Chancen für das öde Bahnhofsviertel

Bis zur IBA 2027 soll die „gefühlte Entfernung“ zur Waiblinger Innenstadt kürzer werden – Knackpunkt: Macht die Bahn mit?

Waiblingen hat ein Problem: Der Bahnhof liegt weitab der Innenstadt – mit Folgen für den Verkehr und für den Einzelhandel. Nun lässt sich ein Bahnhof mit zwei S-Bahn-Linien nicht einfach ins Zentrum verpflanzen, aber mit der Internationalen Bauausstellung IBA 2027 soll das scheinbar Unmögliche versucht werden – nämlich die Stadt an den Bahnhof heranzuführen.

Chancen für das öde Bahnhofsviertel

Blick vom BGS-Hochhaus in Waiblingen auf die Devizesstraße, den Bahnhof mit Parkplatz und die umliegenden Gewerbeflächen. Foto: B. Büttner

Von Andreas Kölbl

WAIBLINGEN. Zumindest die „gefühlte Entfernung“ soll abnehmen. Ein wichtiger Schritt immerhin ist getan: Das Bahnhofsumfeld ist offiziell aufgenommen in das regionweite Netz der IBA-Projekte. Ein Stuttgarter Büro für Stadtplanung und Architektur hat für etwas mehr als 100000 Euro den Auftrag, einen Masterplan zu entwickeln. Neue Zugänge zum Daimler-Areal, Wohnbebauung auf dem Lidl-Parkplatz, vielleicht eine Stadtbahn-Linie – vieles scheint möglich. Wie wird das Waiblingen 2027 aussehen?

„Schon jetzt steckt viel Dynamik in dem Gebiet“, stellt Stadtplaner Patrick Henschel fest. Am Standort des Hotels Koch entsteht ein Neubau, Daimler zieht bald auf dem Hess-Areal ein, und auf der anderen Seite der Gleise wird das überlastete Park-and-ride-Parkhaus ersetzt. Das sind die Pflöcke, die schon eingerammt sind. Dazwischen und drum herum bleibt viel Spielraum. Konkret sieht ihn die Stadt in einer weiteren Neuordnung des Güterbahnhofsareals und einer – laut gültigem Bebauungsplan möglichen – Bebauung des Lidl-Parkplatzes. Nach einer Aufwertung verlange nicht zuletzt der Übergang vom Bahnhof in Richtung Ameisenbühl und Daimler-Werke.

Die Anbindung für Fahrradfahrer soll verbessert werden

Die SPD und die „Agtif“-Fraktion im Gemeinderat hoffen auf richtungsweisende Vorschläge für die verlängerte Stadtbahn aus Richtung Remseck und Hegnach. Die Anbindung für Fahrradfahrer und „neue Mobilitätsformen“ sollen verbessert werden: Ziel sind laut Stadtverwaltung Konzepte, „die den Weg in seiner Wahrnehmung kürzer erscheinen lassen und die vor allem Lust machen, den Weg anders als mit dem Auto zurückzulegen“.

Das Quartier rund um den Bahnhof erscheint als großes Wirrwarr, zusammenhanglos und mit allerlei zergliederten, untergenutzten Flächen. Umso mehr werde es darauf ankommen, die Stärken hervorzukehren, meint Baubürgermeister Dieter Schienmann: „Wir können gar nicht groß genug denken.“ Ob die Bahn als Eigentümerin eines Großteils der Flächen sich überzeugen lässt, mit ins Boot kommt und sich engagiert – das könnte zum Knackpunkt werden. Die Pfunde, mit denen die Stadt wuchern kann, sind die „vorzügliche regionale verkehrliche Anbindung“ und die Nähe der großen Betriebe Bosch, Stihl und Daimler.

Eine Aufgabe der Planer vom „Internationalen Stadtbauatelier“ (ISA) aus Stuttgart wird sein, zu bestimmen, wie dicht und wie hoch im Bahnhofsviertel gebaut werden soll. Eine weitere Aufgabe lautet, die verstreuten Freiflächen zu einem zusammenhängenden, „erlebbaren“ Raum zu verbinden. Die Mobilitätsangebote sollen nach Möglichkeit „neu geordnet“ werden – ausdrücklich ist damit auch der Omnibusbahnhof gemeint.

Eine „Chance für eine positive Stadtentwicklung“ sieht CDU-Stadtrat Peter Abele in der IBA-Beteiligung, der allerdings Zweifel anmeldet, ob bis 2027 alles realisiert werden kann. Davon geht auch Baubürgermeister Dieter Schienmann nicht aus. „Aber wir hoffen, dass das eine oder andere Projekt schon zu sehen sein wird.“

Eine Schwierigkeit ist, alle Akteure unter einen Hut zu bekommen

Eine Schwierigkeit dürfte sein, die Vielzahl unterschiedlicher Akteure aus Politik, Verwaltung, IBA, Bahn, Wirtschaft, Wohnungsgenossenschaften und Mobilitätsdienstleister unter einen Hut zu bekommen. Und nicht zuletzt die vielen Kunden von Bus und Bahn. Ein „aktiver Austausch mit der Bürgerschaft“ wird den Planern mit als Auftrag gegeben, sie sollen ein Prozedere für die Planung und Bürgerbeteiligung entwerfen, das breite Akzeptanz findet.

Mit der Entscheidung, dass das Bahnhofsviertel Teil des IBA-Netzes wird, ist noch keine über die anderen Vorschläge getroffen. Anträge, auch die Badstraße und das Areal des geplanten und dann verworfenen „grünen Hochhauses“ aufzunehmen, sind derzeit noch in Arbeit.