Kohleausstieg auf der Zielgeraden - Wo hakt es noch?

Von Von Teresa Dapp, dpa

dpa Berlin. Ist er nicht längst besiegelt, der deutsche Kohleausstieg? Könnte man meinen - aber die Gesetze dafür sollen erst kommende Woche beschlossen werden. Und da gibt es noch ein paar Fragezeichen.

Kohleausstieg auf der Zielgeraden - Wo hakt es noch?

Polizisten stehen im Hambacher Forst neben einer Planierraupe. Foto: David Young/dpa

Das Ziel-Datum 2038 für den Kohleausstieg steht schon seit eineinhalb Jahren - jetzt sind die Verhandlungen über das Mammutprojekt endgültig auf der Zielgeraden.

Die Bundesregierung legte am Mittwoch Verträge mit den Braunkohle-Konzernen vor, die neben 4,35 Milliarden Euro Entschädigung auch den Abschaltplan für die Kraftwerke enthalten. Kommende Woche sollen Bundestag und Bundesrat den Sack zumachen und alle Gesetze zum Kohleausstieg beschließen. Doch bis dahin gibt es noch ein paar Hürden.

Bis zum späten Dienstagabend hatten Regierung, Länder und Bundestag um Änderungen an den Gesetzen zum Kohleausstieg selbst und zu den Hilfen für die betroffenen Regionen gefeilscht. Ein Thema blieb in den Beschlüssen des Kabinetts dann außen vor: Der Umgang mit Steinkohlekraftwerken, insbesondere den jüngeren. Deren Betreiber, dazu gehören etwa auch Stadtwerke, sehen sich gegenüber den großen Braunkohle-Unternehmen benachteiligt. Möglich ist, dass der Bund das mit großzügigeren Entschädigungen löst.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ließ sich davon die Laune nicht verderben: Man habe den Weg frei gemacht für den Abschluss des parlamentarischen Verfahrens, sagte er. Kommende Woche ist die letzte Chance vor der Sommerpause. Bis zu 40 Milliarden Euro soll dann den Braunkohle-Regionen - das sind vor allem die Lausitz, das Mitteldeutsche Revier und das Rheinische Revier - zugesprochen werden, eine weitere Milliarde geht in Steinkohle-Regionen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte, die Bundesregierung habe „die entscheidenden Weichen“ für einen Beschluss kommende Woche gestellt.

Es ist eineinhalb Jahre her, dass in der Kohlekommission Wirtschaftsvertreter und Klimaschützer ein Konzept für den Ausstieg aus der Kohle vorgelegt haben. „Eineinhalb Jahre, die nicht einfach waren“, räumte Altmaier ein. Jetzt gebe es nach dem „großen Konsens“ zum Atomausstieg die Chance, das beim Kohleausstieg zu schaffen.

Unterschrieben werden und in Kraft treten kann der Braunkohle-Vertrag erst, wenn der Bundestag ihn abgesegnet hat und das Gesetz zum Kohleausstieg beschlossen ist. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hob hervor, dass er den Braunkohle-Betreibern zwar Planungssicherheit gebe, aber auch „politische Flexibilität“ gewahrt bleibe.

Tatsächlich macht der Vertrag deutlich, dass es mit dem Kohleausstieg auch schneller gehen könnte. Der Abschalt-Termin für einzelne Kraftwerke kann damit um drei Jahre vorgezogen werden, und zwar ohne zusätzliche Entschädigung, wenn der Bund dies fünf Jahre vor dem früheren Datum beschließt. Zudem schreibt der Vertrag fest, dass politische Entscheidungen, die Kohlekraftwerke unwirtschaftlich machen könnten, nicht zu zusätzlichen Entschädigungsansprüchen führen - etwa, wenn der CO2-Preis steigt, Energiesteuern sich ändern oder erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden. Klagen gegen den Kohleausstieg schließen die Unternehmen aus, wenn sie unterzeichnen.

Kritiker hatten befürchtet, dass der Bund sich selbst über den Vertrag den klimapolitischen Handlungsspielraum nehmen könnte - und zeigten sich erleichtert. „Der Kohleausstieg wird schneller kommen, als viele gucken können“, sagte der Chef des Umwelt-Dachverbands Deutscher Naturschutzring, Kai Niebert. Das Gesetz zum Kohleausstieg werde sich immer mehr zur „Rückfalloption“ entwickeln.

Der Vertrag soll auch den Erhalt des umkämpften Hambacher Forsts in Nordrhein-Westfalen sichern. „Durch die Einhaltung des Stilllegungspfads kann sichergestellt werden, dass der Hambacher Forst (...) erhalten bleibt“, heißt es darin. Der Konzern RWE werde den Wald, der zu einem Symbol des Widerstands gegen klimaschädlichen Kohlestrom geworden ist, „nicht für den Tagebau in Anspruch nehmen“.

Mit Blick auf den notwendigen, aber aufwendigen und teuren Rückbau der riesigen Tagebaue stellt der Vertrag klar, dass die Entschädigung - 2,6 Milliarden Euro für RWE, 1,75 Milliarden für das Kohle-Unternehmen Leag - genutzt werden muss, um „die Tagebaufolgekosten rechtzeitig abzudecken“.

Die Grünen im Bundestag zeigten sich dennoch unzufrieden. Den Konzernen werde der Ausstieg „vergoldet“, aber beim Klimaschutz weiche man von den Vorschlägen der Kohlekommission ab, bemängelte Fraktionsvize Oliver Krischer.

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