Zwischenlager in Philippsburg

Bürgermeister Martus wehrt sich gegen Castor-Behälter

Im vorigen Jahr wurden vier Castor-Behälter mit radioaktivem Abfall ins Zwischenlager Philippsburg gebracht. Der Verwaltungsgerichtshof wird nun entscheiden, ob das rechtens war.

Bürgermeister Martus wehrt sich gegen Castor-Behälter

Nur wenige Demonstranten waren vor Ort, als im November vier Castoren mit Atommüll aus dem französischen La Hague nach Philippsburg transportiert wurden.

Von Rainer Pörtner

Stefan Martus hat versucht, die Einlagerung des radioaktiven Abfalls in seiner Stadt in letzter Minute abzuwenden. Aber der Bürgermeister von Philippsburg scheiterte mit seinem Eilantrag vor Gericht: am 20. November vorigen Jahres rollte ein Zug aus Frankreich mit vier Castor-Behältern im Bahnhof seiner Stadt ein.

Einige hundert Polizisten, ein paar Demonstranten und Schaulustige begleiteten die tonnenschweren Behälter voll mit strahlendem Müll auf den letzten Metern ihrer Reise in das Zwischenlager, das seit dem Jahr 2007 auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks Philippsburg betrieben wird.

Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof, den Bürgermeister Martus im Namen der Stadt Philippsburg ebenso wie drei einzelne Bürger angerufen hatte, wollte den Transport nicht aufhalten. Obwohl die Richter „punktuell weiteren Aufklärungsbedarf“ sahen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, lehnten sie die Eilanträge ab.

Es würden ja „keine irreversiblen Tatsachen geschaffen“, denn die Castor-Behälter könnten, falls die Klage im Hauptsacheverfahren erfolgreich sei, wieder abtransportiert werden.

„Zwei Tage im Terminkalender geblockt“

Wie es darum steht, wird sich möglicherweise schon in den nächsten Tagen zeigen. Ab dem kommenden Dienstag verhandelt der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim den Fall Philippsburg im Grundsätzlichen. Stefan Martus hat sich für das Verfahren „zwei Tage im Terminkalender geblockt“ und will vor Ort sein. Der Bürgermeister und die Mitkläger werden einer Phalanx von mehr als zwei Dutzend Prozessgegnern gegenübersitzen – vor allem vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base), die in Deutschland für die Genehmigung solcher atomaren Zwischenlagerungen zuständig ist. Es geht um Sicherheit, um viele technische Details – und die Zukunft der nuklearen Entsorgung in Deutschland.

Der Atommüll in den Castor-Behältern von Philippsburg ist ein kleiner Teil einer großen Menge, die in Zwischenlagern wie Gorleben, Brokdorf oder Biblis abgestellt wird, bis sie in einem noch zu bauenden großen atomaren Endlager auf viele hundert Jahre sicher verwahrt werden sollen. Es handelt sich um Überreste von Brennelementen aus deutschen Kraftwerken, die in England und Frankreich aufgearbeitet wurden.

Abgestellt in einer Betonhalle

In Philippsburg stehen insgesamt 106 Behälter mit Atommüll in einer Betonhalle. Sie sind also nicht, wie etwa in Neckarwestheim, unterirdisch gelagert. Durch die Halle wird beständig Außenluft geleitet, damit die Behälter mit den nuklearen Überresten nicht zu warm werden.

Martus und die Mitkläger haben Zweifel, dass alte Kernkraftwerke wie Philippsburg ein geeigneter Ort für diese Zwischenlager sind. „Über mein Haus fliegen ständig Flugzeuge, die vom Flughafen Frankfurt starten“, sagt der Bürgermeister. „Was ist, wenn so eine Maschine mit vollem Tank gezielt bei uns zum Absturz gebracht wird?“ Dasselbe gelte für Militärmaschinen etwa der US-Streitkräfte, die voll munitioniert im deutschen Luftraum unterwegs seien. Zudem habe der Krieg in der Ukraine gezeigt, dass man heute „schon mit einfachen Drohnen Sprengstoff an einen Zielort fliegen kann“. Dazu fähig seien nicht nur Militärs, sondern auch Terroristen.

Warten auf das atomare Endlager

Die Genehmigungsbehörde des Zwischenlagers hält diese Bedenken für weit übertrieben. Die Castor-Behälter seien umfangreichen Belastungstests unterzogen worden, das Lager sei auch bei höchst unwahrscheinlichen Bedrohungen sicher. „Wir haben auch Abstürze von Militärmaschinen geprüft. Die Genehmigung gibt ein hohes Maß an Sicherheit vor, das im laufenden Betrieb von der Aufsicht kontrolliert wird“, sagt Christoph Bunzmann, zuständiger Abteilungsleiter des BASE.

Bisher sind alle Klagen gegen die Zwischenlagerungen durch die Gerichte abgewiesen worden. So rechnet Bürgermeister Martus auch nicht ernsthaft damit, dass die Castor-Behälter wieder verschwinden. Wo sollten sie auch hin? Bis es ein atomares Endlager gibt, werden noch Jahrzehnte verstreichen. Mindestens.

Zwischenlagerung ist im Moment nur für vierzig Jahre erlaubt

Stefan Martus würde „trotzdem Hurra rufen, wenn vor Gericht drängende Fragen zur Sicherheit überzeugend beantwortet werden und anerkannt wird, dass eine Stadt wie Philippsburg in solchen Verfahren überhaupt klagebefugt ist“. Das ist tatsächlich juristisch umstritten. Im Fall der nordrhein-westfälischen Stadt Ahaus, die sich auch gerade in einem Rechtsstreit wegen einer Atommüll-Einlagerung auf ihrem Gemeindegebiet befindet, wurde sie grundsätzlich bejaht.

Auch für die Bundeseinrichtungen Base und BGZ geht es um viel: Die Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle ist in Deutschland auf vierzig Jahre befristet, die Genehmigungen für die heutigen Zwischenlager laufen ab 2034 nach und nach aus. Es werden also zum deutschen Atommüll noch viele weitere Genehmigungen auszustellen sein. Da braucht es rechtliche Sicherheit für alle Beteiligten.

Die Zwischenlager für hoch radioaktiven Müll sind über 16 Standorte in Deutschland verteilt. Die betroffenen Kommunen haben sich in der Arbeitsgemeinschaft ASKETA zusammengeschlossen. Deren Präsident Josef Klaus beklagt, dass die „bestehenden gefährlichen Zwischenlager nicht nur ein paar Jahre länger in Betrieb bleiben, sondern voraussichtlich Jahrzehnte“. Die ursprünglich befristete Lösung, sagt der Bürgermeister der bayrischen Gemeinde Niederaichbach, „droht stillschweigend zu einem Dauerzustand zu werden“.