Im Interview mit unserer Zeitung wirbt CDU-Vize Andreas Jung für das Festhalten an den Klimazielen und plädiert für die schnelle Stromsteuer-Senkung für alle Verbraucher.
Warnt davor, Klimapolitik in Krisenzeiten hintanzustellen: CDU-Vize Andreas Jung.
Von Norbert Wallet
Wie halten es die Unionsparteien mit dem Klimaschutz? Äußerungen der neuen Wirtschaftsministerin Katharina Reiche deuten auf einen deutlichen Kurswechsel hin. Der CDU-Vize Andreas Jung hält dagegen.
Herr Jung, man hat den Eindruck, dass das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 von der neuen Bundesregierung nicht mehr so ernst genommen wird. Jedenfalls deuten einige Äußerungen der Bundeswirtschaftsministerin darauf hin.
An dem Ziel wird nicht gerüttelt. Es steht im Klimaschutzgesetz und im Koalitionsvertrag. Das ist unser Beitrag zum internationalen Klimaschutz und unsere globale Verantwortung. Friedrich Merz hat klar gemacht, dass Deutschland zu diesen Verpflichtungen steht. Aber genauso klar ist: Wir müssen Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke und sozialen Ausgleich unbedingt verbinden. Nur so erreichen wir die notwendige Akzeptanz.
Dennoch erweckt die Bundeswirtschaftsministerin Reiche den Eindruck, Deutschland hätte es mit dem Ausbau der Erneuerbaren ein wenig übertrieben.
Der Ausbau geht konsequent weiter. Die Erneuerbaren werden immer mehr zur tragenden Säule unserer Energieversorgung. Um das zum Erfolg zu machen, muss der Ausbau jetzt mit Netzen und Speichern gut verbunden werden. Und da Sonne und Wind volatil sind, braucht es eine verlässliche Ergänzung. Die Bioenergie hat Potenziale. Aber es werden auch neue Gaskraftwerke gebraucht.
Frau Reiche will aber die neuen Gaskraftwerke von der Anforderung befreien, für grünen Wasserstoff umrüstbar zu sein.
Das entscheidende Instrument ist der europäische Emissionshandel. Durch ihn muss CO2 konstant reduziert werden. Der Ausstoß wird immer teurer, am Ende gibt es gar keine CO2-Zertifikate mehr für Gaskraftwerke. Das bedeutet: Gaskraftwerke, die neu gebaut werden und dann zunächst fossil betrieben werden, müssen klimaneutral umstellbar sein – auf Wasserstoff oder mit CO2-Abscheidung. Sie können nicht dauerhaft mit fossilem Gas betrieben werden.
Manche in der Union sagen: Deutschland ist mit nur zwei Prozent am globalen CO2-Ausstoß beteiligt. Müssen wir da wirklich so massiv vorpreschen?
Im neuen CDU-Grundsatzprogramm steht: Wir verursachen bei einem Prozent der Weltbevölkerung zwei Prozent des CO2-Problems – und wollen zu 20 Prozent zur Lösung beitragen: Mit technischen Innovationen, die dann auch anderswo zum Einsatz kommen können. Wir müssen klimaneutral werden und ein starkes Land bleiben. Wir müssen zeigen, dass das geht. So werden wir zum Vorbild und können viel mehr erreichen als Reduktion von zwei Prozent. Das ist unsere doppelte Verantwortung.
Bis 2030 möchte Deutschland auch 65 Prozent der Treibhausgase reduziert haben. Ist das Zwischenziel überhaupt noch erreichbar?
Es ist erreichbar, aber ambitioniert. Dazu muss das, was im Koalitionsvertrag steht, tatsächlich gelebt werden. Klimaschutz muss eine Priorität der Politik bleiben. Natürlich müssen wir Antworten geben für internationale Krisen, Kriege und wirtschaftliche Herausforderungen. In solchen Situationen droht immer, dass der Klimaschutz hintangestellt wird. Das waren Fehler der Vergangenheit, aus denen wir lernen müssen.
