Begehrte Förderung für Kulturprojekt

Leader-Zuschuss für den Ausbau des ehemaligen Getränkeladens in Sulzbach zur Kultur- und Begegnungsstätte am Schlössle

EU und Land schießen 150000 Euro für den geplanten Innenausbau des bisherigen Getränkelagers in Sulzbach zu einem Bürgersaal zu. Es war das Gesamtkonzept, das den Leader-Auswahlausschuss überzeugt hat: Ein rustikal-festlicher Bürgersaal in Verbindung mit der Bewirtung durch ein kleines, aber feines Brauhaus und daneben die älteste Rock-Disco Deutschlands, die urige Kultdiscothek Belinda in der alten Brennerei. Ein „cooles Konzept“ mit Alleinstellungsmerkmal, so Initiator Willi Beck.

Begehrte Förderung für Kulturprojekt

Der korrekte Brandschutz und die Barrierefreiheit sind die Hauptpunkte, die bei der grundlegenden Sanierung des ehemaligen Getränkeladens ins Geld gehen. Foto: U. Gruber

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Der Diakon der evangelischen Akzente-Gemeinde beschreibt, wie man sich das vorstellen kann: Zum Beispiel eine Betriebsfeier mit rund 200 Personen im Saal, Catering durch das Brauhaus und zum Abschluss: rockendes Abtanzen nebenan. Oder: Theater oder Kabarett im Saal, danach Einkehr im besonderen Ambiente des Brauhauses. Oder: Opas runder Geburtstag im eckigen Saal, Bewirtung durch das Brauhaus-Team, die Junggebliebenen können sich später in die Disco absetzen. Oder: Wohnzimmerkonzert im ehemaligen Belinda-Café mit stimmigem Ausklang in der gemütlichen Gaststube. Oder, oder, oder. Begegnung und Kultur am Schlössle eben.

„Es geht darum, gesellschaftliche und kirchliche Themen zusammenzubringen“, erläutert Beck, der während seines Studiums zum Thema „Wie kann Kirche wachsen?“ promoviert hat. „Wir dürfen nicht warten, dass die Leute zu uns kommen“, lautet sein Credo, „wir müssen dahin gehen, wo die Leute sind.“ In die unter diesem Ansatz vor rund 30 Jahren gegründete Akzente-Gemeinde, die inzwischen als Personale Gemeinde des Kirchenbezirks Backnang firmiert, kommen Christen sogar aus Gaildorf oder Schwäbisch Hall nach Sulzbach. Als Konkurrenz zu den konventionellen Kirchen will Beck dies dennoch nicht sehen: „Mir fallen spontan fünf Leute ein, die mit neuen Ideen wieder in ihre alte Gemeinde zurückgegangen sind. Das eine schließt das andere ja nicht aus.“ Die Akzente-Gottesdienste finden daher ganz bewusst erst abends statt.

Freilich ist es bis zur endgültigen Umsetzung des Projekts noch ein weiter und kostspieliger Weg, denn zeitgemäß fertiggestellt ist seither lediglich der Gastronomiebereich der Brauerei (Eröffnung 2008) in diesem Gebäudekomplex der ehemaligen Brennerei Küenzlen. Die be-sonders schönen Gasträume entstanden anstelle der früheren Stallungen, der dortige Getränkehandel zog in die frei gewordenen Räume des Norma-Discounters nebenan. 2016 pachtete eine Unternehmergemeinschaft aus vier Mitgliedern der Akzente-Gemeinde das Areal von Andreas Walz, der das defizitäre Unternehmen 2013 gekauft hatte. Sicherlich war dabei auch viel Nostalgie im Spiel – trotz viel ehrenamtlichen Einsatzes und des bewährten Belinda-Personals wurden nach längerer Schließung aber leider keine schwarzen Zahlen geschrieben. 2017 wollte der neue Eigentümer das Belinda-Areal wieder loswerden.

Derzeitige Gottesdiensträume der Akzente-Gemeinde sind nüchtern

Seelsorger Willi Beck, der in seinem früheren Leben Bankkaufmann war, hatte die zündende Idee, eine Genossenschaft zu gründen, um das Anwesen kaufen zu können. Für die derzeit 277 Mitglieder der Begegnungs- und Kulturzentrum Akzente eG, die im Schnitt je zwei Anteile zu 1000 Euro halten, springt dabei allerdings keine Dividende heraus, denn jeglicher Gewinn wird reinvestiert: „Es geht den Genossen darum, diese Sache zu unterstützen.“ Mit umgekehrten Vorzeichen betreibt jetzt die Familie Walz mit neuem Personal erfolgreich die Gastronomie des Brauhauses – unlängst wurde zur besseren Auslastung von Küche und Braukessel sogar eine Dependance im Löwen am Backnanger Rathausplatz eröffnet – und zahlt Pacht an die Akzente-Genossenschaft.

