Brutal zu Boden geworfen

Ein 33-jähriger Rettungsassistent attackiert einen 40-Jährigen an der Bushaltestelle und fügt ihm lebensgefährliche Verletzungen zu.

Brutal zu Boden geworfen

Ein Jahr und zwei Monate Gefängnis sind das Ergebnis der undurchdachten Aktion des Angeklagten. Foto: okanakdeniz - stock.adobe.com

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsrichter hat sich ein 33-jähriger Rettungsassistent wegen Körperverletzung zu verantworten. Nach knapp zweistündiger Verhandlung wird er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

An einem Abend im März dieses Jahres wartet an einer Bushaltestelle der Stadt ein 40-Jähriger. Der Zufall will es, dass die Ex-Freundin des 40-Jährigen mit ihrem Neuen vorbeischlendert. Der 40-Jährige grüßt sie freundlich, fragt nach ihrem Ergehen. Daraufhin flüstert die Ex ihrem Begleiter etwas ins Ohr. Kaum hat dieser das vernommen, stürzt er auf den 40-Jährigen zu, würgt ihn am Hals und schlägt ihn zu Boden. Ein Autofahrer, der die Attacke beobachtet, parkt sein Fahrzeug und stellt den Schläger zur Rede. Andere Passanten nehmen sich des Verletzten an, versorgen seine Wunden. Die Polizei kommt dazu.

Vor Gericht teilt der Rettungsassistent mit, der Anlass für die rüde Attacke sei gewesen, dass er erfahren habe, der 40-Jährige habe mit Kinderpornografie zu tun. Warum er auf sein Opfer so brutal losgegangen sei, kann er nicht erklären. Das eine Mal spricht der 33-Jährige davon, dass er den 40-Jährigen zur Rede stellen wollte, das andere Mal, dass er einen Blackout gehabt habe. Er habe den 40-Jährigen am Kragen gepackt und gestoßen. Dieser sei zu Boden gestürzt. Bewusstlos sei der andere nie gewesen. Der Richter betont: Selbst wenn das, was der Rettungssanitäter dem 40-Jährigen unterstelle, zutreffe, sei es Aufgabe der Strafbehörden, das zu verfolgen. Selbstjustiz zu üben sei nie gut. Der Verteidiger des Angeklagten weist darauf hin, dass sein Mandant sich zu einem Anti-Aggressions-Training angemeldet habe.

Der Betroffene schildert die Sache anders. Am Hals habe ihn der Angeklagte gepackt und gewürgt. Dadurch habe er das Bewusstsein verloren. Drei Platzwunden am Kopf und eine Gehirnerschütterung habe er sich zugezogen. Eine Nacht musste er im Krankenhaus zur Beobachtung bleiben. Ein mit dem Fall befasster Polizist sagt, dass die Kopfwunden nicht allein vom Sturz auf den Gehweg herrühren können. Es sei anzunehmen, dass der am Boden Liegende noch getreten wurde. Aber dafür gebe es keine Zeugen.

Der Autofahrer sagt als Zeuge, dass der Rettungsassistent sein Gegenüber im Nacken gepackt und auf den Boden geschleudert habe. Die Freundin des Angeklagten steht wegen eines Kuraufenthalts nicht als Zeugin zur Verfügung.

Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt. Insgesamt 21 Einträge weist sein Vorstrafenregister auf: Fahren ohne Führerschein, Verstöße gegen das Waffengesetz, Betrug, Urkundenfälschung und das Erschleichen von Leistungen sind dabei. Richter wie auch Staatsanwalt äußern ihr Erschrecken darüber, dass der Angeklagte erst zwei Monate vor dem hier berichteten Vorfall aus dem Gefängnis entlassen worden ist.

Der Staatsanwalt kreidet in seinem Plädoyer dem Angeklagten an, dass er seine Tat beschönigt habe, nur das einräume, was ihm nachgewiesen werden könne. Ohne jeglichen Grund sei er gegen sein Opfer vorgegangen. Schon allein das Würgen sei lebensgefährlich gewesen. Die Wunden des 40-Jährigen lassen annehmen, dass der Angeklagte seinem Opfer weitere Schläge verpasste. Im Blick auf das Vorstrafenregister hebt er hervor, dass der 33-Jährige bisher keine Bewährung durchgestanden habe. Und jetzt in der Verhandlung, stellt der Staatsanwalt erzürnt fest, habe der Angeklagte für den 40-Jährigen, als dieser von den gesundheitlichen Folgen des Vorfalls erzählte, nur ein hämisches Grinsen übrig gehabt. Der Angeklagte sei zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis zu verurteilen.

Der Verteidiger sagt: Die Gefangenenhierarchie, die sein Mandant kennengelernt habe, lasse Sexualstraftäter auf der untersten Stufe erscheinen. Das erkläre vielleicht, warum er sich auf das Gerücht hin auf sein Opfer stürzte. In puncto Körperverletzung sei sein Mandant bisher nie auffällig geworden. Er verweist nochmals auf das geplante Anti-Aggressions-Training und plädiert für eine einjährige Bewährungsstrafe, die durch entsprechende Auflagen flankiert sein sollte.

Zum letzten Wort aufgefordert, spricht der Angeklagte davon, dass ihm die Sache auf der einen Seite sehr leidtue. Von der anderen Seite spricht er nicht.

Der Richter verurteilt den Angeklagten zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis. „Zwei Monate nach Haftentlassung“, sagt der Richter – und ein zorniger Unterton ist dabei nicht zu überhören, „lassen Sie sich zu so einer Scheiße hinreißen!“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.