Bremen und Saarland stützen Rundfunk-Klage der Sender

dpa Bremen/Saarbrücken. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen nach Karlsruhe ziehen, um gegen die Blockade aus Sachsen-Anhalt zur Rundfunkbeitragserhöhung zu kämpfen. Sie bekommen jetzt von ganz anderer Seite Unterstützung.

Bremen und Saarland stützen Rundfunk-Klage der Sender

Die ARD geht davon aus, dass Einschnitte beim Programm nötig werden, wenn die durch das Veto in Sachsen-Anhalt gestoppte bundesweite Beitragserhöhung ausbleibt. Foto: Marius Becker/dpa

Nach der Blockade eines höheren Rundfunkbeitrags durch Sachsen-Anhalt gehen zwei Bundesländer auf Konfrontationskurs zu Magdeburg.

Bremen und das Saarland kündigten an, eine gemeinsame Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht zu schicken. Das flankiert die angekündigten Klagen von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Haushalte müssten ab 1. Januar 2021 eigentlich 18,36 Euro und damit monatlich 86 Cent mehr Rundfunkbeitrag zahlen. Sachsen-Anhalt blockierte aber den Staatsvertrag als einziger Wackelkandidat unter den Bundesländern.

Dass die beiden Bundesländer tätig werden, hat mit den öffentlich-rechtlichen ARD-Anstalten Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk (SR) zu tun. Sie sind im Vergleich zu den anderen sieben ARD-Medienhäusern die kleinsten. Bereits jetzt stützen finanzstarke ARD-Anstalten die beiden. Der Staatsvertrag hätte vorgesehen, dass sie höhere Anteile bekommen.

Mit der Stellungnahme wollen die zwei Länder auf die finanzielle Situation in den Medienhäusern aufmerksam machen. Es soll auch auf das Vorgehen aus Sachsen-Anhalt verwiesen werden. Wenn ein Land von der Empfehlung der unabhängigen Kommission KEF zur Rundfunkbeitragsanpassung abweichen wolle, müsse es gemäß Staatsvertrag tragfähige Gründe vortragen und sie gemeinsam mit den anderen Ländern mit der KEF erörtern, hieß es. Eine etwaige Abweichung wäre zu begründen. Das sei nicht geschehen, lautet die Argumentation.

„Es ist richtig und konsequent, dass nun die Rundfunkanstalten den Klageweg beschreiten, weil ihre elementaren verfassungsrechtlich geschützten Interessen berührt sind“, sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). „Wenn eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Finanzierung der Anstalten nicht mehr gewährleistet ist, besteht für die Trägerländer die Gefahr, in Haftung genommen zu werden.“ Bremen will die Klage der Anstalten im Eilverfahren auch durch eine eigene Prozessvertretung unterstützen.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) bedauerte die Blockade. „Mit diesem Vorgang ist in der föderalen Medienpolitik in Deutschland der Rubikon überschritten. Es bedarf nun dringend einer rechtlichen Klarstellung.“

Rückenwind bekommen Bremen und Saarland von anderen Ländern. Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit: „Ich kann aber versichern, dass auch alle anderen Länder, die dem Staatsvertrag zugestimmt haben, sich sehr aktiv in das Verfahren einbringen werden. Wir werden dies in sehr enger Abstimmung auch mit Bremen und dem Saarland tun.“ Raab koordiniert die Medienpolitik der Länder-Rundfunkkommission.

Das Deutschlandradio will ein Eilverfahren in Karlsruhe anstoßen. Ein Sendersprecher teilte mit, dass man ein Eil- und ein Hauptverfahren anstrenge. Das wäre dann vorgelagert, bis in der Hauptsache entschieden ist. Der Rechtswissenschaftler Bernd Holznagel von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster schätzte unlängst ein, dass bei Erfolg im Eilverfahren der Beitrag - zumindest vorläufig - theoretisch doch zum 1. Januar steigen könnte.

Die ARD-Anstalten wollen noch in diesem Jahr Klage einreichen. Das kündigte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow am Mittwoch im Gespräch mit der dpa an. Am Donnerstag sagte die Intendantin von Radio Bremen, Yvette Gerner, bei der Rundfunkratssitzung des Senders: „Die ARD wird dazu ein Eil- und ein Hauptverfahren in Karlsruhe anstrengen.“

Nach und nach nennen Sender Zahlen zu den Konsequenzen, wenn das Beitragsplus nicht kommt. Dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) würden zusätzlich 35 Millionen Euro pro Jahr fehlen, wie Intendant Joachim Knuth der dpa mitteilte. „Und zwar zusätzlich zu den 300 Millionen Euro, die wir in den kommenden vier Jahren sowieso schon an Kürzungen und Einschnitten vor uns haben.“ Im Mai war bekanntgeworden, dass der öffentlich-rechtliche Sender in den nächsten Jahren seinen Sparkurs verschärft.

Beim Deutschlandradio käme in den kommenden vier Jahren rund 66,5 Millionen Euro Fehlbetrag zusammen. Dem ZDF würden jährlich rund 150 Millionen Euro fehlen. Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wäre es in den nächsten vier Jahren ein Fehlbetrag von 60 Millionen Euro. Der kleinsten ARD-Sendeanstalt Radio Bremen würden rund 800 000 Euro im Monat entgehen. Beim Südwestrundfunk (SWR) werden es wahrscheinlich 39 Millionen Euro im Jahr sein.

Ganz konkrete Auswirkungen wurden im Detail zurzeit nicht bekannt. Sender machten aber klar, dass es Einschnitte im Programm geben würde. Buhrow hatte vor Wochen in einem Interview der „Berliner Zeitung“ ein konkretes Projekt genannt: Eine gemeinsame digitale Kulturplattform, die Angebote aus den meisten ARD-Häuser bündeln würde, käme nicht.

NDR-Intendant Knuth betonte zum Klageweg: „Ich bewerte das, was in Sachsen-Anhalt geschehen ist, als einen kalkulierten Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit, gegen freie Berichterstattung. Denn eine gefühlte Unzufriedenheit mit unserer Informationsgebung, unseren Inhalten ist vermischt worden mit unserer Finanzierung. Das geht meiner Ansicht nach nicht.“

Am Dienstag blockierte das schwarz-rot-grün regierte Sachsen-Anhalt die Erhöhung. Die CDU hatte sich gegen 86 Cent gewehrt und hätte theoretisch im Landtag eine Mehrheit mit der AfD als größter Oppositionspartei mit vielen Sitzen bilden können. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog den Gesetzentwurf Tage vor der Abstimmung wieder zurück. Weil ausnahmslos alle Bundesländer dem entsprechenden Staatsvertrag zustimmen müssen, kann die Anpassung nicht kommen. 14 Landtage haben bereits zugestimmt, eine Abstimmung steht - abgesehen von der Blockade in Magdeburg - nur noch in Thüringen aus. Dort wird auch mit einem Ja gerechnet.

© dpa-infocom, dpa:201210-99-638293/5