Blitzlichtgewitter am Straßenrand

Für die einen sind sie reine Abzocke, für die anderen ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit – an Geschwindigkeitskontrollen scheiden sich seit jeher die Geister. Der Backnanger Gemeinderat will die Messungen jetzt ausweiten und dafür ein zusätzliches Blitzgerät anschaffen.

Blitzlichtgewitter am Straßenrand

Ein solches Gerät, das mit Lichtschrankentechnik die Geschwindigkeit misst, besitzt die Stadt Backnang bereits, nun will sie ein weiteres anschaffen. Archivfoto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Für Autofahrer, die es mit den Tempolimits nicht so genau nehmen, könnte es im Raum Backnang bald recht ungemütlich werden. Denn auf Wunsch des Gemeinderates wird die Stadt in Kürze ein drittes mobiles Messgerät anschaffen, um damit Temposünder in Backnang und den acht Gemeinden der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft aufzuspüren.

Bisher waren nur zwei Messanlagen im Einsatz, zuletzt sogar nur noch eine. Denn das kleinere der beiden Geräte war wegen möglicher Messfehler in Verruf geraten (siehe Infobox). Um sich nicht angreifbar zu machen, hatte die Backnanger Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer das Gerät des hessischen Herstellers Leivtec deshalb bereits seit März nicht mehr eingesetzt.

Als dann im Juli auch das Regierungspräsidium empfahl, das Gerät nicht mehr zu verwenden, wurde es endgültig ausgemustert, obwohl Gisela Blumer davon überzeugt ist, dass es in Backnang niemals falsche Messungen gegeben hat. Das Gerät, das seit 2014 im Einsatz war, sei schon mehrfach Gegenstand von Gerichtsverfahren gewesen, berichtet Blumer. In allen Fällen hätten unabhängige Gutachter bestätigt, dass die Messungen einwandfrei waren. Trotzdem kam ein weiterer Einsatz nun nicht mehr infrage. Das Gerät wird aber nicht entsorgt: Anstelle der Geschwindigkeit soll es künftig Durchfahrtsverbote überwachen und zum Beispiel Autofahrer blitzen, die von der Grabenstraße verbotenerweise nach links in die Eduard-Breuninger-Straße abbiegen.

Für die Tempomessung wird stattdessen für 118000 Euro eine Blitzanlage vom Typ ESO 8.0 gekauft. Dieses Gerät eines Herstellers aus Tettnang arbeitet mit Lichtschrankentechnik und ist laut Blumer „das rechtssicherste, das es auf dem Markt gibt“. Ein weiterer Vorteil: Die Stadt Backnang besitzt bereits ein Gerät von diesem Typ. Die Mitarbeiter des Vollzugsdienstes sind also mit der Bedienung und Auswertung vertraut.

Neue Blitzsäule an der Spritnase?

Außerdem kann der mobile Blitzer in die Stele an der B14 beim Industriegebiet Lerchenäcker eingebaut und dort zeitweise zur stationären Geschwindigkeitsüberwachung eingesetzt werden. Gut möglich, dass in den nächsten Jahren noch weitere dieser Säulen im Stadtgebiet aufgestellt werden. Gisela Blumer kann sich dies zum Beispiel im Bereich der „Spritnase“ vorstellen, CDU-Stadtrat Andreas Rupp, von Beruf Fahrlehrer, brachte die Obere Bahnhofstraße als weiteren Standort ins Gespräch.

Dem Gemeinderat ist das aber noch zu wenig: „Wir sollten darüber nachdenken, ob wir uns nicht für die große Lösung entscheiden und noch ein weiteres Gerät anschaffen“, meinte SPD-Fraktionschef Heinz Franke im Verwaltungs- und Finanzausschuss und stieß damit fraktionsübergreifend auf Zustimmung. Franke erinnerte daran, dass vor einem Jahr auf dem gesamten Cityring Tempo 40 eingeführt wurde. „Wenn wir das nicht regelmäßig kontrollieren, werden wir nicht mehr ernst genommen“, warnte Franke und forderte auch Kontrollen am späten Abend und in der Nacht, „wenn die Autos mit 70 die Blumenstraße hochschießen.“

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zeigte sich offen für den Vorschlag, wies aber darauf hin, dass es mit der Anschaffung eines weiteren Blitzers nicht getan sei, man brauche auch das Personal, um die Messungen durchzuführen. Gisela Blumer schätzt, dass dafür eine zusätzliche Person im Vollzugsdienst nötig wäre. Der Gemeinderat scheint bereit, eine solche Stelle zu schaffen – vielleicht auch in der Hoffnung, dass sich diese über zusätzliche Bußgeldeinnahmen selbst finanziert. Im Ausschuss wurde ein entsprechender Auftrag an die Verwaltung einstimmig erteilt.

Wann das dritte Blitzgerät zum Einsatz kommen wird, ist allerdings noch unklar. Und auch, um welchen Typ es sich dabei handeln wird. Gisela Blumer plädiert dafür, wieder ein handlicheres Modell zu wählen, das sich auch für kurzfristige Messaktionen eignet. Die größeren Geräte haben nämlich den Nachteil, dass es ungefähr eine halbe Stunde dauert, bis sie aufgebaut und einsatzbereit sind. Über die sozialen Medien hat die Kunde in den einschlägigen Kreisen bis dahin oft schon die Runde gemacht.

Messgerät aus dem Verkehr gezogen

Messfehler Das mobile Laser-Blitzgerät vom Typ Leivtec XV 3 ist bereits im Herbst 2020 in den Verdacht geraten, nicht in allen Fällen korrekte Messdaten zu liefern. Testmessungen unabhängiger Gutachter mit zwei Geräten gleichzeitig ergaben Abweichungen von bis zu
16 Kilometer pro Stunde. Auch eine geänderte Gebrauchsanweisung durch den Hersteller konnte die Messfehler nicht abstellen.

Überprüfung Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die das Gerät zur Geschwindigkeitsmessung zugelassen hatte, führte daraufhin eigene Tests durch, die den Verdacht bestätigten. Abweichungen traten aber nur dann auf, wenn das Messgerät aus Fahrersicht am linken Fahrbahnrand platziert war. Dies sei in Backnang niemals der Fall gewesen, erklärt Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer.

Konsequenzen Das Regierungspräsidium Stuttgart hat im Juli empfohlen, die Leivtec XV3 nicht mehr zur Geschwindigkeitsmessung einzusetzen. Verkehrsteilnehmer, die in der Vergangenheit mit dem Gerät geblitzt wurden, können unter Umständen eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Dies geht aber nur, wenn eine Geldbuße von mehr als 250 Euro oder ein Fahrverbot verhängt wurde.