Blutspender gesucht, aber nicht alle bitte

Wer Blut spenden will, muss viele private Fragen beantworten, um überhaupt spenden zu dürfen. Wie das abläuft, hat unsere Redakteurin getestet. Eine bestimmte und vielerorts kritisierte Frage, die nur homo- oder bisexuelle Männer betrifft, soll demnächst angepasst werden.

Blutspender gesucht, aber nicht alle bitte

Vor ihrer Blutspende müssen die Leute einen Fragebogen mit einigen sehr intimen Fragen ausfüllen. Foto: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Auenwald. Ich betrete die Auenwalder Gemeindehalle und registriere mich bei einem Mann vom DRK Weissacher Tal: Um 15.15 Uhr habe ich einen Termin zum Blutspenden. Es herrscht eine konzentrierte Stimmung, jeder weiß, was er zu tun hat. Der Eindruck, dass nicht viel los ist, könnte täuschen: Ich habe vergangene Woche den letzten Termin im Online-Buchungsportal ergattert. Die ehrenamtlichen Helfer, die Angestellten des Blutspendediensts, die freiwilligen Spender – alle ziehen an einem Strang, um die Versorgung mit der überlebenswichtigen Flüssigkeit sicherzustellen. Elke Fangrad, die Referentin des DRK-Blutspendediensts Baden-Württemberg/Hessen, freut sich über den Pressebesuch. Mehr Blutspender sind immer besser. Dabei sollen besonders junge Leute zum regelmäßigen Spenden motiviert werden. „Der junge Nachwuchs fehlt“, sagt Fangrad. Doch was erwartet die Personen überhaupt, die sich zu einer Blutspende entschließen?

Nach meiner Registrierung zeige ich zwei weiteren Männern im Eingangsbereich meinen Blutspendeausweis – ich habe bereits einmal gespendet – und meinen Personalausweis. „Wir unterliegen dem Arzneimittelgesetz und müssen uns an die Regeln der Behörden halten“, erklärt Fangrad. Dazu gehört auch die Identifikation der Spender. Volker Obermann kontrolliert meine Ausweise und reicht mir einen Fragebogen. Er ist ebenfalls vom Ortsverein Weissacher Tal, welcher die Aktion in Auenwald unterstützt.

Die Spender müssen sich fragen: Ist mein Blut wirklich zum Spenden geeignet?

An einem der Tische fülle ich den umfangreichen Bogen aus. Eine Stellwand schützt vor fremden Blicken und das ist auch gut so. Denn die Fragen sind nicht nur medizinischer, sondern auch intimer Natur. Fragen zu Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahmen, Reisen, Tattoos und Piercings, aber auch Fragen zu Drogenkonsum und Sexualverhalten muss ich beantworten. Das soll mich nicht nur vom Spenden abhalten, wenn das meine Gesundheit gefährden würde, sondern auch das Risiko ermitteln, mit welchem mein Blut Infektionskrankheiten übertragen könnte. Spenden darf etwa niemand, der sich in den vergangenen vier Monaten ein Piercing, ein Tattoo oder permanentes Make-up stechen lassen hat.

Dabei verpflichtet sich der Spender, wahrheitsgemäß zu antworten und übernimmt ein Stück weit Verantwortung. Zum Beispiel beim Thema Drogen: „Sollten sich Drogen in Ihrem Blut befinden, obwohl Sie dies in Ihrem Spenderfragebogen verneint haben, und sollte der Transfusionsempfänger deswegen zu Schaden kommen, können Sie zur Rechenschaft gezogen werden“, heißt es auf der Website des Blutspendediensts. Für Aufregung sorgt derzeit eine Frage, die nur für Männer bestimmt ist, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant, diese Ungleichbehandlung aufzuheben (siehe Infotext).

Unabhängig von dieser Diskussion muss keine Person, die Blut spenden möchte, vor Ort offenlegen, ob sie dazu geeignet ist oder nicht. Wer bemerkt, dass er nicht spenden sollte, kann dies dennoch tun und so den Schein nach außen hin wahren. Das funktioniert, indem jeder Blutspender nach Ausfüllen des Fragebogens einen Aufkleber mit Strichcode auswählt und auf das Papier klebt. Erst wenn die Mitarbeiter später den Strichcode scannen, erkennen sie, ob die Blutkonserve verwendet werden darf oder weggeworfen werden muss.

Ein Gefühl wie vor dem Türsteher

Nachdem ich mein Blut nach bestem Wissen und Gewissen mit dem vorgesehenen Kleber versehe, geht meine Reise in der Gemeindehalle weiter. Ich komme an einen Tisch, hinter dem der Laborhelfer Michael Pottenger sitzt. Gemeinsam mit seinen Kollegen vom mobilen Blutspendedienst in Mannheim ist er heute für den Termin nach Auenwald gereist. Er guckt über meinen Fragebogen und fragt knapp nach meinem Namen und Geburtsdatum. Es fühlt sich ein bisschen an, wie wenn man den Test vor dem Türsteher bestehen muss. Schaffe ich es weiter? Pottenger verlangt dann meinen Mittelfinger. Er pikst mit einer Nadel hinein, nimmt einen Tropfen Blut mit einem Plastikplättchen auf und überprüft den Hämoglobinwert. Außerdem misst er meine Temperatur und meinen Blutdruck. Es scheint alles in Ordnung zu sein, ich darf weiter zur nächsten Station.

