Deutschland will Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur ausgeben. Damit werden die Schulden stark steigen. Trotz strenger Haushaltsregeln stimmt die EU-Kommission den Plänen aus Berlin zu.
Die EU-Kommission überwacht, ob die Mitgliedsstaaten die europäischen Schuldenvorgaben einhalten.
Von dpa
Brüssel - Trotz immenser neuer Milliardenschulden nickt die EU-Kommission die langfristigen Haushaltspläne der Bundesregierung ab. Das deutsche Konzept für die Jahre 2025 bis 2031 stehe im Einklang mit den europäischen Budgetvorgaben, teilte die für die Überwachung zuständige Brüsseler Behörde mit.
Deutschland darf aus Sicht der Kommission außerdem eine Sonderregel für Verteidigungsausgaben nutzen: Werden wegen Investitionen in Aufrüstung mehr Schulden gemacht als eigentlich erlaubt, soll Berlin kein Strafverfahren fürchten müssen.
Zwar sei zu erwarten, dass Deutschland in den kommenden Jahren die Vorgaben zeitweise breche. Aber im Kern machten die Pläne des Bundesfinanzministeriums wirtschaftlich Sinn und die Regeln ließen dies zu heißt es von der EU-Kommission. Zusammen mit der besonderen Ausnahmeregel für Verteidigung eröffneten sie Deutschland einen klaren und regelkonformen Weg.
Bundesregierung beschloss Milliarden-Finanzpaket
Dass die Kommission den deutschen Haushaltsplan so annimmt, war zuvor nicht vollkommen sicher. Experten etwa der Brüsseler Denkfabrik Bruegel hatten zuvor Zweifel, ob die Bundesregierung mit ihrem beschlossenen Milliarden-Finanzpaket die EU-Schuldenvorgaben einhalten kann.
Die schwarz-rote Bundesregierung plant, in den kommenden Jahren in riesigem Umfang Schulden aufzunehmen und so mehr in Verteidigung sowie in Infrastruktur und Klimaschutz investieren zu können. Dafür wurde die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gelockert. Das sogenannte Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz umfasst 500 Milliarden Euro.
EU-Vorgaben gelten für Schuldenstand und Neuverschuldung
Die europäischen Schuldenregeln, auch Stabilitäts- und Wachstumspakt genannt, gelten für alle Mitgliedsländer der EU. Das Regelwerk schreibt unter anderem vor, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben. Wer die Grenzen übertritt, riskiert ein Strafverfahren. Gegen Frankreich, Italien und einige andere EU-Länder sind derzeit daher Defizitverfahren anhängig.
Deutschland wird wohl etwa die Drei-Prozent-Regel vorübergehend überschreiten, wie aus dem vom Bundesfinanzministerium erstellten und der EU-Kommission nun geprüften Haushaltsplan hervorgeht. Das löse aber nicht automatisch ein Strafverfahren aus, heißt es in Brüssel: Dafür müsste ein Überschreiten etwa länger als vorübergehend sein und könne sich nicht durch außergewöhnliche Umstände - wie etwa Verteidigungsausgaben - rechtfertigen lassen. Die Entscheidung stütze sich zudem immer auf tatsächliche Daten, nicht auf Prognosen.
Zudem wird erwartet, dass Deutschland einen höheren Schuldenstand als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung aufweisen wird - allerdings nicht höher als 67 Prozent, wie aus Angaben der Kommission hervorgeht.
Deutschland darf zusätzliche Schulden für Rüstung machen
Verteidigungsausgaben seien dabei aber nicht komplett einberechnet, heißt es. Denn: Durch die vorgesehene Aktivierung der Klausel kann Deutschland über vier Jahre zusätzlich 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben, ohne dass es mit einem - normalerweise drohenden - Strafverfahren rechnen muss.
Angesichts der anhaltenden russischen Angriffe auf die Ukraine will die EU stark aufrüsten. Die Europäische Kommission hatte die Aktivierung der Ausweichklausel vorgeschlagen, um mit der Ausnahme von den strengen Haushaltsregeln mehr Investitionen in Verteidigung zu ermöglichen. Auch Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn machen von ihr Gebrauch.
Finanzministerium hatte mehrjährigen Haushaltsplan eingereicht
Konkret stützt sich die Bewertung der Kommission auf den vom Bundesfinanzministerium im Juli eingereichten sogenannten mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plan. Solch einen mehrjährigen Plan muss jedes Land aufstellen, um für solide Finanzen gemäß der europäischen Schuldenregeln zu sorgen.
Der Rat der Mitgliedsstaaten muss der Bewertung der Kommission sowie der Aktivierung der Sonderregel für Verteidigungsausgaben noch zustimmen. Das ist derzeit für Mitte Oktober geplant.
Deutschland darf aus der Sicht der EU-Kommission eine Sonderregel für Verteidigungsausgaben nutzen.
Das Bundesfinanzministerium hat den mittelfristigen finanzpolitisch-strukturellen Plan im Juli in Brüssel eingereicht.