Berlins SPD-Regierungschef Müller zieht es in den Bundestag

dpa Berlin. Über die politische Zukunft von Michael Müller wird schon länger spekuliert. Nun ist klar, wohin die Reise für den langjährigen Regierenden Bürgermeister von Berlin geht.

Berlins SPD-Regierungschef Müller zieht es in den Bundestag

Michael Müller will über den Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf in den Bundestag einziehen. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Nach monatelangen Spekulationen über seine politische Zukunft hat Berlins Regierender Bürgermeister und SPD-Chef Michael Müller nun Klarheit geschaffen: Der 55-Jährige kündigte an, dass er im kommenden Jahr im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf für den Bundestag kandidieren will.

Er wolle politische Themen aus der Hauptstadt wie bezahlbaren Wohnraum, faire Löhne oder Hilfe für Geflüchtete in Zukunft „stärker auf die Bundesebene tragen“, schrieb Müller nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur an die Mitglieder des dortigen SPD-Kreisverbands. „Dafür bitte ich Euch um Vertrauen und Unterstützung.“

Damit beendete Müller, der seit 2014 Regierungschef in der Hauptstadt ist und seit 2016 einen rot-rot-grünen Senat führt, eine lange Phase der Unklarheit. Im Herbst 2021 werden der Bundestag und das Abgeordnetenhaus neu gewählt - wahrscheinlich am selben Tag.

Klar ist schon länger, dass Müller die Führung der Berliner SPD abgibt. Am 31. Oktober wollen sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh als neue Doppelspitze wählen lassen. Darauf hatte sich ein enger Zirkel der Parteispitze mit Müller im Januar geeinigt.

Als wahrscheinlich gilt nun, dass Giffey auf einem Parteitag am 19. Dezember zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl gekürt wird und damit um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin kämpft. Bis zum Ende der Legislatur dürfte indes Müller im Roten Rathaus bleiben.

Erste Wahl für seine Bundestagskandidatur wäre der Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg gewesen. In dem gleichnamigen Berliner Bezirk hat er seine familiären Wurzeln und trat dort wiederholt bei Wahlen zum Abgeordnetenhaus an.

Allerdings fuhr ihm Juso-Chef Kevin Kühnert in die Parade. Der 31-Jährige erklärte vor einer Woche via Berliner „Tagesspiegel“ seine Kandidatur in dem Wahlkreis. Daher wurde zuletzt spekuliert, dass es für Müller auf Charlottenburg-Wilmersdorf hinauslaufen könnnte.

Dort war auch seine Staatssekretärin in der Senatskanzlei, Sawsan Chebli, als mögliche Kandidatin im Gespräch. Die machte nach Müllers Klarstellung deutlich, dass sie sich eine Bundestagskandidatur offen hält und darüber nach weiteren Gesprächen „sehr bald“ entscheiden wolle. Eine Kandidatur gegen Müller ist also nicht ausgeschlossen.

Der Regierungschef selbst hatte am vergangenen Freitag erstmals öffentlich Interesse an einem Wechsel in den Bundestag signalisiert. Mit Kühnert und ihm sei eine „kuriose Situation“ eingetreten, sagte er RTL/n-tv mit Blick auf die Lage im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. Kühnerts Vorpreschen war von manchen in der SPD als Affront gegen Müller gewertet worden. Ein hochrangiger SPD-Politiker nannte das Vorgehen Kühnerts „asozial“. Dem Vernehmen nach gelang es in Gesprächen mit Müller, Saleh, Giffey und Kühnert nicht, eine gemeinsame Lösung zu finden und der Öffentlichkeit als Gesamtpaket mitzuteilen.

Die SPD-Direktkandidaten in den Berliner Wahlbezirken werden in den kommenden Wochen und Monaten festgelegt. Dabei gibt es vielfach Gerangel - obwohl angesichts der anhaltenden Schwäche der SPD in Umfragen offen ist, ob ihre Kandidaten in den Bundestags-Wahlkreisen direkt gewählt werden. 2017 holten in Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg zwei CDU-Politiker die Direktmandate.

Vor diesem Hintergrund kommt der SPD-Landesliste Bedeutung zu, die zumindest den Inhabern der Plätze 1 bis 3 oder 4 einige Sicherheit bietet, in den Bundestag einzuziehen. Sie wird ebenfalls am 19. Dezember festgelegt. Müller könnte auf Platz 1 kommen. Allerdings traut sich auch Kühnert die Spitzenkandidatur zu.

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