Bestürzung nach Morddrohungen gegen Özdemir und Roth

dpa/lsw Berlin/Stuttgart. Die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth haben laut einem Medienbericht Morddrohungen erhalten - mutmaßlich von Rechtsextremisten.

Bestürzung nach Morddrohungen gegen Özdemir und Roth

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) gibt ein Presse-Statement. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild

Politiker haben bestürzt auf die Morddrohungen gegen die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth reagiert. „Solche Drohungen gegen Leib und Leben gehen gar nicht. Unser Staat lebt vom Ringen um den besten Weg, mit Argumenten und Überzeugungen. Wem die Argumente ausgehen, wer deshalb niederträchtige Drohungen ausstößt - der ist ein potenzieller Attentäter, Gewalttäter, Straftäter, ein Fall für unsere Sicherheitsbehörden“, sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl der „Heilbronner Stimme“ (Montag). Strobl erklärte weiter, genau aus diesem Grund habe er beim Landeskriminalamt die „Zentrale Ansprechstelle für Amts- und Mandatsträger“ eingerichtet, an die sich Opfer von Drohungen rund um die Uhr wenden könnten. Özdemir kommt aus Bad Urach (Landkreis Reutlingen).

„Die hässlichen Drohungen mutmaßlicher Rechtsextremisten gegen Herrn Özdemir und Frau Roth sind unsäglich und ein Angriff auf die freiheitliche Demokratie insgesamt“, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Vom Bundestagsabgeordneten bis hin zum Vertreter eines Kommunalparlaments: Jeder hat in unserem Land das Recht seine Meinung in der politischen Debatte frei zu äußern und ein Mandat auszuüben, ohne Drohungen ausgesetzt zu sein.“ Einschüchterungsversuchen von Extremisten müsse „der Rechtsstaat seine vollste Härte entgegensetzen“.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock erklärte, an die nahezu täglichen Drohungen dürfe sich die Gesellschaft nicht gewöhnen. „Wir müssen gemeinsam für Rechtsstaat und Demokratie einstehen. Mit aller Kraft gegen den Hass vor allem für die, die keinen Schutz haben“, schrieb sie auf Twitter. Linken-Chefin Katja Kipping schrieb: „Solidarische Grüße über alle Parteigrenzen hinweg an Cem Özdemir, Claudia Roth und all jene, die im Alltag bedroht werden.“

Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten berichtet, dass Özdemir als erster Name auf einer Todesliste stehe. Das habe Ende Oktober eine Gruppe namens „Atomwaffen Division Deutschland“ in einer E-Mail an das Büro des türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten geschrieben. Der Bundestagsvizepräsidentin Roth drohten sie, sie sei auf Platz zwei.

Eine rechtsextremistische Gruppe „Atomwaffen Division“ (AWD) gibt es in den USA. Das Bundeskriminalamt verwies am Samstag allgemein auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Fraktion vom Juli 2018. Darin hieß es, nach vorliegenden Erkenntnissen ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass es sich bei der „Atomwaffen Division“ um eine terroristische Vereinigung handle. Weiter hieß es: „Die Gefährdung durch extrem rechte und rechtsterroristische Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, auch nach der Ankündigung der Existenz eines deutschen Ablegers der AWD, unverändert auf einem abstrakt hohen Niveau.“

Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren aus der ihnen vorliegenden Mail an Özdemir: „Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abfangen.“

Roth sagte den Funke-Blättern: „Die Drohung mag diesmal gegen Cem und mich gerichtet sein, doch sie reiht sich ein in eine lange Liste versuchter Einschüchterungen - gegen Kommunalpolitikerinnen und die Zivilgesellschaft, gegen Jüdinnen und Muslime, gegen Künstlerinnen und Menschen mit Migrationshintergrund.“ Und weiter: „Wer glaubt, uns mit seinem dumpfen Hass und seiner geschichtsblinden Hetze vom Einsatz für eine vielfältige und weltoffene Gesellschaft abbringen zu können, den muss ich bitter enttäuschen.“

Der 53-jährige Ex-Grünen-Chef Özdemir gab die Droh-Mail an die Bundestagspolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) weiter. Er wurde in der Vergangenheit bereits wegen seiner scharfen Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von türkischen Nationalisten massiv bedroht und erhält seit längerem Personenschutz.

Özdemir sagte den Zeitungen: „Ich kann mich auf den Begleitschutz durch das BKA verlassen. Doch was ist mit all den Kommunalpolitikerinnen und den ehrenamtlich Engagierten, die angefeindet werden und keinen Personenschutz haben?“

Auf Twitter veröffentlichte Özdemir ein Foto von sich beim Unterschreiben von Strafanzeigen. „Dafür gehe ich sogar am Samstag gerne ins Büro: Prall gefüllte Unterschriftenmappen mit Strafanzeigen gegen deutsche und türkische Fanatiker für Bedrohungen, Verleumdungen bzw. Beleidigungen“, schrieb er dazu.

Die Bundesregierung hatte erst vor kurzem angekündigt, mit schärferen Strafen, erweiterten Kompetenzen der Behörden und einer Meldepflicht für strafbare Inhalte im Internet auf die rechte Gewalt der vergangenen Monate reagieren zu wollen. Der Plan sieht auch einen besseren Schutz für Kommunalpolitiker vor. Im Juni war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) ermordet worden. Stephan E., der den Behörden vor Jahren als Rechtsextremist aufgefallen war, sitzt in diesem Fall als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft.