Brexit kein Thema beim EU-Gipfel

Zum Ärger der Briten wird in Brüssel das Austrittsabkommen nicht nachverhandelt

Von Markus Grabitz

Brüssel Zu beneiden ist sie nicht. Wenige Stunden ist es her, dass Theresa May der Welle des Misstrauens in der eigenen Fraktion knapp widerstanden hat. Da muss sie in Brüssel antreten. Sie hat aber auch beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU einen schweren Stand. Das wird schon an den Gesprächsformaten deutlich, die die Gipfelregie vorgesehen hat. Eine echte Diskussion mit den anderen „Chefs“ über den Brexit-Vertrag wird ihr vollkommen verweigert. Sie darf lediglich noch ihre Wünsche äußern, welche rechtlichen Klarstellungen zu der umstrittenen Notfalllösung für die irische Grenze sie noch gern hätte.

Was die EU bereit ist, ihr zu geben, darüber wurde nach dem Abendessen dann ohne sie beraten. Auf die Briten wirkt schon dies wie eine Demütigung. Die Europäische Union hat jedoch bisher stets darauf geachtet, dass die eigentlichen Verhandlungen zwischen London und Brüssel nicht auf Gipfeltreffen geführt werden. Hierfür wurden Unterhändler bestimmt.

Kanzlerin Angela Merkel sagte vor Gipfelbeginn: Es sei sehr erfreulich, dass Theresa May das Misstrauensvotum überstanden habe und ihre Arbeit fortsetzen könne. Weiteren Spielraum gebe es aber nicht: Das Austrittsabkommen sei sehr gut verhandelt: „Ich sehe nicht, dass wir das Abkommen noch einmal verhandeln können.“ Nur Klarstellungen seien möglich. Sie betonte den guten Willen der EU. Die Gespräche würden „immer in dem Geist geführt, dass wir gute Beziehungen zu Großbritannien wollen.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron formulierte es so: Eine „politische Diskussion“ sei möglich, „juristisch“ sei nichts zu machen, da der Vertrag unter Dach und Fach sei.

Auf Botschafterebene waren bereits sechs Punkte für eine Erklärung diskutiert worden, die man May anbieten wollte. So sollte versichert werden, dass die EU die im Vereinigten Königreich heftig abgelehnte Notfalllösung zur irischen Grenze nicht anstrebe, sondern einen Freihandelsvertrag mit London abschließen wolle.

Am ersten Tag standen noch andere Themen auf dem Programm des Gipfels. Erstmals sprachen die Staats- und Regierungschefs in der Sache über den Vorschlag von Haushaltskommissar Günther Oettinger für den mittelfristigen Finanzrahmen 2021 bis 2027. Ein EU-Diplomat sagte vorher: „Ich erwarte eine sehr lange Debatte zu einer Vielzahl von Themen.“ Österreich führt gerade turnusgemäß die Geschäfte im Rat, dem Gremium der Mitgliedstaaten. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verwies darauf, dass sein Land Vorarbeiten für eine inhaltliche Auseinandersetzung geliefert habe. Merkel kündigte an, sich in die Diskussion über den Haushalt der Europäischen Union „sehr aktiv“ mit einzubringen.

Im Entwurf für das Schlussdokument des Gipfels heißt es, dass die Mitgliedstaaten die Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens bis zum Herbst nächsten Jahres anpeilen. Erneut stand beim letzten Gipfeltreffen des Jahres wieder eine Entscheidung über die Verlängerung der Russland-Sanktionen an. Tatsächlich gelang den 28 Staaten eine einstimmige Entscheidung zur Verlängerung der Sanktionen. Es habe im Friedensprozess für die Ukraine zuletzt „null Fortschritt“ gegeben, begründete EU-Ratspräsident Donald Tusk auf Twitter. Die Sanktionen sollen weitere sechs Monate gelten. Nach der Konfrontation vor der Krim Ende November forderte der Gipfel zudem die sofortige Freilassung der von Russland festgenommenen ukrainischen Seeleute. Im Entwurf für das Gipfeldokument hieß es vorab: Die EU sei „besorgt über die Eskalation in der Straße von Kertsch und im Asowschen Meer“.