Bislang nur ein seltener Besucher

Erst im April ist in Kirchberg an der Jagst im Kreis Schwäbisch Hall ein Wolf gesichtet worden – also an der Grenze des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald. Ist es realistisch, dass sich der Canis Lupus auch in der Region ansiedelt?

Bislang nur ein seltener Besucher

In freier Wildbahn ist der Wolf in Baden-Württemberg nur selten anzutreffen. Foto: Adobe Stock/hkuchera

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Zweifel waren schnell ausgeräumt, bei der Sichtung in Kirchberg an der Jagst im Kreis Schwäbisch Hall im April hat es sich definitiv um einen Wolf gehandelt. Ein Autofahrer hatte das Tier bemerkt und Fotos von ihm gemacht. Diese haben im Nachgang die Forstliche Versuchsanstalt in Freiburg im Breisgau sowie das Umweltministerium gesichtet und bestätigt: Eine Verwechslung ist ausgeschlossen. Was bedeutet dies für den Rems-Murr-Kreis? Schließlich beginnt der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald unweit dieser Gegend.

„Grundsätzlich kann überall in Deutschland mit dem Auftauchen weiterer Wölfe gerechnet werden“, teilt eine Sprecherin des Umweltministeriums mit. Einige Tiere würden gegebenenfalls als Durchzügler einmalig bemerkt oder auch unbemerkt von A nach B wandern. So, wie es wohl im April der Fall war. „Vermutlich ist das Tier anschließend wiederholt in Bayern nachgewiesen worden und war lediglich auf der Durchreise“, lautet die Einschätzung der Experten. Aktuell gebe es aus dem Rems-Murr-Kreis und dem Landkreis Schwäbisch Hall keine sicheren Wolfsnachweise.

Als Gegenentwurf zu durchreisenden Tieren sei auch folgender Fall denkbar: Andere Tiere lassen sich in geeigneten Lebensräumen nieder, um auf Partner zu warten. Dies sei im Schwäbisch-Fränkischen Wald derzeit allerdings eher unwahrscheinlich. „Erwartet wird dies in Baden-Württemberg tendenziell eher in Räumen wie der Schwäbischen Alb oder dem bereits von Einzelindividuen besiedelten Schwarzwald oder Odenwald.“ Ausgeschlossen sei eine Ansiedlung des Wolfes im Naturpark jedoch nicht: „Auch darüber hinaus kann der Wolf in weiteren Regionen Baden-Württembergs für ihn geeignete Lebensräume vorfinden“, so die Einschätzung des Umweltministeriums. Was aber müsste geschehen, wenn es tatsächlich so weit sein sollte?

Bislang gibt es nur zwei Präventionsgebiete im Land

In Schwäbisch Hall hatte man sich im Frühjahr damit befasst. Sebastian Schüller, Leiter des Forstamts Schwäbisch Hall, machte angesichts der Wolfssichtung klar: „Wenn er sich ansiedelt, dann wäre natürlich anzustreben, dass der Landkreis Schwäbisch Hall und dann vermutlich auch die benachbarten Landkreise, weil der Wolf ein relativ großes Streifgebiet hat, als Präventionsgebiet erklärt werden.“ Das käme vor allem den Landwirten zugute, denn sie können dann Fördermittel für Umrüstungen beantragen. Eine Förderung von Herdenschutzmaßnahmen außerhalb der Fördergebiete Wolfsprävention ist nicht möglich. Bislang sind in Baden-Württemberg jedoch nur im Schwarzwald und Odenwald solche Gebiete ausgewiesen. Im Schwarzwald halten sich seit Längerem zwei Wölfe auf, im Odenwald ist die Ansässigkeit eines einzelnen Tiers bekannt.

Das Umweltministerium weist darauf hin, dass im „Handlungsleitfaden für das Auftauchen einzelner Wölfe“ der rechtliche und administrative Handlungsrahmen beschrieben ist. Dieser Leitfaden ist von der Landesregierung gemeinsam mit Vertretern aus Jagd, Landwirtschaft, Naturschutz, Verwaltung und Wissenschaft erarbeitet worden. „Er regelt Zuständigkeiten, Kommunikationswege, Abläufe sowie die Überwachung von Wölfen, das sogenannte Monitoring“, erklärt die Ministeriumssprecherin. Dadurch sei sichergestellt, dass sowohl die Entwicklung der Wolfsvorkommen im Land genau beobachtet werde als auch Tierhalter bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen unterstützt würden.

