Im Konflikt um die Grundsteuer-Erhöhung in Tübingen will Boris Palmer nun gegen Haus&Grund klagen. Viele weitere Eigentümer ziehen derweil ihren eingereichten Widerspruch wieder zurück.
OB Boris Palmer kritisiert Haus&Grund und deren Tübinger Vorsitzende Dagmar König für den Hinweis, der offenbar hunderte Widersprüche gegen die Grundsteuer-Erhöhung ausgelöst hat.
Von Florian Dürr
Seit Wochen schwelt in Tübingen eine heftige Auseinandersetzung über die rückwirkende Grundsteuer-Erhöhung: Auf der einen Seite der Eigentümerverein Haus&Grund, der seine Mitglieder auf eine mögliche rechtswidrige Anhebung aufmerksam machte. Auf der anderen Seite Tübingens streitbarer Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos), der sich über eine seiner Ansicht nach sinnlose Beschäftigung der Verwaltung wegen der hunderten „unbegründeten“ Widersprüche beschwerte.
Erst hatte es der Rathauschef mit einer Unterlassungserklärung versucht – und dem Eigentümerverein bis zum 24. Oktober Zeit gegeben, diese zu unterzeichnen. Palmers Forderung: „Künftig jede Wiederholung oder Verbreitung der falschen Behauptung zu unterlassen, die Satzung zur Erhöhung der Grundsteuer B sei nicht öffentlich bekannt gemacht worden“, hieß es in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt.
Boris Palmer: Tübinger Rechtsabteilung bereitet Klage vor
Doch Haus&Grund hat die Frist verstreichen lassen. „Diese Unterlassungsforderung ist unbegründet“, teilt der Tübinger Ableger des Vereins auf seiner Internetseite und in einer Pressemitteilung mit. Denn aus dem „von dritter Seite in Auftrag gegebenen“ Gutachten, das auf eine mögliche fehlerhafte Bekanntmachung der Hebesatz-Erhöhung hinweist, habe man „lediglich zitiert“ und sich „dessen Inhalt nicht zu eigen gemacht“. Der Verein warte nun das Ergebnis eines weiteren, eigens in Auftrag gegebenen Gutachtens „eines renommierten Kommunalverfassungsrechtlers“ ab, heißt es weiter.
Im Tübinger Rathaus beschäftigt sich derweil die Rechtsabteilung mit der Stellungnahme von Haus&Grund, die über einen Anwalt direkt an OB Palmer adressiert wurde. Man bereite die Klage-Einreichung vor, informiert der Ex-Grüne. Er hatte schon im Vorfeld angekündigt, gerichtlich gegen Haus&Grund vorzugehen, wenn der Eigentümerverein die Unterlassungserklärung nicht unterzeichnen sollte.
Grundsteuer-Satzung laut Palmer korrekt veröffentlicht
„Das ist alles ausgesprochen ärgerlich“, sagt Palmer. Es sei „zweifellos belegt“, dass die sogenannte Änderungssatzung ordnungsgemäß veröffentlicht wurde. Das hat auch die zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Tübingen, gegenüber unserer Zeitung bestätigt: Man habe „keine Anhaltspunkte für eine mangelhafte Bekanntmachung der Satzung“. Der Tübinger OB fordert von Haus&Grund die konkreten möglichen Mängel transparent zu machen: „Wir kennen weder das eine noch das andere Gutachten“, sagt Palmer.
Über 100 Tübinger ziehen Grundsteuer-Widerspruch zurück
Etwa 100 Eigentümer sind bereits Palmers Aufforderung zur Zurücknahme der Widersprüche gefolgt. Insgesamt gab es rund 570 fristgerecht eingereichte und circa 120 nicht-fristgerecht eingereichte Widersprüche, teilt eine Sprecherin der Stadt auf Nachfrage mit.
Tübingen hatte im Sommer für einen genehmigungsfähigen Haushalt den Hebesatz für die Grundsteuer B rückwirkend zum 1. Januar angehoben – und ist damit laut einer Datenanalyse unserer Zeitung die Stadt mit der höchsten Grundsteuer-Belastung in Baden-Württemberg.
Dieser Artikel erschien erstmals am 29.10.2025 und wurde am 30.10. aktualisiert.