Bayerns Grenzpolizei teils verfassungswidrig

dpa München. Dass die Aufgaben einer Polizeieinheit nach Ansicht der Justiz teils gegen geltendes Recht verstoßen, passiert nicht alle Tage. Gleichwohl sieht die Regierung ihren Kurs bestätigt.

Bayerns Grenzpolizei teils verfassungswidrig

Eingang des Bayerischen Verfassungsgerichts im Justizpalast in München. (Symbolbild). Foto: picture alliance / dpa

Die Rechtsgrundlage für die vor zwei Jahren wiedereingeführte bayerische Grenzpolizei verstößt teilweise gegen die Verfassung. Das teilte der bayerische Verfassungsgerichtshof am Freitag bei der Urteilsverkündung in München mit.

Zugleich betonte Gerichtspräsident Peter Küspert, dass es keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der generellen Wiedereinführung der Grenzpolizei gebe. Einzig die in Artikel 29 des Polizeiaufgabengesetzes beschriebenen Aufgaben würden in Teilen gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Denn der unmittelbare Grenzschutz sei einzig Aufgabe des Bundes.

Für die Kläger, die Landtagsfraktion der Grünen, und ihre Vorsitzende Katharina Schulze ist das Urteil trotz der Differenzierung ein Erfolg: „Jetzt darf Markus Söder zwar das weiterhin bayerische Grenzpolizei nennen“, sagte sie nach der Verkündung in München. Diese sei aber „nur noch eine leere Hülle, weil all das, was er will, was diese Polizei hätte machen dürfen, darf sie höchstrichterlich nicht“. Der „Etikettenschwindel der Staatsregierung“ sei damit entlarvt.

Statt bei der Grenzpolizei sollten die dortigen Beamten - bis 2023 sollen es 1000 sein - besser die überlasteten Kollegen im ganzen Land unterstützen, sagte Schulze. Innereuropäische Grenzkontrollen sollte es in einem vereinten Europa ohnehin nicht geben. Auch die SPD im Landtag erklärte, es sei gut, dass „dem bayerischen Sonderweg nun endlich Einhalt geboten wird“.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht ihre Dauerkritik an der Grenzpolizei bestätigt: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Hilfe der Grenzpolizei nicht für Verwirrung bei unseren Kolleginnen und Kollegen sorgen oder dazu führen darf, dass die Bürger stärker beeinträchtigt werden“, sagte Andreas Roßkopf, Mitglied des Vorstands des GdP-Bezirks Bundespolizei und Vorsitzender der GdP-Direktionsgruppe Bayern. „Wir hätten die Grenzkontrollen unserer Meinung nach alleine bewältigen können, schließlich sind unsere Kolleginnen und Kollegen diesen Aufgaben auch bis dato vollumfänglich nachgekommen – in der bewährten engen Zusammenarbeit mit der Bayerischen Polizei im Bereich der Fahndung im Grenzraum.“

Die Staatsregierung und die CSU-Landtagsfraktion sehen das völlig anders: „Im Kern ändert das an der Arbeit der Grenzpolizei nichts. Wir können in dem vollen Umfang, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben, weiterarbeiten“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in München. Wie bisher bleibe die unmittelbare Grenzkontrolle Aufgabe des Bundes.

Kernaufgabe von Bayerns Grenzpolizei ist seit ihrer Gründung die Schleierfahndung, also die stichprobenartige Kontrolle durch Zivilstreifen an den Hauptverkehrswegen. Diese Aufgabe hat die Landespolizei schon seit den 1990er Jahren im Grenzgebiet inne. In Absprache mit der Bundespolizei übernehmen die bayerischen Beamten als Unterstützungskräfte aber auch direkte Kontrollen an der Grenze. In Eigenregie dürfen sie das aber nicht festlegen.

Herrmann betonte, dass die vom Gericht zuvor für nichtig erklärte Vorschrift im Artikel 29 des Polizeiaufgabengesetzes nicht für die Einführung der Grenzpolizei vor zwei Jahren neu geschaffen worden sei, vielmehr handele es sich um eine „alte Vorschrift, die schon seit Jahrzehnten besteht“. Dass dies nun beanstandet worden sei, liege an einer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die erst nach Beschluss des Gesetzes ergangen sei.

Auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sieht das Urteil nicht als Niederlage für die Staatsregierung - im Gegenteil: „Der Versuch der Grünen, die Grenzpolizei abzuschaffen, ist krachend gescheitert“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. Denn dies sei der Kern der Klage der Grünen gewesen.

CSU-Chef Markus Söder hatte die 1998 aufgelöste Grenzpolizei nach seiner ersten Wahl zum Ministerpräsidenten wieder ins Leben gerufen. Sie war eines von vielen Prestigeprojekten, mit denen er der kriselnden CSU nach der Flüchtlingskrise neuen Boden unter den Füßen verschaffen wollte. Sein Plan war einfach: Die gerade in Grenznähe infolge der Zuwanderung vielerorts verunsicherten Bayern sollten ein neues Gefühl der Sicherheit erfahren und damit auch resistent werden gegen die rechtspopulistische AfD, die bei Wahlen immer mit der Angst vor Flüchtlingen auf Stimmenfang geht.

Tatsächlich lief und läuft die Zusammenarbeit zwischen den bayerischen Grenzpolizisten und ihren Bundeskollegen bisher geräuschlos und unproblematisch. Nach Angaben von Joachim Herrmann hat die Grenzpolizei in den vergangenen beiden Jahren 67 000 Straftaten, Verkehrsdelikte und weitere Fahndungen bearbeitet. Derzeit seien rund 700 Mitarbeiter in der Schleierfahndung eingesetzt. Wir sind davon überzeugt, die Grenzpolizei ist gut und wichtig und richtig“, sagte er. Für die Grünen ging es bei der Klärung aber um eine „verfassungsrechtliche Herzensangelegenheit“, sagte der Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol im Laufe des Verfahrens.

Bayern geht mit der Grenzpolizei einen umstrittenen Sonderweg. Sie war bereits 1948 eingeführt und unter anderem für die Kontrollen an Grenzübergängen und Flughäfen in Bayern eingesetzt worden. 50 Jahre später, nach dem Wegfall der Grenzkontrollen zur ehemaligen DDR, der Aufhebung der Kontrollen an der Grenze zu Österreich und der Aufweichung der Grenzsituation nach Tschechien wurde sie aufgelöst. Zum 1. August 2018 wurde sie dann im Zuge der Diskussion um Zuwanderung von Flüchtlingen wieder eingeführt.

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Bayerns Grenzpolizei teils verfassungswidrig

Ein Beamter der bayerischen Grenzpolizei steht am Grenzübergang Kirchdorf an der deutschen Staatsgrenze. Foto: Lino Mirgeler/dpa