Dieser Leitfaden gilt, „solange sich einzelne zu- und durchwandernde Wölfe in Baden-Württemberg aufhalten“. In dieser Phase, heißt es darin, seien Präventionsmaßnahmen nur schwer durchführbar, da der Aufenthalt dieser Tiere (und damit mögliche Schäden) nicht vorhersagbar sei. „Eine landesweite Prävention wäre in dieser Phase unverhältnismäßig.“ Was also können Landwirte mit Viehherden tun, die sich dennoch schützen wollen? Denn dass Wölfe Weidetiere reißen, kommt auch in Baden-Württemberg immer wieder einmal vor. Das Umweltministerium weist darauf hin, dass Tierhalter außerhalb der Fördergebiete eine kostenlose Herdenschutzberatung durch die Forstliche Versuchsanstalt in Anspruch nehmen können. Schadensausgleichszahlungen bei einem Riss durch den Wolf sind außerdem freiwillig, die Geschädigten haben also keinen Anspruch darauf. Laut Bauernverband Schwäbisch Hall – Hohenlohe – Rems haben einzelnen Nutztierhalter auf eigene Faust mit Zäunen und Herdenschutzhunden vorgesorgt. Sie haben dann meist auch eine entsprechende Versicherung abgeschlossen, die für vom Wolf verursachte Schäden aufkommt.

Im Normalfall stellt der Wolf keine Gefahr für den Menschen dar

Biologie Mitteleuropäische Wölfe wiegen bei einer Schulterhöhe von etwa 70 Zentimetern durchschnittlich 40 Kilogramm. Männchen sind in der Regel schwerer als Weibchen. Im Unterschied zu Schäferhunden sind Wölfe deutlich hochbeiniger. Die Ohren sind relativ klein und dreieckig, der gerade und buschige Schwanz wird meist herabhängend getragen. Häufig haben Wölfe eine schwarze Schwanzspitze und einen dunklen Sattelfleck. Oft sind auch die Vorderseiten der Beine dunkel gefärbt.

Vorkommen Wölfe sind äußerst anpassungsfähig und besiedelten einst die gesamte Nordhalbkugel. In den Süden Deutschlands wandern immer wieder einzelne Wölfe der Wolfspopulation der Südwestalpen ein.

Schutz Der Wolf gilt als besonders und gleichzeitig streng geschützt. Es ist verboten, ihm nachzustellen, ihn zu fangen, zu verletzen oder zu töten. Auch dürfen seine Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nicht beschädigt oder zerstört werden. Zudem gilt ein Verbot der erheblichen Störung während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderzeiten. Ausnahmen der Zugriffsverbote können erteilt werden, beispielsweise im Interesse der menschlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit. Sie müssen vom Regierungspräsidium erteilt werden.

Verhalten Wölfe leben heute auch in Teilen Deutschlands in direkter Nähe zum Menschen und es gehört zum normalen Verhalten, wenn sich Wölfe auch tagsüber von bewohnten Gebäuden aus beobachten lassen, nachts gelegentlich Dörfer durchqueren und nach unzureichend geschützten Nahrungsgütern des Menschen, besonders Schafen, greifen, so die Einschätzung im Handlungsleitfaden Wolf. Die Erfahrung zeige, dass ein solches Verhalten keine Gefährdung des Menschen darstellt und Schäden durch Wölfe mittels Vorsorgemaßnahmen erfolgreich begrenzt werden können.

Gefahr Es ist jedoch möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass der Wolf für den Menschen gefährlich wird. Das kann dann der Fall sein, wenn das Tier beispielsweise unter Tollwut leidet. Solche Tiere können gezielt entnommen werden. Kritisch sehen es die Experten auch, wenn der Wolf konditioniert – also durch die Anwesenheit von Menschen „belohnt“ – wurde, etwa durch Futter oder durch für ihn interessante Gegenstände. Hier lautet die Handlungsempfehlung, das Tier frühzeitig zu besendern und zu vergrämen.