Hinter einem Vorhang versteckt wartet die Ärztin Jutta Grywatz auf mich. Auch sie fragt streng nach meinem Namen und Geburtsdatum, um dann mit mir meinen Fragebogen durchzugehen. „Wo waren Sie denn in Thailand genau und was haben Sie da gemacht?“, hakt sie nach, wohl wissend, dass das beliebte Reiseziel nicht nur ein Risikogebiet für Malaria sein kann, sondern für viele Urlauber auch exzessiven Partyspaß und sexuelle Abenteuer bedeutet. Deutlich wird, dass die Angelegenheit ernst ist. Ich bin als Spenderin willkommen, mein Verhalten wird aber genaustens unter die Lupe genommen. Nach einigen Rückfragen entlässt Grywatz mich zur Blutentnahme – das würde sie auch tun, wenn ich nicht spendegeeignet bin, aber den entsprechenden Kleber gewählt habe.

Die Blutabnahme ist in wenigen Minuten erledigt

Ich lege mich auf eine der zehn Behandlungsliegen, die für die Blutabnahme bereit stehen. Die Heilpraktikerin und medizinische Fachkraft Katriina Ulischnik aus Murr kümmert sich um mich. Auch sie fragt abermals nach meinem Namen und Geburtsdatum und überprüft die Angaben auf dem Fragebogen. Denn würde da etwas vertauscht, könnte das für den Empfänger lebensbedrohlich enden. Sie bindet meinen Oberarm ab, das Blut in meinem Arm staut sich und meine Venen treten hervor. Ich soll eine Faust machen und pumpen. Ein Piks und die Nadel steckt in der Vene an meiner Armbeuge. Und schon fließt mein Blut einen Schlauch hinunter in die vorgesehenen Behälter.

Nach knappen fünf Minuten habe ich die Prozedur überstanden. Ulischnik entfernt die Nadel und ich drücke einen Tupfer auf die Einstichstelle. Ich erhalte kurze Zeit später einen Verband und soll zur Beobachtung zehn Minuten sitzen bleiben, falls mir schwindelig wird. Abschließend darf ich mir meine wohlverdiente Vespertüte abholen; ein Apfel, ein süßes Getränk, ein Schokoriegel und ein Sandwich sind meine Belohnung. „In den nächsten Monaten wird es hier wieder einen Imbiss vor Ort geben“, verrät Elke Fangrad. Das DRK Weissacher Tal kocht und serviert dann wieder wie vor Corona eine leckere Mahlzeit – eine kleine Wertschätzung und ein Dankeschön an alle, die helfen, Leben zu retten.

Fürs Blutspenden soll die sexuelle Orientierung künftig irrelevant sein

Bisherige Regelung Männer, die in den vergangenen vier Monaten Sexualverkehr mit mindestens einem neuen gleichgeschlechtlichen Partner hatten, dürfen kein Blut spenden. Alle anderen Personen werden nur gesperrt, wenn sie häufig wechselnde Geschlechtspartner haben. „Homosexuelle Männer werden hier als vermeintlich höhere Risikogruppe eingestuft“, erklärt Elke Fangrad vom Blutspendedienst. Die Annahme ist, dass beim Geschlechtsverkehr zwischen Männern das Risiko höher ist, eine Infektionen wie zum Beispiel HIV und Hepatitis zu übertragen.

Änderung Wie im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbart, will der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun die Ungleichbehandlung aufheben. Das geht aus einem Änderungsantrag zum Transfusionsgesetz hervor. „Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung. Versteckte Diskriminierung darf es auch bei diesem Thema nicht geben“, sagte Lauterbach. Die Gesetzesänderung soll zum 1. April in Kraft treten und die Bundesärztekammer verpflichten, die Richtlinien anzupassen.

Debatte Während etwa die Deutsche Aidshilfe von Diskriminierung schwuler Personen und einer Stigmatisierung von Transpersonen spricht, sagte die Bundesärztekammer, dass die Frage der Zulassung zur Blutspende auf der Basis der jeweils aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten entschieden werde. Weichen die Politiker davon ab, stünden sie auch in der Verantwortung, wenn Menschen zu Schaden kommen. Die Ärztin Jutta Grywatz, die bei der Blutspendeaktion in Auenwald gearbeitet hat (siehe Haupttext), schließt sich dem an. Über Lauterbachs Plan sagt sie: „Ich finde das schlecht. Aus medizinischen Gründen.“ Es sei bei der Praxis von Geschlechtsverkehr zwischen Männern von einer höheren Verletzungsgefahr und daher auch von einem höheren Infektionsrisiko auszugehen.

Bluttest Aber wird das Blut nicht sowieso auf Viren getestet? Jutta Grywatz antwortet: „Ja, aber wenn ich mich gestern mit HIV infiziert habe und heute spende, ist der Bluttest noch negativ.“ Der Empfänger des Spenderbluts könnte sich also mit dem Virus infizieren, obwohl der Test negativ ausgefallen ist.