Bei der Kreisumlage wird noch um Zehntel gefeilscht

Kreistagsfraktionen nehmen Stellung zum Haushaltsentwurf 2020 – Steigende Steuerkraft spült trotz reduzierten Hebesatzes mehr Geld in die Kreiskasse

Der Entwurf für den Kreishaushalt 2020 steht auf dem Prüfstand: Gestern haben die Fraktionen im Kreistag Stellung zu dem Zahlenwerk genommen. Nah beieinander liegen die Auffassungen in der Frage, wie stark Städte und Gemeinden zur Finanzierung beitragen sollen. CDU und Freie Wähler wollen noch 0,3 Prozentpunkte für die Kommunen herausschlagen, die Grünen würden dagegen noch 0,7 Punkte drauflegen.

Bei der Kreisumlage wird noch um Zehntel gefeilscht

Der Kreistag hat auf volldigitale Arbeitsweise umgestellt. Durch das Mammutwerk des Haushaltsplans mit seinen über 800 Seiten gehen sie deshalb jetzt Seite für Seite auf dem Tablet durch. Das Foto entstand bei der Einbringung des Etats vor vier Wochen in Plüderhausen. Foto: Landratsamt

Von Armin Fechter und Florian Muhl

KERNEN IM REMSTAL. Erstmals waren es sechs Fraktionen, die im Kreistag Haushaltsreden ablieferten: Die AfD ist nach den Wahlen vom Mai dieses Jahres hinzugekommen. Jede von ihnen – darauf hatten sie sich vorab verständigt – hatte 15 Minuten Rederecht. Stellungnahmen gab es zudem von den beiden kleineren Gruppierungen, die keinen Fraktionsstatus haben: Die Zählgemeinschaft Linke/ÖDP durfte ebenso wie die Gruppe Wilhelm/Klinghoffer siebeneinhalb Minuten sprechen. Vorab festgelegt wurde auch die Reihenfolge: Es ging nach der Größe der Fraktionen und Gruppen.

Die wirtschaftliche Lage und damit der äußere Rahmen für die Kreisfinanzen wird quer durch die Fraktionen als noch gut eingeschätzt. Allerdings, so Reinhold Sczuka (CDU): „Es kommen schwierigere Zeiten auf uns zu.“ Aufgrund der aktuellen Zahlen, aber auch, weil im laufenden Jahr erneut ein gutes Ergebnis zu erwarten ist, plädierte Sczuka dafür, den Kreisumlagehebesatz auf 32,0 Prozent festzusetzen. Das sind 0,3 Prozentpunkte weniger, als Landrat Richard Sigel bei der Haushaltseinbringung vor vier Wochen vorgeschlagen hatte. In der Summe macht dies einen Unterschied von knapp zwei Millionen Euro aus.

Landratsamt soll auf Grafiken auch Umlage in absoluten Zahlen zeigen

Ferner will die CDU das Landratsamt darauf festnageln, auf Schaubildern zur Höhe der Kreisumlage künftig nicht nur den Hebesatz, sondern auch die nominale Höhe darzustellen. Der Hintergrund: Trotz des gegenüber dem laufenden Jahr reduzierten Hebesatzes – zurzeit liegt er bei 34,0 Prozent – steigt die Summe, die die Kommunen aufbringen müssen. In der Bevölkerung herrsche aber die irrige Meinung, die Kreisumlage würde sinken. Dabei sei diese seit Bestehen des Rems-Murr-Kreises kontinuierlich gestiegen. Als Beleg für das wachsende Volumen führte Sczuka noch weitere Zahlen an: Danach liegt der Anteil der Kreisumlage an den ordentlichen Erträgen, der 2018 noch 39,1 Prozent und 2019 bereits 41,9 Prozent betrug, 2020 bei 42,9 Prozent.

Auch Maximilian Friedrich (Freie Wähler) forderte eine Hebesatzsenkung auf 32,0 Prozent. Die vorgeschlagenen 32,3 Prozent entsprächen zwar dem niedrigsten Stand seit 1996, in absoluten Zahlen gehe aber das Aufkommen weiter nach oben, kritisierte auch er. Immerhin habe der Landkreis die rote Laterne im landesweiten Vergleich abgegeben, dennoch liege er weiterhin im unteren Tabellendrittel. Friedrich bemühte einen Vergleich mit dem Profifußball: Der Rems-Murr-Kreis habe Ähnlichkeit mit dem FC Schalke 04 – er verlange hohe Eintrittspreise, zeige aber nur zeitweise ein schönes Spiel. Und: Bis zur Champions League sei es noch ein weiter Weg.

