist aber nicht nur seine Größe, sondern auch, dass die Staufläche direkt von der Murr durchströmt wird. Dafür wird der Verlauf der Murr auf einer Länge von etwa 600 Metern verlegt. Außerdem wurde die Wasserkraftanlage der Rüflensmühle mit eingebunden, was den Bau eines sogenannten Schlauchwehr erforderlich machen wird. Darüber kann genug Wasser für den Betrieb der Wasserkraftanlage abgeleitet werden. Am teuersten und aufwendigsten wird allerdings das Durchlassbauwerk (siehe Infokasten). Im Falle eines Hochwassers kann hier das Wasser der Murr gestaut werden. „Erst mit diesem Becken ist die Stadt Backnang hochwasserfrei“, betont auch OB Maximilian Friedrich die Bedeutung des HRB Oppenweiler. Der Spatenstich sei der Startschuss für ein Projekt mit „wirklich großem gesellschaftlichen Nutzen“, so Friedrich.

„Zukünftig müssen wir uns vermehrt auf extreme Wetterereignisse vorbereiten und jeder in den technischen Hochwasserschutz investierte Euro, sorgt für mehr Sicherheit vor den großen Schäden, die ein Hochwasser verursachen kann“, sagt Regierungspräsidentin Susanne Bay beim gestrigen Spatenstich in Oppenweiler. „Ich freue mich, dass nach vielen Jahren der Planung das Hochwasserrückhaltebecken realisiert werden kann.“ Tatsächlich steckt jahrelange Planungsarbeit in dem Großprojekt. Wie kompliziert das zu koordinieren war, zeigt sich schon allein an den vielen verschiednen Ämtern, Planungs- und Ingenieurbüros und Gutachtern, die im Laufe der Jahre beteiligt waren und von denen auch viele zum Spatenstich erschienen sind. Zahlreiche Aspekte und Belange unterschiedlicher Gruppen mussten bedacht werden. So zum Beispiel Natur- und Artenschutz, Gewässerökologie, Bau- und Betriebskosten, Planungssicherheit, Straßenbau, Bahnstrecke, Wasserkraftwerk, Anwohner und mehr.

Becken Oppenweiler wird rund 20,4 Millionen Euro kosten

Seit 2008 arbeitet der Wasserverband Murrtal – bestehend aus Backnang, Murrhardt, Sulzbach an der Murr und Oppenweiler – an dem Ziel den Hochwasserschutz im Murrtal nachhaltig zu verbessern. „Hochwasser endet nicht an den Gemarkungsgrenzen, letztlich ist es auch nur durch ein abgestimmtes Vorgehen zu bewältigen“, betont Bühler, der aktuelle Vorstand des Wasserverbands Murrtal. Neben innerörtlichen Hochwasserschutzprojekten stehen besonders die fünf Hochwasserrückhaltebecken im Fokus (wir berichteten). Das HRB Oppenweiler war von Beginn an das wichtige und größte Einzelprojekt. Das zeigt sich auch an den Kosten: Aktuell gehen die Verantwortlichen von etwa 20,4 Millionen Euro aus. Davon trägt das Land als Bauherr allerdings 70 Prozent, die restlichen 30 Prozent liegen bei Backnang und Oppenweiler.

„Das Hochwasserrückhaltebecken zu bauen ist gut investiertes Geld. Das Klima ändert sich und wir müssen uns auf den Krisenfall vorbereiten“, sagt Andre Baumann, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft beim Spatenstich. Die Landesregierung sei sich ihrer Verantwortung bewusst und habe die Mittel für Hochwasserschutzmaßnahmen in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert. „Das Land gibt jährlich mehr als 80 Millionen Euro für Hochwasserschutzmaßnahmen aus, um Menschen und Sachgüter bestmöglich zu schützen“, hob Baumann hervor. Mit dem Baubeginn des überörtlich wirkenden HRB Oppenweiler sei nun ein wesentlicher Meilenstein erreicht. Einen hundertprozentigen Schutz gebe es allerdings trotzdem nicht, aber schon eine umfassende Hochwasservorsorge durch Apps wie zum Beispiel „Meine Pegel“ und Hinweiskarten könne Bürgerinnen und Bürger schützen.

Flurbereinigung in dem Gebiet läuft aktuell

Während des Baus läuft aktuell außerdem ein Flurbereinigungsverfahren. Denn durch den Bau des HRB gibt es zwangsläufig abgeschnittene Wege und Restgrundstücke, die nicht mehr sinnvoll bewirtschaftet werden können, das teilt das Landratsamt mit. Von der Neuordnung sind auf einer Fläche von etwa 80 Hektar 55 Eigentümer beteiligt, die rund 220 Flurstücke einbringen. „Für die Grundstückseigentümer entstehen keine Kosten und es wird kein Flächenabzug erforderlich“, betont das Landratsamt.

Der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Oppenweiler

Bauabschnitte Im April diesen Jahres erteilte das Landratsamt Rems-Murr als untere Wasserbehörde die Genehmigung zur Ausführung. Dafür gab es noch einige Änderungen des Plans von 2017, zum Beispiel kleinere Umplanungen, eine für die Haselmaus geplanten Ausgleichsmaßnahme sowie erforderliche Neukonstruktionen und Optimierungen des Dammbauwerks, des Durchlassbauwerks und des Schlauchwehrs. Die Gesamtmaßnahme ist in vier Bauabschnitte aufgeteilt.

Radweg Im ersten Bauabschnitt wird der Rad- und Wirtschaftsweg von der Murr zur Bahnlinie hin verlegt. Mit den Arbeiten wurde Ende August begonnen. Die Kosten allein für diesen Abschnitt betragen ungefähr eine Million Euro. Bis November diesen Jahres sollen die Arbeiten am Weg abgeschlossen sein.

Durchlassbauwerk Der zweite Abschnitt, der Bau des sogenannten Durchlassbauwerks, soll im Zeitraum 2023 bis 2025 stattfinden. Auch aufgrund der technischen Ausstattung handelt es sich um den teuersten Abschnitt, etwa 10,6 Millionen wird es kosten.

Schlauchwehr Der dritte Bauabschnitt soll zum Teil parallel zum zweiten Bauabschnitt erfolgen. Es handelt sich um den Bau des Schlauchwehrs, der 2023 bis Ende 2024 geplant ist. Die Baukosten dafür belaufen sich auf rund 3,2 Millionen Euro.

Damm Zuletzt kommt der vierte Bauabschnitt, nämlich der eigentliche Damm. Er wird zwischen 2024 bis 2026 aufgebaut.

Baunebenkosten Außerdem belaufen sich die Baunebenkosten auf rund 3 Millionen Euro, zusätzlich gibt es weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel die Verlegung von Stromleitungen und Gutachten, die 1,2 Millionen Euro kosten werden.