Opposition zerpflückt die grün-schwarzen Haushaltspläne

dpa/lsw Stuttgart. Für die einen ist er der Grundstein für eine gute Zukunft, für die anderen verbaut er sie: der Landeshaushalt 2022. Die grün-schwarzen Ausgabenpläne entzweien die Gemüter.

Opposition zerpflückt die grün-schwarzen Haushaltspläne

Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister, spricht bei einer Landtagssitzung. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Die Haushaltspläne der grün-schwarzen Landesregierung für das kommende Jahr stoßen auf heftigen Widerstand der Opposition. FDP, SPD und AfD warfen den Regierungsparteien am Mittwoch bei der Debatte über den Haushalt im Landtag in Stuttgart Taschenspielertricks vor. Man habe über den Nachtragsetat für den Doppelhaushalt 2020/2021 neue Kredite aufgenommen, um sich nun schuldenfrei präsentieren zu können, kritisierte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. „Bemerkenswert, für wie dumm die Koalition die Menschen im Land hält“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Stoch sprach von einem „Haushalt der Ideenlosigkeit“: Grün-Schwarz fehlt es aus Sicht der Sozialdemokraten nämlich nicht am Geld, sondern an Ideen. Stoch forderte mehr Ausgaben etwa für die Bildung. Das geplante 365-Euro-Ticket für Jugendliche müsse auf Senioren und andere Personen ausgeweitet werden. Baden-Württemberg gehe es besser als jedem anderen Land in Deutschland, aber die Regierung nutze den Spielraum nicht aus. „Packen Sie endlich den Bagger aus!“

Die Kritik der FDP geht in eine andere Richtung, aber auch die Liberalen zeigen sich unzufrieden mit den Haushaltsplänen. Rülke kritisierte das Anwachsen des Haushaltsumfangs und die Aufblähung des Regierungsapparats. Dieser sei seit 2011 von 2900 auf jetzt 4000 Stellen angewachsen. Die grün-schwarze Koalition nutze die Pandemie, „um unter ihrem Deckmantel immer mehr Schulden zu machen“. Es brauche echte Investitionen statt immer mehr konsumtiver Ausgaben. Laut AfD-Fraktionschef Bernd Gögel lebe die Regierung von der Substanz und setze aufs Spiel, was zwei Generationen aufgebaut haben.

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sprach hingegen von einem „Haushalt des Übergangs“. Die sich wieder zuspitzende Corona-Krise erfordere ausreichend Rücklagen, etwa für die Corona-Auffrischungsimpfungen. Bayaz führte zudem die Abschlüsse der Tarifverhandlungen sowie die steigenden Flüchtlingszahlen und den Unterstützungsbedarf der Kommunen als Haushaltsrisiken an. Ein großer Teil der Ausgabereste seien zweckgebunden, es liege kein Geld herum.

Bayaz wehrte sich gegen Vorwürfe der FDP, die Regierung würde den Haushalt immer weiter aufblähen. Es sei weder ehrlich noch seriös, einfach die absoluten Zahlen zu betrachten, sagte er in der Debatte. „Ein Landeshaushalt bewegt sich ja nicht im luftleeren Raum.“ Das formale Haushaltsvolumen habe sich im Südwesten seit 2012 zwar um gut 40 Prozent vergrößert. Aber auch die Wirtschaftsleistung sei in dem Zeitraum um 35 Prozent gestiegen, die Steuereinnahmen um 33 Prozent. „Der gewachsene Haushalt ist Ausdruck der erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Land.“ Ein starkes Land wie Baden-Württemberg sei auf öffentliche Institutionen angewiesen.

Der Entwurf für den Haushalt 2022 sieht vor, dass die Regierung im nächsten Jahr keine neuen Schulden aufnimmt und knapp eine halbe Milliarde Euro der Corona-Kredite tilgen will. Zudem will Grün-Schwarz rund 915 Millionen Euro investieren - der Großteil der Ausgaben fließt in schon länger festgelegte politische Projekte. Mit 130 Millionen Euro sollen Bildungsrückstände an den Schulen bekämpft werden. Mehr als 50 Millionen Euro sollen in den Klimaschutz fließen, 160 Millionen Euro in die Sanierung von Landesstraßen und Brücken.

Für die Opposition setzt die Regierung inhaltlich die falschen Prioritäten. So würden alle Felder der „Klimareligion“ unterworfen, kritisierte Gögel. Auch die grellgelbe Imagekampagne des Landes mit dem Titel „Baden-Württemberg - The Länd“ geriet in der Haushaltsdebatte ins Fadenkreuz der Kritik. Damit will das Land ausländische Fachkräfte anlocken. Ins Land locken könne man die eher mit einer Abschaffung der Studiengebühren für ausländische Studenten, sagte Stoch. Die für die Kampagne aufgebrachten 21 Millionen Euro seien schon die Hälfte des Betrags, der für die Abschaffung der Studiengebühren nötig sei.

Die Regierung spare im Haushaltsplan beim Antisemitismusbeauftragten und bei den Lehrerstellen, gebe aber mehr als 20 Millionen für die Kampagne aus, kritisierte Rülke. Er stellte zugleich in Frage, warum die Regierung ganz Baden-Württemberg plakatieren lasse, wenn man doch Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen wolle.

Und was sagen Lehrer und Polizisten?

Die Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Monika Stein, sprach am Mittwoch von einer „großen Enttäuschung für alle Bildungspolitiker*innen“. Der Haushalt werde das bisher gute Ansehen von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) stark beschädigen. Schopper war zuvor mit ihren Wünschen für Hunderte weitere Stellen abgeblitzt. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft zeigte sich enttäuscht. Landeschef Ralf Kusterer monierte, dass ab 2022 Tarifbeschäftigte der Polizei, die in den Ruhestand gehen, nicht ersetzt würden. Das führe zu Einschnitten bei der inneren Sicherheit. Tausende Beschäftigte fehlten bei der Polizei.

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