Bedford-Strohm: Suizid keine normale Option des Lebensendes

dpa Berlin. Kurz vor Ende der Wahlperiode greift der Bundestag das besonders sensible Thema Sterbehilfe auf. Die Evangelische Kirche hat eine klare Position zu diesen Fragen.

Bedford-Strohm: Suizid keine normale Option des Lebensendes

EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm bezieht eine klare Haltung bei der Sterbehilfe. Foto: Sven Hoppe/dpa

Bei der nötigen Neuregelung der Sterbehilfe besteht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) darauf, den Lebensschutz so weit wie möglich zu stärken.

Das Verfassungsgerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr erfordere rechtliche Regelungen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm der dpa. Aber: „Wir müssen alles vermeiden, was als Konsequenz dieses Urteils den Suizid zu einer normalen Option des Lebensendes macht. Das darf nicht passieren. Es hat seinen guten Sinn, dass der Schutz des Lebens intuitiv sehr stark verwurzelt ist in unserer Kultur, aber auch in uns selbst.“

Der Bundestag wird heute zwei Stunden lang über das Thema Sterbehilfe diskutieren. Es gibt inzwischen drei verschiedene fraktionsübergreifende Abgeordneteninitiativen für neue Regeln.

Die Neuregelung ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht vor gut einem Jahr ein seit 2015 geltendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hat. Es verletze den Einzelnen im Recht auf selbstbestimmtes Sterben, urteilten die Karlsruher Richter damals nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Das gilt ausdrücklich für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke. Das Urteil stieß die Tür für organisierte Angebote auf - aber auch mit Regulierungsmöglichkeit wie Beratungspflichten oder Wartefristen.(Az. 2 BvR 2347/15 u.a.).

„Das Autonomie-Ideal, das dort ins Zentrum gestellt wurde, so als ob der Suizid etwas wäre, wo man sich nach gründlicher Überlegung und als Akt der Freiheit entscheidet, aus dem Leben zu scheiden, das ist ziemlich weit weg von der Realität“, sagte Bedford-Strohm. „In der Realität ist Suizid etwas Tragisches, etwas Trauriges. Letztlich ist er für mich auch eine Niederlage.“ Denn es sei dann offensichtlich nicht gelungen, diesen Menschen so zu begleiten, palliativ und auch sozial, „dass er einen Weg gesehen hat, sein Leben weiterzuführen und dann das Sterben in Gottes Hand zu legen“.

Es sei gut, dass die Menschen eine ausgeprägte Tötungshemmung hätten und auch eine Hemmung, sich selbst das Leben zu nehmen. „Das darf nicht eingeebnet werden. Das ist das Allerwichtigste“, sagte der bayerische Landesbischof. „Gleichzeitig darf man nicht moralisch hinwegsegeln über extreme Dilemma-Situationen, über extreme Leidenssituationen, wo Menschen keinen anderen Weg mehr sehen. Die moralischen Normen müssen auch kontext-sensibel sein, das heißt, sie dürfen auch nicht dazu führen, dass man seine Empathie ausschaltet angesichts von flehentlichen Hilferufen.“ Es sei wichtig, dass Gewissensspielräume für jene blieben, die wie Ärzte direkt mit Patienten zu tun hätten.

Bedford-Strohm forderte zugleich, die Prävention, die palliative Versorgung weiter zu stärken. „Im Pflegebereich muss die Ausstattung so sein, dass Menschen auch wirklich menschlich begleitet werden können. Das muss uns auch etwas wert sein.“ Die Krankenkassen- und der Pflegeversicherungsbeitrag müssten entsprechend beschaffen sein.

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