Gefahr für Autohersteller

China wird zum Risiko für die Autobranche

Jedes dritte Auto der deutschen Hersteller wird in China verkauft, und bei E-Rohstoffen hat das Land eine überragende Marktmacht. Was passiert, falls dieser Handelspartner wegfallen sollte, mag man sich lieber nicht vorstellen.

China wird zum Risiko für die Autobranche

26 Millionen Autos werden jedes Jahr in China neu zugelassen – so viele wie in keinem anderen Land der Welt.

Von Klaus Köster

Der Topmanager aus der Autoindustrie machte sich große Sorgen um das E-Auto. „Deutschland und Europa müssen sich die Frage stellen, ob sie bei der Zelle den Lieferanten aus dem asiatischen Raum das Feld allein überlassen wollen“, sagte er. Es gehe schließlich „um die zentrale Frage: Reicht es zu kaufen, oder sollen wir Kräfte bündeln, um selbst eine Fertigung für Batteriezellen aufzubauen?“

E-Mobilität schafft Abhängigkeiten

Die Aussage ist bereits acht Jahre alt und stammt vom damaligen Daimler-Forschungschef Thomas Weber. Doch sie hat kaum etwas von ihrer Aktualität verloren. Denn die Abhängigkeit der deutschen und europäischen Autoindustrie von China ist groß – und sie wächst mit dem Anteil der Elektroautos.

Zahlen der Internationalen Energieagentur zufolge beträgt der Marktanteil Chinas bei der Verarbeitung der wichtigen Rohstoffe Lithium und Kobalt rund 60 Prozent, beim Minuspol der Zelle (Kathode) rund 60 und beim Pluspol (Anode) sogar rund 80 Prozent. Bei einigen Seltenen Erden, wie sie etwa für den Elektromotor benötigt werden, liegt der Marktanteil sogar in der Größenordnung von über 90 Prozent. Zugleich wächst durch geopolitische Spannungen die Gefahr, dass die Handelsbeziehungen mit China massiv gestört werden. Das könnte den Bezug von Rohstoffen ebenso stoppen wie den Verkauf von Autos.

Daimler gehörte einst zu den Vorreitern der Herstellung von Batteriezellen – für den elektrischen Smart produzierte man im sächsischen Kamenz schon vom Jahr 2008 an die Batterien, bevor man die Fertigung 2015 einstellte – mangels Nachfrage. Erst Jahre später kamen europäische Hersteller erneut auf die Idee, selbst in die Fertigung von Zellen einzusteigen – lange erklärten sie die Zelle zur „commodity“, zum austauschbaren Allerweltsprodukt, das man überall kaufen kann, Hauptsache, es ist billig. Inzwischen ist klar, dass die Technologie der Zelle einen großen Einfluss auf wichtige Eigenschaften des E-Autos hat: Reichweite, Beschleunigung, Ladedauer, Haltbarkeit. Derzeit plant Mercedes weltweit acht Gigafabriken und hat sich am Zellhersteller ACC beteiligt, der in Europa weitere Gigafabriken baut.

Hoffnung auf neue Rohstoffvorkommen

Doch der Zugang zu Rohstoffen ist durch die eigene Fertigung noch nicht gesichert. Auch wenn viele Vorkommen – etwa von Lithium – noch weitgehend unerschlossen sind und im Rheingraben große Mengen dieses Stoffs schlummern: Für den geplanten schnellen Hochlauf werden diese Vorkommen noch nicht im großen Stil genutzt werden können. Deshalb setzt die Branche hohe Erwartungen in neue Batterietechnologien. Zu den Favoriten zählt die Lithium-Eisenphosphat-Batterie, für die weniger kritische Rohstoffe benötigt werden.

Doch sie ist für große, schwere Fahrzeuge, wie sie im Südwesten in großer Zahl vom Band laufen, weniger geeignet – und wenn, dann eher für Varianten, deren Käufer sich mit mittleren Reichweiten zufriedengeben. Potenzial sieht die Batterieforschung auch in der Feststofftechnologie für Batterien, bei der flüssige Elektrolyte durch feste Stoffe ersetzt werden. Auch sie kommt mit Rohstoffen aus, die im Überfluss vorhanden sind – zum Beispiel Natrium, das ein Bestandteil von Kochsalz ist und in riesigen Mengen in den Weltmeeren vorkommt.

Absatzmarkt nicht zu ersetzen

Während sich die Rohstoffabhängigkeit von China über die Jahre verringern lässt, könnte eine weitere Abhängigkeit wesentlich hartnäckiger sein: die von China als Abnehmer der Autos. Mercedes und BMW verkaufen mehr als ein Drittel ihrer Fahrzeuge in China, bei Volkswagen ist der Anteil noch höher. Forderungen, sich vorbeugend aus China zurückzuziehen, erteilte Mercedes-Chef Ola Källenius erst vor Kurzem eine klare Absage. „Von China abzurücken, weil irgendetwas passieren könnte, wäre die falsche Richtung“, sagte Källenius. Es sei „absolut unvorstellbar“, das Land abzuschreiben. Hildegard Müller, Chefin des Branchenverbands VDA, warnt ebenfalls vor einer Abkehr von dem Land. Die Antwort auf die Krisen „kann und darf keine Abkehr von der Globalisierung und der internationalen Kooperation sein“. Und Peter Fuß, Autoexperte bei der Unternehmensberatung EY, hält den chinesischen Markt für zu groß, um ihn irgendwo in der Welt ersetzen zu können. „An einem Markt mit weltweit über einer Milliarde Menschen kommt niemand vorbei“, sagt er. „Den guten Verkäufen in China haben wir einen guten Teil unseres Wohlstands zu verdanken. Jetzt sehen wir die Kehrseite dieses Wohlstands in Form von Abhängigkeiten.“

Auch in Zukunft werde der Markt noch große Bedeutung haben, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Duisburger Forschungsinstituts CAR. China sei nicht nur ein riesiger Markt, sondern habe angesichts von nur 110 Autos pro 1000 Einwohner auch ein großes Wachstumspotenzial. Der intensive Handel mit dem Land berge zwar Risiken. „Noch größer aber wäre das Risiko, dort nicht präsent zu sein.“

Chinas Bedeutung für Deutschland

Absatzmarkt China ist Deutschlands wichtiger Handelspartner. Im vergangenen Jahr standen Importen aus China von 143 Milliarden Euro Exporte von 104 Milliarden Euro gegenüber. Das Land hat den mit Abstand größten Automarkt der Welt. Im vergangenen Jahr wurden dort mehr als 26 Millionen Autos verkauft. In den USA waren es 15 Millionen, in Deutschland 2,6 Millionen.

Lieferant von Rohstoffen China ist ein bedeutender Lieferant von Rohstoffen, nicht zuletzt für die E-Mobilität. Bei einigen Seltenen Erden, wie sie unter anderem für den E-Motor verwendet werden, hat China nahezu ein Monopol. Auch für die heutige E-Batterie sind chinesische Rohstoffe schwer ersetzbar.