Beschuldigungen erweisen sich als haltlos

Verfahren gegen 22-Jährigen wegen Körperverletzung wird eingestellt. Die betroffene Hauptzeugin hinterlässt diffusen Eindruck.

Beschuldigungen erweisen sich als haltlos

Symbolfoto: Erwin Wodicka

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Jugendschöffengericht hat sich ein 22-jähriger Auszubildender wegen Körperverletzung zu verantworten. Das Strafverfahren gegen den jungen Mann wird nach mehr als zwei Stunden eingestellt. Laut Anklageschrift soll der Angeklagte im Juni 2020 seine ehemalige Freundin am Bahnhof in Backnang getroffen und ihr dabei auf den Arm geschlagen haben. Das verursachte bei der damals 17-Jährigen ein Hämatom und Schmerzen. Am Tag nach dem Vorfall zeigte die junge Frau ihren Ex-Freund an.

Der vorsitzende Richter am Schöffengericht befragt den Angeklagten zunächst zu seiner Person. Nach dem Hauptschulabschluss wollte der junge Mann die Mittlere Reife nachholen, was ihm aber nicht gelang. Eine Lehre als Industriemechaniker brach er ab, weil er in Haft kam. Wegen räuberischer Erpressung musste er einsitzen. Der Gefängnisaufenthalt hat offenbar bei dem jungen Mann Positives bewirkt. Im Sommer 2019 kam er frei und macht nun eine Lehre als Elektriker. Gern würde er, so erzählt der junge Mann, danach weitermachen, vielleicht den Meistertitel erwerben, sich gar später selbstständig machen. „Sie haben Pläne“, bemerkt der Richter, „viel mehr Pläne als man sonst von jungen Leuten gewohnt ist.“ Ob er denn noch Drogen nehme, will der Richter wissen. Mit Antritt der Haft sei damit Schluss gewesen, sagt der junge Mann. Dabei hatte er zuvor täglich seinen Joint gebraucht. Ziele müsse man sich setzen, fährt er fort, dürfe nicht in den Tag hineinleben. Angetan ist der Richter von dem Werdegang des jungen Mannes, den er von früheren Verhandlungen her kennt. „Nur schade“, fügt er hinzu, „dass man sich immer wieder hier sehen muss.“ Und leitet damit zu dem Vorfall über, der Gegenstand der Gerichtsverhandlung ist.

Weiterhin offen und freimütig erzählt der Angeklagte die Vorgeschichte. Etwa acht Monate habe er mit der 17-Jährigen eine Beziehung gehabt, aber dann gemerkt, dass sie nicht zusammenpassten. Sie habe mehr unternehmen wollen. Dem sei er aber abgeneigt gewesen. So habe er gegenüber der jungen Frau die Beziehung für beendet erklärt, was wiederum sie nicht fassen konnte oder wollte. „Hey, das ist nicht dein Ernst?!“, soll sie gesagt haben, dann ärgerlich geworden sein. Bedeutungsvoll habe sie gesagt, dass sie alles über ihn wisse. Der Angeklagte beteuert: Zu keiner Gelegenheit habe er seine Ex-Freundin geschlagen.

Die junge Frau, mittlerweile 18, wird als Zeugin in den Saal gerufen. Sie kommt in Begleitung ihrer Eltern. Sie erzählt die Sache anders. Auf sie zugekommen sei der Angeklagte. Sie habe gerufen: „Geh weg! Geh weg!“ Das habe ihr Ex-Freund aber nicht gemacht, habe sie stattdessen festgehalten und geschlagen. Als der Richter sie nach der Dauer ihrer Beziehung fragt, kann die Zeugin keine genauen Angaben machen. Als die Verteidigerin des Angeklagten die 18-Jährige befragt, ihr insbesondere ihre Angaben bei der Vernehmung durch die Polizei vorhält, tauchen Widersprüche auf. Will die Verteidigerin des Angeklagten Details wissen, kommt die Antwort: „Das merk ich mir doch nicht.“ Oder: „Das weiß ich nicht mehr genau.“ Durch Fragen in die Enge getrieben, geht die junge Frau zum Gegenangriff über. Der Angeklagte sei unter anderem in eine Massenschläger verwickelt gewesen. Und ein Bekannter des Ex-Freundes habe ihr 20000 Euro angeboten, wenn sie die Anzeige zurückziehe. Hilflos schaut sich die junge Frau um. Die Eltern sekundieren. Der Richter schreitet ein, betont gegenüber den Eltern, dass ihre Tochter volljährig sei und als Zeugin selber antworten müsse. Und im Übrigen seien sie, die Eltern, nur Zuhörer in dem Verfahren.

Fast eine ganze Stunde zieht sich die Befragung der Zeugin hin. Dann verlässt die 18-Jährige den Saal. Noch bevor der Richter die Beweisaufnahme für beendet erklärt, bringt die Verteidigerin eine Einstellung des Verfahrens ins Spiel. Diese in ihrem Redefluss unterbrechend, will der Richter die Meinung der Staatsanwältin wissen. Die ist noch entschlossener als die Anwältin: Die Sache einstellen. Das Schöffengericht berät zehn Minuten, dann das Verfahren eingestellt.