Im Gebäude-Energiegesetz gibt es die Vorgabe, bis 2028 den Anteil der Erneuerbaren auf 65 Prozent hochzuschrauben. Das Wirtschaftsministerium will eine Gesetzesnovelle. Befürchten Sie eine Aufweichung des Ziels?
Das Ziel klimaneutrale Wärme bleibt unverändert. Der Weg der Ampel mit dem Heizungsgesetz hat aber Akzeptanz gekostet. Wir brauchen gleichberechtigte Ermöglichung aller Wege zum klimafreundlichen Heizen. Die Wärmepumpe bleibt da eine sehr gute Option, wie Solarthermie, Geothermie, auch der Anschluss an ein Wärmenetz. Aber auch etwa das Heizen mit Holzpellets - und auch grüne Gase haben Potenzial. Was zum Einsatz kommt, muss vor Ort entschieden werden.
Muss die 65-Prozent-Marke im Gesetz bleiben?
Entscheidend ist, dass es bei dem Rahmen bleibt: Dazu gehört erstens eine schrittweise CO2-Bepreisung, die keinen überfordert, aber mit dem Preissignal: Klimaschutz lohnt sich auch im Geldbeutel. Zweitens die Rückgabe der Einnahmen durch Senkung der Stromkosten und drittens eine verlässliche Förderung für den Heizungstausch.
Die Reduzierung der Stromsteuer kommt aber nur der Industrie und Landwirtschaft zugute.
Die Senkung der Netzentgelte kommt bereits für alle. Auch die Stromsteuer muss unbedingt für alle gesenkt werden und zwar so schnell wie möglich. Das ist entscheidend für die Glaubwürdigkeit der CO2-Bepreisung. Die soll ja kein Instrument für neue Staatseinnahmen sein, sondern für effizienten Klimaschutz.
Was ist denn so schnell wie möglich?
Das muss in der Koalition geklärt werden. Aber es muss klar sein, dass wir das Geld an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben.
War die aggressive Polemik gegen das Heizungsgesetz der Ampel nicht kontraproduktiv? Auch die neue Regierung setzt doch auf die Wärmepumpe.
Die Debatte um das Heizungsgesetz war überhitzt. Daraus müssen alle lernen. Die Wärmepumpe ist oft sinnvoll, aber nicht immer. Sie ist eine gute Option, es gibt aber auch andere. Politik muss das abwägen und einen Rahmen schaffen. Aber die Wärmepumpe ist kein Kulturkampf-Thema.
Offenbar halten viele in der Union das Verbrenner-Aus eindeutig für ein Kulturkampf-Thema.
Auch das ist kein Kulturkampf-Thema. Auch das Auto muss klimafreundlich werden. Aber beim Weg gibt es unterschiedliche Optionen – wie beim Heizen. Auch ein Verbrenner mit CO2-freiem Kraftstoff ist klimafreundlich – muss sich aber am Markt behaupten. Wir geben CO2-Ziele vor, keine Technologien. Allerdings müssen wir die Hürden für das E-Auto abbauen. Es muss auch für Normalverdiener bezahlbar sein. Und es muss eine verlässliche Lade-Infrastruktur geben. Man schafft die Akzeptanz für das E-Auto nicht dadurch, dass man die Alternativen verbietet.
Welche Rolle spielt das Sondervermögen Infrastruktur für die Klimapolitik?
Es ist uns nicht leichtgefallen, so viele Milliarden Schulden aufzunehmen. Das kann man nur rechtfertigen, wenn das Geld in die Infrastruktur der Zukunft fließt. Das gilt für Erhalt und Sanierung – es muss aber auch für Neubau Mittel geben. Ein handfestes Beispiel: Stuttgarter 21 muss für alle einen Fortschritt bringen, keinen Rückschritt für Regionen im Süden des Landes. Deshalb muss ein Projekt wie der Pfaffensteigtunnel als notwendige Anbindung der Gäubahn zum Bahnhof Stuttgart kommen. Da geht es um klimafreundliche Mobilität – und dafür muss es Mittel aus dem Sondervermögen geben.