Bewährung für Gemeindereferentin

Ehemalige Mitarbeiterin der katholischen Kirche wegen vielfachen Betrugs verurteilt

Bewährung für Gemeindereferentin

Von Andrea Wüstholz

STUTTGART/FELLBACH. Eine Bewährungsstrafe hat eine ehemalige Gemeindereferentin erhalten, die mehr als 200 Personen um mehr als 200000 Euro gebracht hat. Sie habe das Geld nicht für sich behalten, sondern einem Betrügerring in den Rachen geworfen: „Dieser Fall hat uns ein Stück weit ratlos gemacht“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Tormählen in seiner Urteilsbegründung.

Sollte sich die 63-jährige ehemalige Gemeindereferentin erneut etwas zuschulden kommen lassen, muss sie für zwei Jahre in Haft. So viele Opfer und ein derart hoher Schaden: „Da denkt man eigentlich nicht an Bewährung“, so Ulrich Tormählen – aber: Dieser Fall sei anders. Mit einer „Beharrlichkeit, die kein Mensch verstehen kann“, habe die Frau über Jahre hinweg fast 400000 Euro an Betrüger überwiesen, denen sie bereits vor ein paar Jahren erstmals auf den Leim gegangen war. Über Jahre hinweg erkannte die Frau offenbar nicht – oder sie wollte es warum auch immer nicht sehen – , dass sie Betrügern aufgesessen war. Um ihre Zahlungen an diesen nach wie vor unbekannten Betrügerring zu finanzieren, ergaunerte die Frau über vier Jahre hinweg sechsstellige Beträge. Sie tischte Verwandten, Freunden und Bekannten Lügengeschichten auf – und erhielt Geld von ihnen, immer und immer wieder. Die Leichtgläubigkeit mancher Opfer wertete die 8. Strafkammer am Stuttgarter Landgericht zugunsten der 63-Jährigen. Sie hatte als Gemeindereferentin gute Arbeit geleistet, war allseits beliebt und geschätzt – bis mit der Zeit der Unmut wuchs, weil die Frau immer weiter Geld lieh, aber nur selten etwas zurückzahlte. Sie habe sich selbst schon in erheblichem Maße bestraft, auch das wertete der Richter als mildernd: Die 63-Jährige hat ihren Arbeitsplatz verloren und sich von ihrem ehemals großen Freundeskreis und selbst von ihrer Familie isoliert. Ihren eigenen Bruder brachte die Frau um viel Geld. Doch er stellte zu spät Strafantrag, sodass dieser Teil des Verfahrens eingestellt wurde.

Letztlich verurteilt wurde die Frau am Dienstag wegen Betruges in 219 Fällen. Der Schaden beläuft sich auf 225000 Euro – bezogen auf die Taten, die jetzt abgeurteilt worden sind. Die Bewährungszeit läuft vier Jahre, und die Frau muss 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Die Strafverfolgungsbehörden hätten schon im Jahr 2017 zugreifen können, rügte Ulrich Tormählen. Es ist viel Zeit vergangen, bis der Fall vor Gericht kam – auch diesen Umstand wertete die Kammer zugunsten der Frau, die in einen regelrechten „Teufelskreis“ geraten sei. „Nervenzerfetzende“ Auseinandersetzungen lieferte sich die Frau offenbar mit den Betrügern, welche sie fest im Griff hatten. Nachbarn, Freundinnen und Bekannte forderten gleichzeitig dringlichst ihr Geld zurück.

Unterdessen mahnte die katholische Kirche als Arbeitgeber der Frau die Gemeindereferentin mehrmals ab, bis schließlich die Kündigung folgte. Die Kirche habe sogar vor der jetzt 63-Jährigen gewarnt, hieß es in der Urteilsbegründung – und trotzdem habe die Frau immer weiter gemacht.

58 Jahre alt war die Frau, als die Betrügereien begannen, und damals war die Gemeindereferentin nicht vorbestraft gewesen: „Das spricht eindeutig für sie“, so der Vorsitzende Richter weiter. Eine psychiatrische Sachverständige hatte der Frau volle Schuldfähigkeit attestiert. Es sei „nicht so ganz einfach“, der 63-Jährigen eine positive Prognose zu stellen: „Sie müssen an sich arbeiten. Es muss zu einer Änderung kommen. Es darf nichts mehr passieren.“