Die 2024 von Sahra Wagenknecht gegründete Partei trifft sich an diesem Wochenende in Magdeburg. Gesucht wird, unter anderem: Eine neue Parteispitze. Ein neuer Name. Und eine gemeinsame Linie.
Noch ist Sahra Wagenknecht die zentrale Figur der von ihr gegründeten Partei. (Archivbild)
Von Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa
Magdeburg - Das Bündnis Sahra Wagenknecht steht vor einer tiefen Zäsur. Beim heute in Magdeburg beginnenden Bundesparteitag will die Parteigründerin den Vorsitz abgeben. Das BSW soll in einigen Monaten nicht mehr ihren Namen tragen. Und der Plan, die Bundestagswahl neu auszählen zu lassen und vielleicht doch noch ins Parlament zu kommen, geht vorerst nicht auf. Ist das der Anfang vom Ende der erst 2024 gegründeten Partei? "Natürlich nicht", sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. Auch ihre neue Rolle in der Partei sei "das Gegenteil von Rückzug".
Die neue Aufstellung
Wagenknecht hat angekündigt, sie wolle vorerst nur noch Chefin einer Grundwertekommission im BSW sein. Ihr Vorschlag für die neue Spitze: Der Europaabgeordnete Fabio De Masi soll die Partei mit der bisherigen Co-Chefin Amira Mohamed Ali führen. Ex-Fußballmanager Oliver Ruhnert soll Generalsekretär werden. Für die künftig sieben Vizes hat die Parteispitze ein Personalpaket geschnürt.
Doch regte sich deutlicher Widerspruch. Nach Angaben aus der Partei könnte es etliche Gegenkandidaturen für die erweiterte Spitze geben. Zuletzt sagte der frühere brandenburgische Landeschef Robert Crumbach, er erwäge eine Kandidatur für den Parteivorsitz oder einen der Vizeposten.
Für das BSW ist das neu. Bisher wurden Vorschläge von oben meist geschmeidig durchgewunken. "Durch den Verzicht von Sahra Wagenknecht auf den Vorsitz ist auch so etwas wie ein Machtvakuum entstanden, das nun einige zu füllen versuchen", sagte der rheinland-pfälzische BSW-Landeschef Alexander Ulrich der dpa. Die Partei sei von wenigen Hundert auf mehr als 10.000 Mitglieder gewachsen. Erstmals gebe es Strömungen im BSW – das sei auch eine Normalisierung, sagte Ulrich.
Welche Richtung soll es sein?
Auch der von der Parteispitze formulierte Leitantrag zum Parteitag stößt einigen auf – es gibt viele Änderungsanträge. Die zentralen Forderungen im bisherigen Entwurf: Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine; kein Wehrdienst; Import von Pipeline-Gas und -Öl aus Russland; Rentenreform mit Einbeziehung von Beamten, Selbstständigen und Politikern; Mieten einfrieren; Mindestlohn auf 15 Euro; hohe Vermögen besteuern; US-Tech-Konzerne mit Strafsteuern belegen; "mehr direkte Demokratie" und Volksentscheide.
Bedenken gibt es zum Beispiel, ob sich die Partei zu wirtschaftsfreundlich ausrichtet. Wagenknecht nennt neben Frieden, Bildungschancen und Meinungsvielfalt als vierte Säule der Partei "eine vernünftige Wirtschafts- und Energiepolitik, die Deutschland als modernes Industrieland mit einem starken Mittelstand erhält". Ihre langjährige Kollegin Sevim Dagdelen setzt einen anderen Akzent: "Als Partei der sozialen Gerechtigkeit dürfen wir beim Thema Abrüstung und bei der Besteuerung der Superreichen keine halben Sachen machen. Jetzt sind klare und deutliche Akzente gefragt."
Grundsatzfrage: Regieren oder nicht?
Praktisch zeitgleich mit der Ankündigung von Wagenknechts neuer Rolle brachen in etlichen Landesverbänden Grabenkämpfe aus, so etwa in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bayern. Dabei ging es um Zwistigkeiten der handelnden Personen, aber auch ums Grundsätzliche: Regieren oder Totalopposition? "Es gibt einen Grunddissens: Will man gestalten oder will man kritisieren?", sagte der Brandenburger Crumbach der "Welt". In Brandenburg reagieren SPD und BSW gemeinsam.
Wagenknecht hat sich zuletzt skeptisch gegen Regierungsbeteiligungen geäußert und vor allem die Brombeer-Koalition in Thüringen kritisiert. Auf Nachfrage sagte sie: "Menschen, die das BSW wählen, wählen BSW-Politik. Soweit sie in Regierungen umsetzbar ist, sollte man das machen."
In Sachsen-Anhalt, wo vor der Landtagswahl 2026 die AfD in Umfragen führt, werde sich das BSW nicht an einer Anti-AfD-Koalition beteiligen, bekräftigte Wagenknecht. "Das BSW plädiert für ein Kompetenz-Kabinett, in dem nicht Parteienvertreter, sondern unabhängige Persönlichkeiten sitzen. Eine solche Regierung könnte dann mit wechselnden Mehrheiten regieren."
Chance oder Untergang?
Beim Parteitag könnte sich entscheiden, ob das BSW das Image einer übermäßig personalisierten Eine-Frau-Partei loswird und sich neu findet. Oder ob die Partei implodiert. Wagenknecht tut alles Untergangsgeunke ab. "Das BSW wächst." 6.000 offene Aufnahmeanträge lägen vor. Sie verweist auf die von ihr gewonnenen neuen Führungsleute De Masi und Ruhnert: "Glauben Sie im Ernst, solche Persönlichkeiten würden in ein sterbendes Projekt einsteigen?"
Die Leute sind skeptisch
Umfragen sind für das BSW allerdings nicht rosig. Bundesweit wurden zuletzt 3 bis 4 Prozent gemessen. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Berlin, wo nächstes Jahr gewählt wird, sieht es ähnlich aus. Nur in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, ebenfalls mit Landtagswahlen 2026, liegt das BSW derzeit etwas über der Fünf-Prozent-Hürde.
In einer YouGov-Umfrage vom November sagten 53 Prozent der knapp 2.400 Befragten, das BSW werde "in Zukunft eher keine Rolle mehr spielen". Für 26 Prozent ist das ungewiss. 11 Prozent gaben an, das BSW werde "in Zukunft weiterhin eine Rolle spielen". 9 Prozent machten keine Angaben.
Wagenknecht hat sich entschieden, sich aus der ersten Reihe zurückzuziehen. (Archivbild)
Fabio De Masi ist der Wunschkandidat der Parteispitze für den Vorsitz. (Archivbild)
Amira Mohamed Ali ist bereits Co-Vorsitzende und soll es bleiben. (Archivbild)