Freiheit und Demokratie müssen mehr denn je verteidigt werden. Die FDP ist dabei keine Hilfe.
Von Eidos Import
Der frühere FDP-Chef Christian Lindner hat einen neuen Job. Grundsätzlich ist es ja immer gut, wenn Arbeitssuchende vermittelt werden können. Als die Nachricht vergangene Woche Verbreitung fand, erinnerte man sich plötzlich wieder, dass es eine Zeit gab, da Liberale deutschlandweit eine mächtige Stimme hatten. Die Tage sind längst vorbei. Bundespolitisch verschwindet die FDP in den Umfragen im Sumpf der „Sonstigen“. Woran liegt das?
Die Partei vertrat zuletzt einen Liberalismus, der wenig mit dem aufklärerischen Pathos eines emanzipatorischen Freiheitsbegriffs zu tun hatte. Aus den Sachwaltern eines stolzen staatsbürgerlichen Individualismus waren Besitzstandswahrer geworden, die in den Augen vieler nur noch Klientelinteressen verteidigten: ob die der privat Krankenversicherten, der Nutznießer großer Erbschaften oder die von Unternehmen, die auf veraltete Technologien setzen.
Unter diesem tagespolitischen Schaum fand aber auch ein tiefer liegender Entfremdungsprozess statt. Der Neoliberalismus der vergangenen Jahrzehnte hat eine gespaltene Gesellschaft hinterlassen. Die Gräben verlaufen zwischen akademischen großstädtischen Fortschrittsgewinnern und Menschen in anderen Regionen, die sich zunehmend abgehängt fühlen müssen. Zwischen den zehn Prozent der Haushalte, die weit mehr als die Hälfte des Nettovermögens besitzen, und dem Drittel, das gar kein Vermögen oder gar Schulden hat. Zwischen Gutverdienenden und Menschen, die im wachsenden Niedriglohnsektor feststecken. Dem Versprechen, dass weniger Staat und global entfesselte Märkte Wohlstand für alle schaffen, glaubten am Ende zu wenige, um das bundespolitische Überleben der FDP zu sichern.
Für die politische Konkurrenz ist das nicht unbedingt ein Grund zum Jubeln. Inzwischen hat längst die Gegenreaktion eingesetzt. Der Westen ist massiv bedroht durch einen autoritären Populismus, der dem Globalismus der Märkte die Flucht ins Nationale entgegenstellt, dem bunten Dröhnen einer vielfältigen Gesellschaft das dumpfe Einerlei einer normierten Einstimmigkeit. Inzwischen ist es die Aufgabe der verbliebenen demokratischen Mitte – und dezidiert auch der politischen Linken – geworden, gegen diese Freiheitsbedrohung den demokratisch-liberalen Kern zu retten und zu verteidigen.
Bedroht ist nicht nur der emphatische Liberalismus der Aufklärung, der seit der französischen Revolution wusste, dass Freiheit nur für alle lebbar ist, wenn sie mit sozialer Gerechtigkeit (Gleichheit) und einer konsequenten Orientierung am Gemeinwohl (Brüderlichkeit) verbunden ist. Es geht um viel mehr: Um den zukunftsfrohen Liberalismus, der davon überzeugt ist, dass gesellschaftlicher Fortschritt möglich ist und technische Entwicklungen segensreich sein können. Um den liberalen Grundgedanken, dass Menschen ihre Freiheit nur ausleben können, wenn ihre materielle Grundlage gesichert ist, und dass Freiheit dort verkümmert, wo Armut gesellschaftliche Teilhabe gefährdet.
Um den Liberalismus, der weiß, dass eine massiv ungleiche Vermögensverteilung eine Gesellschaft lähmt, Ungleichheiten zementiert und das urliberale Aufstiegsversprechen durch Leistung ad absurdum führt. Und schließlich um den Liberalismus, der die Würde des Einzelnen gegen staatliche Übergriffe verteidigt, die Fülle der Lebensentwürfe gegen jede Normierung in Schutz nimmt, Hass und Bevormundung entgegentritt.
Freiheitliche Politik in diesem Sinne wird gebraucht. Sie fehlt schmerzlich. Mit der FDP, wie sie sich im vergangenen Jahr aus dem Bundestag verabschiedete, hat das allerdings nicht sehr viel zu tun.