Anders argumentierte Christine Besa von den Grünen: Um mögliche Risiken durch das Bundesteilhabegesetz vorsorglich abzufedern und eine Nullrunde bei den VVS-Tarifen zu ermöglichen, solle der Hebesatz um 0,7 Punkte höher angesetzt werden als vorgesehen. Für Verwirrung sorgte dabei allerdings, dass sie die Marke statt auf 33,0 auf 32,9 Prozent schrauben wollte. Landrat Sigel zeigte sich aber generös: „Was die Zahlen angeht, das können wir dann sortieren.“

Klaus Riedel konterte namens der SPD die jüngste Kritik von Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper an der Kreisverwaltung. Er hatte der Kämmerei vorgeworfen, sie habe den Kreis mit einem Trick arm gerechnet und in den letzten drei Jahren 79 Millionen Euro nahezu unbemerkt an den Kommunen vorbei in den Kreishaushalt gelenkt (wir berichteten). Riedel: „Nahezu alles, was vom Kreis geleistet wird, sind Leistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger im ganzen Landkreis und damit auch für die Kommunen.“ Die Kreisumlage sei immer dann höher, wenn es den Kommunen gut gehe – und wer die Kreisumlage senken wolle, müsse auch sagen, auf was er konkret verzichten wolle. Die Frage sei auch nicht, ob es Haushaltsüberschüsse geben dürfe, sondern was man damit mache. Zur Höhe des Hebesatzes für 2020 kam von Riedel kein abweichender Vorschlag.

Demonstrativ auf die Verwaltungsseite stellte sich Ulrich Lenk (FDP/FW), als er von einem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk und – wie Landrat Sigel – von einem kommunalfreundlichen Haushalt sprach. Besonders ins Auge falle, dass der aus der steigenden Steuerkraft resultierende Einnahmenzuwachs der Kommunen im Verhältnis 13 Prozent für den Kreis und 87 Prozent für die Städte und Gemeinden aufgeteilt werden solle. Das sei ein weiterer Beweis für die Absurdität der von Bürgermeisterseite lange Zeit postulierten 50:50-Regel. Gleichzeitig warnte Lenk vor dunklen Wolken am Horizont. So decken die Einnahmen aus der Kreisumlage erstmals nicht mehr den Nettosozialaufwand des Landkreises. Und das angesichts der Belastungen, die mit Investitionen und neuen Gesetzen ins Haus stehen. Daher wandte sich Lenk gegen eine weitere Umlagensenkung.

Christian Throm (AfD) bezeichnete den Landkreis mit seinem Etat, der zu zwei Dritteln Sozialkosten – einschließlich der damit zusammenhängenden Ausgaben für Personal – umfasst, als eine große Umverteilungsmaschine. 1974 habe die Kreisumlage noch das Anderthalbfache des Nettosozialaufwands betragen, und das, obwohl die Hebesätze damals noch um ein Drittel niedriger lagen. Dem Hebesatzvorschlag des Landrats stimmte Throm ausdrücklich zu: Damit würden die Mehrerträge außerordentlich fair zwischen Gemeinden und Kreis aufgeteilt. Gleichzeitig warnte er vor einer Rezession, die die Lage der öffentlichen Haushalte schwieriger machen werde.

Ronald Borkowski (Linke) forderte mehr Anstrengungen für den Wohnungsbau. Statt jährlich 50 Millionen Euro für Unterkunftskosten nach dem Sozialhilferecht zu zahlen, solle der Kreis 10000 oder 20000 Sozialwohnungen bauen. Thomas Bezler (ÖDP) warnte vor der Strahlenbelastung durch 5G und vor der Naturzerstörung beim Abbau von Seltenen Erden. Zudem forderte er eine Solaroffensive mit einem 1000-Dächer-Programm, die Einführung eines 365-Euro-Tickets und die Etablierung von Naturheilkunde als Abteilung an den Kliniken.

Gudrun Wilhelm (Wi/Kli) äußerte wegen der Kosten, die am Kreis hängenblieben, Bedenken zu einer Nullrunde beim VVS-Tarif: Großzügige Geschenke seien wie Mitgiftjäger. Gleichzeitig forderte sie den Ausbau des Viertelstundentakts bei der S-Bahn. Weiter sprach sie sich dafür aus, die Mittel für Fahrradmobilität um 300000 Euro aufzustocken. Für E-Biker solle ein Sicherheitstraining flächendecken im Kreis angeboten werden.