Betrunken und zu schnell gefahren

Ein junger Mann steht vor dem Backnanger Amtsgericht, weil er einen folgenschweren Unfall mit zwei Verletzten verursacht hat.

Betrunken und zu schnell gefahren

Der Unfallverursacher muss ein Jahr auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Symbolfoto: Unsplash

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsgericht muss sich ein 21-jähriger Elektroniker wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung verantworten.

In den frühen Morgenstunden eines Junitages 2020 fahren ein Elektroniker und seine zwei Freunde, ein 22-jähriger Schornsteinfeger und ein 19-jähriger Landschaftsgärtner, von einer Party nach Hause. Der Elektroniker saß am Steuer. Er hatte er sich von seinem Vater das Auto geliehen. Alle drei Freunde hatten in den Stunden zuvor in unterschiedlichem Maß Alkohol genossen. Ob die beiden Mitfahrer bemerkten, dass ihr Chauffeur nicht mehr fahrtüchtig war, bleibt unbekannt. Offenbar war die Aussicht, chauffiert zu werden, zu bestechend.

Der Elektroniker am Steuer, so mutmaßt der Staatsanwalt in der Verhandlung, hat vielleicht insgeheim doch Bedenken ob seiner Lenkfähigkeiten gehabt, wählt er doch bei der Heimfahrt in der Gemeinde Aspach nicht die normale Autostraße, sondern einen landwirtschaftlichen Verbindungsweg. Flott geht es voran. Zu flott für eine auf dem Weg befindliche Kurve. Der Sachverständige spricht in der Verhandlung von 80 Stundenkilometern. Der Wagen schanzt über eine Wiese, fällt einen Apfelbaum, kommt in umgekehrter Fahrtrichtung zum Stehen. Alle drei Insassen können aus eigener Kraft den Wagen verlassen. Der Elektroniker ruft die Polizei, da bricht der Schornsteinfeger zusammen. Rettungskräfte bringen alle ins Krankenhaus. Auf der Intensivstation bangen die Ärzte um das Leben des Schornsteinfegers. Eine Querschnittslähmung wird zunächst nicht ausgeschlossen, sind doch zwei Lendenwirbel angebrochen.

Auch der Fahrer selbst ist nicht ohne Blessuren geblieben.

Bei dem Landschaftsgärtner ist eine gebrochene Rippe in die Lunge gedrungen. Auch der Fahrer ist nicht ohne Blessuren geblieben. Er hat sich eine Schlüsselbeinfraktur zugezogen. Der Angeklagte lässt in der Verhandlung durch seinen Verteidiger ausrichten: Die vom Staatsanwalt erhobenen Vorwürfe treffen zu. Was er in jener verhängnisvollen Nacht getrunken hat, wisse er nicht mehr genau. Bier und Cocktails sei’s gewesen. Es müsse schon einiges zusammengekommen sein, meint der Staatsanwalt, schließlich wurden im Krankenhaus 1,2 Promille festgestellt. Das könne man für den Unfallzeitpunkt zurückrechnen, was einen noch höheren Wert ergäbe. Aber der Anklagevertreter tut es nicht. Wie denn jetzt die Beziehung zu seinen Freunden sei, will die Richterin wissen. Insbesondere ob sie Strafanträge gestellt oder finanzielle Forderungen erhoben haben. Weder noch, sagt der Angeklagte. Ihre Beziehung sei wie zuvor. Das bestätigen dann auch die beiden Geschädigten, die als Zeugen vernommen werden. Insbesondere bei dem Schornsteinfeger sind wie durch ein Wunder die Verletzungen glimpflich ausgegangen. Die Lendenwirbel wurden versteift, die Brüche am Fuß operiert. Er kann seinem Beruf beschwerdefrei nachgehen.

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe wird gehört. Sie spricht sich, da der Angeklagte zum Zeitpunkt des Unfalls 19 Jahre alt war, für die Anwendung des Jugendstrafrechts aus. Davon will der Staatsanwalt in seinem Plädoyer nichts wissen. Er könne bei dem Angeklagten keine Reifeverzögerung erkennen. Die Sache möge, so der Anklagevertreter, für den Elektroniker ein „Denkzettel“ sein, hätte sie doch wahrlich schlimmer ausgehen können. Er hält eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 20 Euro für angemessen. Und der Führerschein müsse für weitere vier Monate gesperrt bleiben. Der Verteidiger des Angeklagten legt sich für die Anwendung des Jugendstrafrechts ins Zeug. 50 Tagessätze zu 20 Euro würden es für ihn als Strafe auch tun.

Nach kurzer Beratungszeit ergeht das Urteil. 1400 Euro muss der Elektroniker an eine gemeinnützige Einrichtung überweisen. Das Wählen der abseits gelegenen Fahrstrecke, die fehlende Diskussion unter den drei Freunde darüber, wie man angetrunken nach Hause komme, und die Unbekümmertheit des Angeklagten bezüglich seiner beruflichen Zukunft wertet die Richterin als jugendtypisches Verhalten. Deshalb sei das Jugendstrafrecht anzuwenden. Was den Führerschein angeht, stimmt sie dem Staatsanwalt zu. Vier weitere Monate muss der Elektroniker darauf verzichten. Einen Führerschein zu besitzen, sei nicht nur ein Recht, sondern auch eine Verpflichtung. In dieser Hinsicht will sie den Elektroniker wie einen Erwachsenen behandeln. Vom Zeitpunkt des Unfalls aus gerechnet müsse der Unfallverursacher ein ganzes Jahr auf die Fahrerlaubnis verzichten. Das Urteil ist rechtskräftig.