Seitdem finden die Akzente-Gottesdienste auch nicht mehr in der Sulzbacher Festhalle oder im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde statt, an die sie früher angeschlossen waren, sondern in den erweiterten Räumen des geschlossenen Getränkelagers. In sehr nüchternen Räumen, in der Tat. „Hier soll die Decke weggenommen werden, dass man die Dachbalken sieht“, erklärt der Visionär Beck das Vorhaben, „am Eingang soll es ein schönes Foyer geben. Vor allem auch mit Behindertentoilette und Wickelraum.“ Bisher müssten Toiletten und Küche der Belinda mitbenutzt werden – alles nur über Treppen erreichbar. Auch der Brandschutz im alten Gemäuer der früher überregional gefeierten Discothek bedarf dringender Aktualisierung. „Das ist ein Riesenthema!“ Rollstuhlfahrende Discogänger werden zur Inklusion derzeit noch mit Manpower in den Musikpalast gehievt. Ein personenbetriebener Aufzug sozusagen.

Gerade dieser Teil des Vorhabens soll nun mit Fördergeldern aus dem Leader-Programm, das eine moderne ländliche Entwicklung unterstützen soll, ermöglicht werden: 150000 Euro schießen EU und Land dem geplanten Innenausbau des Bürgersaals zu. Das hat der Auswahlausschuss des Vereins Regionalentwicklung Schwäbischer Wald unlängst in einer vierstündigen Sitzung beschlossen. Als weiteres Projekt wird das Kino des Kinovereins in Gaildorf bei der Sanierung unterstützt. Weitere sechs beim zehnten Projektaufruf im April eingereichte Projekte wurden zwar angenommen, sind aber momentan nicht finanzierbar.

Überhaupt läuft die Förderperiode im kommenden Jahr aus, was einen bitteren Wermutstropfen in die Freude über die in Aussicht gestellte Unterstützung gießt: Für die formelle Förderantragstellung mit vollständigen Plänen, dreifachen Angeboten pro Gewerk und Genehmigungen wird den Projektinitiatoren gerade mal sechs Monate zugestanden. „Ein strenges Zeitkorsett“, meinte dazu kopfschüttelnd der Architekt, als er hört, dass nicht einmal eine Verlängerung möglich wird, und selbst der zuständige Bankberater von der L-Bank habe gemeint: „Das ist kaum machbar, ein Jahr wäre realistisch.“ Man habe fast den Eindruck, es handele sich hier um eine Art integrierten Verhinderungsmechanismus, mutmaßt Beck. So gab es unlängst eine Krisensitzung mit dem Projektgremium und dem Ergebnis: „Jetzt aber Vollgas!“ Vielleicht sollte man sich zeitgleich über einen Plan B Gedanken machen.

Begehrte Förderung für Kulturprojekt

Willi Beck (links) und Mitgesellschafter wie Hansjörg Martin geben jetzt Vollgas. Foto: J. Fiedler

Info
Ländliche Wirtschaft

Leader steht für Liaison Entre Actions de Développement de l’Économie Rurale, (Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft) und ist ein Maßnahmenprogramm der Europäischen Union, mit dem seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum gefördert werden.

Es können Vorhaben von Kommunen, Vereinen, Verbänden, Unternehmen und auch Einzelpersonen gefördert werden. Voraussetzung ist, dass diese im Gebiet der hiesigen Leader-Aktionsgruppe mit ihren 28 Mitgliedskommunen umgesetzt werden und einen Beitrag zu den Zielen des Regionalen Entwicklungskonzepts (REK) im Schwäbischen Wald leisten.

Als mögliche Bereiche kommen infrage: Wohnen und Leben, demografischer Wandel, attraktive Familienregion, Mobilität, natürliche Ressourcen, nachhaltiger Tourismus und Wirtschaft.

Mit den beiden positiven Beschlüssen sollen knapp 210000 Euro EU-Fördermittel in die Leader-Kulisse Schwäbischer Wald fließen, dazu kommen über 66000 Euro Landesmittel. Insgesamt investieren die beiden ausgewählten Projektträger 1,1 Millionen Euro.